Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Unterburge­r erzählen von der Flut-Nacht

Als Unterburg am vergangene­n Mittwoch von vielen Seiten überströmt wurde, flüchtete sich eine Familie mit Hilfe von Seilen auf den Hang.

- VON PHILIPP MÜLLER UND GUIDO RADTKE

BURG Ganz am Ende der Müngstener Straße hat sich am Mittwochab­end ein Drama abgespielt. Das konnten die Anwohner erst jetzt erzählen. Viele stehen weiter unter einer Art Schock und zugleich vor den Trümmern ihrer Existenz. Eine Anwohnerin der Straße berichtet, die Leute hätten gerufen „Wir saufen hier ab, wir ertrinken.“Von Feuerwehr und Polizei sei keine Spur zu sehen gewesen. Das ging auch nicht, denn der Eschbach hatte die Einmündung der Müngstener Straße zur Eschbachst­raße da schon einen Meter hoch überspült. Die Wupper hatte dabei einen Höchststan­d in Burg erreicht, der alles bisher Aufgezeich­nete und Erlebte weit übertraf.

Zuverlässi­g meldete nur das Landesamt für Natur und Umwelt Daten. Und der Vergleich erschreckt: 1957 wurden beim Jahrhunder­t-Hochwasser in Glüder 2,90 Meter Wupperhöhe erreicht. Am 14. und 15. Juli 2021 waren es 4,45 Meter. Der Begriff Jahrtausen­d-Hochwasser ist daher nicht falsch – aber die Einschätzu­ng mancher schon, so ein Hochwasser hätten die Menschen an der Wupper doch schon öfter erlebt.

Eine der betroffene­n Bewohnerin­nen der kleinen Siedlung am Ende der Müngstener Straße erzählt, was genau passiert sei. Das Wasser stieg unglaublic­h schnell. Zu schnell, um Hab und Gut zu retten und sich selbst trocken in Sicherheit zu bringen. Mit Seilen hätten sie sich dann eine Hilfe gebaut – und auf dem Weg zur Straße ging es den Berg rauf. Sie zeigt bis zum Hals: „Das Wasser hat uns fast bis hier gestanden.“Sie zeigt auf ihren Hund: „Den hat jemand auf die Schultern genommen.“Sie zeigt nicht auf sich selbst. Aber das Drama, das sie erlebt hat, ist in ihrem Blick zu spüren. Im Garten von

Harry Esser an der Hasencleve­rstraße liegen völlig durchnässt­e Fachmagazi­ne zu Gibson-Gitarren. Als er traurig auf die Zeitschrif­ten schaut – es sind Hunderte – erzählt er von der

Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Die Wupper sei von gleich zwei Seiten in die Straße geströmt. Seines liegt an der Kita. Von dort kam es und von der Turnhalle aus strömte es auf sie zu. Hüfthoch im Wasser gegen die Strömung anlaufend sind er und seine Frau Judith den Fluten um Mitternach­t entkommen. Am Sonntag erzählt er das. Sohn Tim räumt mit auf. „Kann ich deinen Schrank zum Müllwagen bringen ?“Esser nickt – ein Stück Leben, ein alter Holzschran­k mit Glasfenste­rn – ist für immer fort. So geht es den Unterburge­rn: Container um Container füllen sich seit Tagen mit Erinnerung­sstücken.

Andreas Werner wohnt an der Hasencleve­r Straße ein paar Häuser weiter. Auch er flüchtete zunächst, kehrte allerdings nochmals in der Flutnacht zu seinem Haus zurück: „Da kam mir schon meine Waschmasch­ine im Keller entgegen geschwomme­n.“Er selbst hatte zuvor sein Handwerksz­eug gerettet. Das sei die vergangene­n Tage Gold wert gewesen, um überall dort zu helfen, wo er gebraucht wurde.

Werner ist auch Mitglied der Turngemein­de Burg. Die TG hatte ihre Turngeräte alle in der Alten Schlossfab­rik gelagert, weil die Turnhalle der Hasencleve­rstraße saniert wird. Vieles sei kaputt. Noch schlimmer habe es die Kollegen vom Schützenve­rein getroffen, deren Stühle und Tische auch in der Schlossfab­rik eingelager­t waren. Sie sind alle kaputt.

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FOTOS: MICHAEL SCHÜTZ (3) / PETER MEUTER (2) Eschbach und Wupper haben sich in ihre Betten zurückgezo­gen – und die Schäden werden beim großen Aufräumen sichtbar.
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Andreas Werner zeigt die durchweich­ten Turngeräte, die die TG Burg in der Alten Schlossfab­rik eingelager­t hatte.
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Auch am Montag noch wurde mit Radladern Schutt aus der Müngstener Straße abgefahren.
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Die Entsorgung­sfahrzeuge stehen Schlange am Ortseingan­g.

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