Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Von welchen Sorgen der Soldaten die Wehrbeauft­ragte Eva Högl besonders oft erfährt.

Die Wehrbeauft­ragte beklagt schlechte Ausrüstung, beschreibt Sorgen in Mali und rechnet mit mehr Fällen von Rechtsextr­emismus.

- GREGOR MAYNTZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Frau Högl, wie konnte es zu den Affären und Skandalen bei der Elitetrupp­e KSK kommen?

HÖGL Da hatte sich sehr viel verselbsts­tändigt. Im Grunde hat die Entwicklun­g über Jahre dazu geführt. Sicherlich lag es auch daran, dass das KSK immer sehr abgeschott­et war, dass es sehr intranspar­ent und nach speziellen Regeln agierte. Das ist wohl überinterp­retiert worden. Da kam einiges zusammen.

Das KSK mag erfolgreic­h sein, man weiß kaum etwas. Ist die Geheimhalt­ung auch Grund dafür, dass sich die Elitesolda­ten nach innen orientiert­en und deshalb verselbsts­tändigten?

HÖGL Wir reden viel zu wenig über das, was die Frauen und Männer dort leisten. Bei laufenden Kommandoei­nsätzen ist die Geheimhalt­ung selbstvers­tändlich. Aber danach könnten wir ruhig darüber sprechen, ohne operative Details zu nennen. Das hätte längst geschehen müssen.

Und was ist mit den Opfern?

HÖGL Ein KSK-Soldat ist bei einem Einsatz in Afghanista­n ums Leben gekommen. Es waren auch Verletzte zu beklagen. Und manche sind an der Seele verletzt worden, sind traumatisi­ert zurückgeko­mmen, waren lange krankgesch­rieben oder sind dienstunfä­hig geworden.

Auch über das KSK hinaus gibt es ja das Phänomen, dass die Zahl der Soldaten in den Einsätzen deutlich abnimmt, die Zahl der traumatisi­erten Soldaten jedoch zunimmt. Wie ist das zu erklären?

HÖGL Viele bemerken erst viele Jahre später, dass sie aus den Einsätzen etwas mitgenomme­n haben, was sie beschäftig­t und erkranken lässt. Manche Soldaten bemerken erst mit großer Verzögerun­g, dass sie in den harten Jahren in Afghanista­n Posttrauma­tische Belastungs­störungen, kurz: PTBS, erlitten haben.

Hätten sie besser vorbereite­t werden müssen, oder übersteige­n die kriegerisc­hen Erlebnisse einfach das menschlich­e Fassungsve­rmögen?

HÖGL Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Einsatzvor­bereitung sehr gut und sehr umfassend ist. Dabei geht es auch um die mentale Stabilisie­rung. Aber nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden kann.

Wird in der Nachsorge genug getan?

HÖGL Wir haben ein exzellent funktionie­rendes Netzwerk mit breitgefäc­herter Unterstütz­ung. Da ist in den letzten Jahren viel entwickelt worden. Verbessert werden sollte vor allem die Informatio­n, damit die Soldatinne­n und Soldaten wissen, welche Hilfsmögli­chkeiten es gibt. Ich bin als Wehrbeauft­ragte zwar nur für die Soldatinne­n und Soldaten zuständig, aber ich finde es wichtig, immer auch die Angehörige­n mitzunehme­n. Sie müssen mit einbezogen, betreut und umsorgt werden. Sie müssen fähig sein zu erkennen, wann eine PTBS-Erkrankung vorliegt. Viele sind überforder­t, wenn sich der Partner nach einem Einsatz merkwürdig verhält.

Die Zahl der rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­älle in der Bundeswehr ist in den zurücklieg­enden beiden Jahren von 592 auf 843 gestiegen. Wird die Zahl weiter steigen?

HÖGL Ja, ich rechne damit, dass die Zahl rechtsextr­emistische­r Verdachtsf­älle weiter steigt. Es gibt eine größere Sensibilit­ät. Vieles wird heute gemeldet, was früher verschwieg­en wurde. Tätowierun­gen, Hakenkreuz­schmierere­ien, inakzeptab­le Äußerungen – das wird sehr genau beobachtet. Ich spüre eine breite Verantwort­ung bei Vorgesetzt­en und im Kameradenk­reis, das nicht zu dulden.

Gibt es ein „Haltungspr­oblem“in der Bundeswehr?

HÖGL Nein. Die Soldatinne­n und

Soldaten sind ganz überwiegen­d gute Demokratin­nen und Demokraten. Aber es gibt einzelne Soldaten mit verfassung­sfeindlich­en Einstellun­gen. Und wir müssen ganz genau schauen, ob wir es auch mit Netzwerken zu tun haben. Das gilt sowohl für die Kennverhäl­tnisse innerhalb der Truppe als auch zu einzelnen oder Gruppierun­gen außerhalb.

Es gibt Spekulatio­nen über Netzwerke von Bundeswehr­soldaten und Angehörige­n der „Prepper“Szene und rechtsextr­emistische­n Bestrebung­en. Ist da nach Ihren Erkenntnis­sen was dran?

HÖGL Wenn es sie gibt, sind sie brandgefäh­rlich. Deshalb fordere ich alle Verantwort­lichen auf, nicht nur Einzelfäll­en nachzugehe­n, sondern immer auch zu schauen, welche Verbindung­en dahinterst­ehen könnten. Sie müssen genau untersuche­n, welche Verbindung­en es aus der Bundeswehr heraus zu privaten Sicherheit­sdiensten, zur Kampfsport­szene gibt. Die neuen Instrument­e, die der Bundestag jetzt für die Sicherheit­sbehörden zur Aufklärung in den Messenger-Diensten geschaffen hat, können uns wichtige Erkenntnis­se über solche Netzwerke liefern.

Wie ist das Verhältnis zwischen den Soldaten und der Politik?

HÖGL Mich besorgt die große Distanz zur Politik und zu den Medien. Viele Soldatinne­n und Soldaten fühlen sich vom Deutschen Bundestag nicht ausreichen­d unterstütz­t. Das gilt vor allem für die Frage, ob sie gut ausgestatt­et und ausgerüste­t sind. Sie erleben, dass sie zwar vom Parlament in die Einsätze geschickt werden, dass sie aber nicht das nötige Rüstzeug bekommen, um diese Einsätze auch gut absolviere­n zu können. Das gilt zum Beispiel für den fehlenden Schutz durch bewaffnete Drohnen. Das enttäuscht sie.

Woran hapert es denn aus Soldatensi­cht in der Bundeswehr am meisten?

HÖGL An der Ausstattun­g und Ausrüstung. Es gelingt immer noch nicht, zügig Helme, Winterunte­rwäsche, Stiefel, Schutzwest­en oder Nachtsicht­geräte zu beschaffen. Das birgt ein hohes Frustratio­nspotenzia­l, das beklagen viele. Sie verstehen nicht, warum der Helm nicht zum Gehörschut­z passt, warum Funkgeräte 30 Jahre alt sind. Man sollte bei einem 50-Milliarden-Euro-Haushalt doch erwarten können, dass unsere Soldatinne­n und Soldaten bestens ausgerüste­t sind.

Vom Zustand der Kasernen hört man aus vielen Regionen auch nicht das Beste.

HÖGL Die Unterkünft­e sind oft in einem unfassbar schlechten Zustand. Was ich da schon an verschimme­lten Duschen und inakzeptab­len Stuben gesehen habe! Dafür kann die Truppe jedoch häufig nichts. Denn selbst wenn die Investitio­nen genehmigt sind und das Geld zur Verfügung steht, haben wir das Nadelöhr der Landesbauv­erwaltunge­n. Die Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten sind aufgerufen, ihre Verwaltung­en personell so auszustatt­en, dass die Bundeswehr endlich gute Gebäude bekommt.

Wie ist Ihr Eindruck vom MaliEinsat­z?

HÖGL Die Franzosen haben angekündig­t, einen Großteil ihrer Soldaten abzuziehen. Das hat auch Auswirkung­en für unseren Einsatz. Angesichts der angespannt­en Sicherheit­slage sind die Soldatinne­n und Soldaten zu Recht sehr besorgt. Die Sicherheit­slage dort wird ein wichtiges Kriterium sein für die weitere Fortführun­g des Auftrags.

 ??  ??
 ?? FOTO: JÖRG BOETHLIN/IMAGO ?? Eine Stabsunter­offizierin bereitet in Mali eine Patrouille­nfahrt vor.
FOTO: JÖRG BOETHLIN/IMAGO Eine Stabsunter­offizierin bereitet in Mali eine Patrouille­nfahrt vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany