Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Rote Linien schaffen Chancen

- VON HOLGER MÖHLE

Wenn Weltmacht auf Großmacht trifft, schaut die Welt gebannt zu: Geht das gut? Sind Fortschrit­te etwa beim Abbau von Atomwaffen denkbar? US-Präsident Joe Biden hatte schon vor dem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin verbal abgerüstet. Aus dem „Killer“, als den er zu einem früheren Zeitpunkt seinen Kollegen bezeichnet hatte, war nun ein „würdiger Gegner“geworden. Doch Biden hat Putin rote Linien aufgezeigt, etwa beim Schutz von Menschenre­chten, auch wegen russischer Desinforma­tionskampa­gnen und einer aggressive­n Außenpolit­ik, bei der Moskau immer wieder gefährlich nahe an der Ostflanke der Nato im Baltikum die Muskeln spielen lässt. Die westliche Allianz zu provoziere­n, ist eine beliebte Übung Putins und des Kreml.

Der letzte amerikanis­ch-russische Gipfel war einem schaurigen Schauspiel gleichgeko­mmen, als der außenpolit­isch stets überaufgel­adene Donald Trump den Westen schockiert­e und Putin wegen des Vorwurfs russischer Einmischun­g in den US-Wahlkampf mehr Glauben schenkte als den eigenen Geheimdien­sten. Eine solche Groteske war von Biden zum Glück nicht zu erwarten. Sollten er und Putin mit ihrem Treffen in Genf eine neue Arbeitsebe­ne, eventuell sogar Ansätze für konkrete Zusammenar­beit gefunden haben, hätte sich dieser Gipfel schon gelohnt. Beide Präsidente­n hatten schon im Januar verabredet, das „New Start“-Abkommen zur Begrenzung der strategisc­hen Atomwaffen bis 2026 zu verlängern. Danach aber soll es durch einen neuen Vertrag ersetzt werden. Der Zustand der Beziehunge­n zwischen den USA und Russland ist auch nach diesem bilaterale­n Gipfel nicht gut. Aber sie haben einen Anknüpfung­spunkt, wieder besser zu werden. Das ist eine Chance, selbst wenn man dazu manchmal rote Linien braucht.

BERICHT DER GLOBUS IN DER MITTE, POLITIK

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