Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein Dorf steht zusammen
Mayschoß im Ahrtal war tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. Einige haben fast alles verloren – doch Freunde und Nachbarn stehen ihnen bei.
Das Wasser steigt schnell. Als er endlich sein Elternhaus erreicht, kann er sich mit seiner Mutter gerade noch in die zweite Etage retten. „Wir konnten nur noch hoffen, dass das Wasser aufhört zu steigen“, sagt er. Und das tat es dann.
Ihm ist so gut wie nichts geblieben. „Wir haben keinen Strom, kein Wasser, kein Garnichts“, sagt Sebastian, „selbst die Unterhose, die ich trage, habe ich mir geliehen.“Ein Anhänger mit einem Güllefass liegt auf dem Garagendach; die Flut hat es dorthin gespült. Vor und neben dem Haus liegen Autos auf dem Dach. Im Haus selbst ist fast alles zerstört. „Nur drei Prozent der Sachen kann ich vielleicht noch gebrauchen“, sagt er. Viele, zum Teil jahrhundertealte Familienerbstücke sind für immer verloren. Der 52-Jährige steht vor einem Schränkchen aus dem Jahr 1818, das schon seinen Urururgroßeltern gehört hat. Das Wasser hat dem Holz schwer zugesetzt – schwer zu sagen, ob es sich restaurieren lässt. „Das tut schon weh“, sagt er: „Das Wasser ist brutal.“
Sebastian schöpft mit einer Schaufel Schlamm aus dem Haus seiner Mutter. Ein Freund und dessen Frau sind gekommen, um ihm dabei zu helfen. Im Haus nebenan sind gerade zehn Helfer dabei, Unrat auf die Straße zu bringen. Überall in Mayschoß das gleiche Bild: Menschen, die anderen Menschen helfen, die in der Stunde der größten Not zusammenstehen. „Die Hilfsbereitschaft ist sehr groß“, lobt Sebastian. Und wo die Einheimischen nicht selbst helfen können, greifen die Soldaten der Bundeswehr ein.
Auch Waltraud Schütze wird geholfen. Sie versucht nun zuallererst, das Haus zu retten, in dem sie und ihr Mann leben. „Auch das Elternhaus meines Mannes wollen wir gerne wieder instandsetzen. Aber ich weiß nicht, ob unsere Kräfte dafür reichen“, sagt sie: „Mein Mann hängt sehr daran. Darum versuche ich auch, so viel wie möglich zu retten, wie die handgeschnitzten Schützen, die das Haus zieren“, sagt sie.
Ihr Nachbar Christoph Sebastian schätzt, dass es mindestens ein halbes Jahr dauern wird, bis das Haus wieder halbwegs bewohnbar sein wird. Passieren darf dann aber nichts mehr. Mit Sorge blickt er auf das bevorstehende Wochenende. Es sind wieder schwere Unwetter im Westen Deutschlands vorausgesagt. „Wenn es gut läuft, spült der Regen den Schlamm hier weg“, sagt er. Was ist, wenn es schlecht läuft, möchte er sich nicht ausmalen.