Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Von kleinen und größeren Fehlern
Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Armin Laschet und Christian Lindner diskutierten über Energiepolitik.
BERLIN Drei stehen startklar an den weißen Stehpulten, bereit, in den verbalen Schlagabtausch über die Energiepolitik einzusteigen: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und FDP-Spitzenkandidat Christian Linder sind in Berlin zur Diskussionsrunde des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zusammengekommen. Nur bei einem hakt es noch: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist nicht zu hören, es gibt Technikprobleme. Laschet ist aus Düsseldorf zugeschaltet; als Ministerpräsident war er an diesem Mittwoch im Landtag gefragt. „Es lag hier“, sagt Laschet, als das Mikrofon offen ist. Es ist das Eingeständnis eines kleinen Fehlers zu Beginn. Er lässt sich leicht lösen. Doch im Laufe des einstündigen Gesprächs wird es viel um Fehler und Versäumnisse gehen, die deutlich schwerer auszuräumen sind. Es ist Wahlkampf, und jeder der vier Diskussionsteilnehmer will die eigenen energiepolitischen Ambitionen herauskehren.
Baerbock beginnt und muss erklären, warum es beim Ausbau der erneuerbaren Energien so schleppend vorangeht, obwohl die Grünen doch an elf Landesregierungen beteiligt sind. Es liege am Bund, lautet ihr Konter, dort würden die Regeln für den Ausbau gesetzlich festgelegt. Die Grünen-Kandidatin spielt auf die Deckelung der Ausbaumengen an, die 2016 von der damaligen großen Koalition eingeführt wurde. Die Grünen würden das Erneuerbare-Energien-Gesetz entbürokratisieren wollen.
Eine Steilvorlage für Armin Laschet, der sich am Bildschirm kaum mehr gedulden kann, bis er auf Argumente der grünen Konkurrentin reagieren darf. Die Tatsache, dass die Grünen die Verantwortung dem Bund zuschieben, legt er als Beleg dafür aus, dass die Grünen keinen Beitrag zu den bisherigen Klimaschutz-Fortschritten geleistet hätten. „Deswegen haben sie auch mit dem Kohleausstieg nichts zu tun“, sagt Laschet. Den Kohleausstieg will er als sein großes Verdienst darstellen. „So viel CO2 ist noch nie reduziert worden wie durch diese Beschlüsse“, rühmt sich Laschet. SPD-Kanzlerkandidat und Vizekanzler Olaf Scholz gibt sich staatsmännisch und kämpferisch zugleich. Kritische Nachfragen zu steigenden Spritpreisen wischt er weg. Er spannt lieber den großen
Bogen. „Die größte Herausforderung, vor der wir hier in Deutschland stehen, ist dafür zu sorgen, dass wir mehr Strom bekommen“, sagt Scholz. 100 Terawatt Stunden Strom seien bis 2030 notwendig. Dieser Bedarf müsse durch den Ausbau von Wind-, Solarenergie und durch die Wasserstoffwirtschaft gedeckt werden. Dafür sei ein Tempo notwendig, das es bisher nicht gab. Auch Scholz will den Spagat meistern, dass bisherige Versäumnisse nicht nur der amtierenden Bundesregierung angelastet werden, deren Mitglied er schließlich ist.
Deutlich leichter hat es da FDPChef Christian Linder. Er gehört der bisherigen Regierung nicht an – doch rechnet sich gute Chancen aus, dass sich das nach der Bundestagswahl ändern wird. Der FDP-Spitzenmann plädiert dafür, dass die neue Bundesregierung zuerst eine „kritische Bestandsaufnahme“der bisherigen Ausbaupläne machen müsse. An Olaf Scholz gerichtet sagt Linder: „Der Unterschied ist, Sie gehören der Bundesregierung an, ich will erst rein.“Und so geht es in diesem ersten Wahlkampf-Quartett nicht nur Energiepolitik, sondern auch um künftige Regierungsoptionen.