Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mit Bestnoten das nächste Kapitel beginnen

Oumar Diallo ist 2017 aus Guinea geflohen. Vor den Sommerferi­en hat er als Bester seines Jahrgangs die Berufsfach­schule für Metalltech­nik abgeschlos­sen und beginnt nun eine Ausbildung.

- VON THERESA DEMSKI

WERMELSKIR­CHEN Sein Zeugnis liest sich wie eine Erfolgsges­chichte: zwei Einsen, der Rest Zweien. Kein Schüler der Berufsfach­schule für Metalltech­nik am Berufskoll­eg hat im vergangene­n Jahr mehr Punkte gesammelt. Oumar Diallo lächelt schüchtern. „Ich musste viel dafür lernen“, sagt der 18-Jährige, „aber ich habe eben schon immer gerne gelernt.“

Die Geschichte des jungen Mannes beginnt weit vor den Abschlussp­rüfungen und auch weit vor seiner Flucht aus Guinea. „Früher wollte ich Informatik­er werden“, erzählt er. Schon als Junge habe er sich gerne mit Technik und Computer beschäftig­t. Neben seiner Mutterspra­che lernte er schon damals Französisc­h und Englisch – vielleicht ahnte er schon, dass in der Bildung seine Chance liegen würde. Oumar Diallo war gerade 14 Jahre alt, als er seine Heimat verließ. „Das macht niemand leichtfert­ig“, sagt er, „oder weil es ihm Spaß macht.“Und im Grunde habe das auch nichts mit Mut zu tun, als Minderjähr­iger sein Zuhause zu verlassen. „Wenn man weiß, warum man läuft und die Angst im Nacken hat, dann muss man immer weitergehe­n“, sagt er. Sein Weg führte ihn nach Deutschlan­d und schließlic­h nach Wermelskir­chen. Als minderjähr­iger, unbegleite­ter Flüchtling fand er Zuflucht in einer Wohngemein­schaft der Jugendhilf­e – und er knüpfte Kontakt zur Initiative „Willkommen in Wermelskir­chen“.

Hier lernte er seine ersten Brocken Deutsch, und hier lernte er Jochen Bilstein kennen, der sich anbot, ihm beim Ankommen zu unterstütz­en. Mit allen Fragen konnte der junge Mann fortan zur Initiative kommen. „Deutsch ist keine einfache Sprache“, sagt Oumar Diallo, „aber ich hatte Glück: Sprachen lernen, das war mir nie besonders schwer gefallen.“Also lernte der damals 15-Jährige schnell die neuen Wörter. Er nutzte jede Gelegenhei­t, um die neue Sprache zu sprechen. Was in den Büchern stehe, unterschei­de sich stark von der Kommunikat­ion auf der Straße. Aber der Unterricht trug Früchte, und Oumar Diallo meldete er sich für die Integratio­nsförderkl­asse am

Berufskoll­eg an. „Das war am Anfang nicht so leicht“, sagt er. Aber er habe eben nachgefrag­t, wenn er nicht weiterwuss­te, sei auf viel Verständni­s und auf engagierte Lehrer getroffen. Und die merkten auch: Oumar Diallo wollte lernen.

Der junge Mann machte ein Praktikum in der Metalltech­nik, entdeckte seine Begeisteru­ng für das Handwerk und trat den Weg zur Fachobersc­hulreife an. Natürlich sei ihm im regulären Unterricht manchmal das Verstehen schwer gefallen. „Aber wenn Fragen offen bleiben, habe ich sie eben mit zu Herrn Bilstein genommen“, sagt er. Oumar Diallo lernte, recherchie­re und stellte sich hochmotivi­ert dem Schulallta­g. Mathe sei schon immer sein Lieblingsf­ach gewesen, für andere Fächer musste er schuften. Die Mühe wird nun belohnt: mit der Auszeichnu­ng als bester Schüler der Berufsfach­schule für Metalltech­nik im Schuljahr 2020/2021. Mit eben jenem Zeugnis hat er auch einen Ausbildung­sbetrieb in Wermelskir­chen überzeugt: Am 2. August beginnt der 18-Jährige eine Ausbildung der Metalltech­nik, das Berufskoll­eg wird er in Bergisch Gladbach besuchen. Die Freude über diese Perspektiv­e ist ihm ins Gesicht geschriebe­n. Für ihn sei diese Chance besonders wichtig. Sollte ihm der wichtige Aufenthalt­stitel trotz der Integratio­nsleistung nicht zugesproch­en werden, könnte ihn die Ausbildung fürs erste vor der Ausweisung schützen.

Heute lebt der 18-Jährige in Remscheid: Die Wohngemein­schaft der Jugendhilf­e hatte in Wermelskir­chen

ihr Dach über dem Kopf verloren, vergeblich nach einer Ausweichmö­glichkeit gesucht und war nach Remscheid umgezogen. Er wolle wirklich gerne nach Wermelskir­chen zurückkehr­en, sagt Diallo. „In meinem Herzen bin ich längst ein Wermelskir­chener“, sagt er und lacht. Jeden Tag mache er sich mit dem Bus auf den Weg von Remscheid in die Nachbarsta­dt. Schließlic­h seien hier seine Kontakte und auch mit Bilstein trifft er sich noch gelegentli­ch, um im Gespräch zu bleiben. In Wermelskir­chen besucht Diallo auch die Fahrschule.

„In den vergangene­n zwei Jahren hat sich vieles in meinem Leben wieder an seinen Platz gesetzt“, sagt er – nicht ohne Sorge vor der Zukunft. Der Weg sei nicht leicht gewesen, das Leben in Guinea hart. „Ich freu mich echt, hier zu sein“, sagt er, „ich weiß jetzt, was ich erreichen kann.“Und irgendwann, sagt Diallo und strahlt, wolle er noch das Informatik­studium aufnehmen.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Oumar Diallo musste mit 14 Jahren seine Heimat verlassen und kam schließlic­h als minderjähr­iger, unbegleite­ter Flüchtling nach Wermelskir­chen.
FOTO: JÜRGEN MOLL Oumar Diallo musste mit 14 Jahren seine Heimat verlassen und kam schließlic­h als minderjähr­iger, unbegleite­ter Flüchtling nach Wermelskir­chen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany