Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
9300 Corona-Tote im Rheinland
In Oberhausen war die Sterberate dreimal so hoch wie in Leverkusen. 440.000 Menschen in der Region erkrankten an Covid-19. Ein Siebtel derer, die im Krankenhaus behandelt wurden, starb. Der AOK-Chef nennt Armut ein Gesundheitsrisiko.
DÜSSELDORF Die Corona-Pandemie hat das Rheinland schwer getroffen, auch wenn die Inzidenzen inzwischen niedrig sind. Bis Mitte Juni sind 9300 Menschen an Rhein und Ruhr an oder mit Covid-19 gestorben, wie aus dem Gesundheitsreport der AOK Rheinland/Hamburg hervorgeht, der unserer Redaktion vorliegt. Seit Beginn der Pandemie wurde bei 444.000 Menschen eine Corona-Infektion nachgewiesen; die Dunkelziffer dürfte höher liegen.
Die regionalen Unterschiede sind groß: Sehr hoch waren die Sterberaten in Oberhausen, im Kreis Heinsberg, in Remscheid und Duisburg. In Oberhausen gab es bis Mai 156 Sterbefälle pro 100.000 Einwohner, im Kreis Heinsberg 145. Am geringsten waren die Sterberaten dagegen in den Kreisen Kleve (60) und Wesel (56), in Leverkusen (55) und im Rheinisch-Bergischen Kreis (45).
Ein Sonderfall war der Kreis Heinsberg, wo es gleich zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 einen großen Ausbruch gab. Der Kreis fühlte sich damals von Bund und Land alleingelassen.
In anderen Regionen spielt vor allem die Sozialstruktur eine große Rolle. „Das Risiko für schwere Krankheitsverläufe ist insbesondere bei sozial schwächer gestellten Menschen deutlich erhöht. Armut ist ein Gesundheitsrisiko“, sagte Günter Wältermann, Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg. „Zum einen haben sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit sowie ihrer Wohn- und Lebensverhältnisse oftmals ein höheres Infektionsrisiko. Zum anderen leiden sie häufiger an Vorerkrankungen und weiteren Faktoren, die schwere Krankheitsverläufe begünstigen.“
Insbesondere Menschen mit Vorerkrankung haben ein erhöhtes Risiko, an Covid-19 zu sterben. Entsprechend ist die Sterberate in Regionen mit vielen chronisch Kranken hoch. Remscheid etwa hat eine besonders hohe Rate an Übergewichtigen und Lungenkranken, Oberhausen und
Duisburg haben eine hohe Rate an Lungen- und Diabetes-Kranken. In Bonn und Düsseldorf hingegen ist der Anteil der Menschen, die eine mit Blick auf Corona riskante Vorerkrankung haben, gering. Bonn liegt entsprechend mit 79 Sterbefällen pro 100.000 Einwohnern im unteren Bereich, Düsseldorf steht mit einer Rate von 69 noch besser da. „Jeder vierte Bewohner Nordrhein-Westfalens ist chronisch krank und damit einem höheren Risiko für einen schweren Corona-Verlauf ausgesetzt“, stellte die AOK fest. Vorbeugung wird damit immer wichtiger.
Wenn Patienten ins Krankenhaus müssen, ist die Lage ernst: Seit Beginn der Pandemie wurden 707 je 100.000 Versicherte der AOK mit einer Corona-Erkrankung im Krankenhaus behandelt, 16 Prozent von ihnen auf einer Intensivstation. 13,5 Prozent sind während des Krankenhausaufenthalts gestorben.
Der Report zeigt, dass die Kliniken die Lage beherrschten: „Obwohl die Situation zeitweise angespannt war, stand eine ausreichende Zahl an Intensivbetten zur Verfügung“, heißt es. 144 Kliniken an Rhein und Ruhr haben Corona-Patienten versorgt. Die Hälfte der Kliniken habe sich um 81 Prozent der Intensivfälle gekümmert. „Die Pandemie zeigt, wie wichtig es ist, dass der Patient in ein Krankenhaus mit einer hohen Expertise kommt“, so AOK-Vorstand Matthias Mohrmann.
Auch der gestern vorgelegte Krankenhaus-Report des RWI Leibniz-Instituts zeigt, dass Konzentration Patienten und Häusern nützt: Bundesweit schrieb 2019 ein Drittel der Kliniken Verluste. „Der Anteil der von Insolvenz bedrohten Kliniken wird in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen“, sagte RWI-Forscher Boris Augurzky. Zumal die Pandemie auch zu einem Einbruch bei planbaren Operationen geführt hat. Die Zahl der Hüftprothesen-Implantationen sank zeitweise um 27 Prozent. Das kann von Vorteil sein: Krankenkassen kritisieren seit Langem, dass in Deutschland zu viele Hüft- und Kniegelenke gewechselt werden.