Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Lehrer vor neuem Schuljahr besorgt
Der NRW-Lehrerverband sieht die Schulen vor dem Unterrichtsbeginn nicht ausreichend vorbereitet. Es mangele an Luftfiltern und Digitalgeräten. Erneuter Distanzunterricht könne einen uneinholbaren Schaden für Schüler anrichten.
DÜSSELDORF Lehrervertreter und Opposition haben kurz vor Beginn des neuen Schuljahres der Landesregierung vorgeworfen, nicht ausreichend vorbereitet für den Unterrichtsbeginn zu sein. Der Präsident des nordrhein-westfälischen Lehrerverbands, Andreas Bartsch, sagte unserer Redaktion: „Wir müssen jetzt alle Voraussetzungen schaffen, dass wir nicht wieder zurück in den Wechsel- und Distanzunterricht gehen. Denn das wäre ein Schaden, den wir am Ende nicht mehr aufholen können.“
Deshalb ärgere er sich maßlos über die Vorgänge rund um die Lüftungsfilter. Bayern und Baden-Württemberg gingen da jetzt voran, und es bliebe zu hoffen, dass andere Länder wie NRW ebenfalls ein Einsehen haben. „Mobile Geräte sind völlig ausreichend und effektiv. Die Politik sollte sich jetzt nicht hinstellen und die Anschaffung als eine kurzfristige Investition abtun. Das ist eine zukunftsgerichtete Maßnahme, denn wir werden auch weiterhin mit Pandemien leben müssen“, sagte Bartsch. „Und wenn es eine Kostenfrage sein sollte, dann möchte ich mal daran erinnern, dass die jungen Leute viel Solidarität geleistet haben und jetzt auch zurecht von der älteren Generation Solidarität erwarten können.“
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Sigrid Beer, sorgt sich zudem über den immer noch schleppenden Abruf der Mittel für die digitale Ausstattung der Schulen. Beer verwies dabei auf die Antwort einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung. „Auch unabhängig von der ungewissen Corona-Lage im Herbst muss dem Land daran gelegen sein, dass die Mittel aus dem Digitalpakt endlich zu 100 Prozent in den Schulen ankommen“, sagte sie. Das Antragsverfahren sei offensichtlich immer noch zu bürokratisch. Zudem fehlten festgelegte Standards für die digitale Ausstattung und Vorgaben, was die Schulen an digitalgestütztem Unterricht leisten sollen, wann welche Ziele in der didaktischen Umsetzung erreicht sein sollen. Ebenso wenig würden die Kollegien systematisch fortgebildet. Noch ernüchternder sei bisher der Mittelabruf in Bezug auf die IT-Administration.
Auch Lehrerpräsident Bartsch kritisierte das Beantragungsverfahren als zu komplex. Man müsse auch für das Worst-Case-Szenario gewappnet sein, sagte er. „Der Ministerpräsident muss sich da beim Bund für eine Entschlackung einsetzen. Und wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass die ersten Geräte drei Jahre alt sind und entsprechend schon wieder ersetzt werden müssen.“
Das NRW-Schulministerium erklärte auf Anfrage, die Regierung habe bei der Digitalisierung der Schulen eine Aufholjagd versprochen. „Dieses Versprechen wird mit größter Geschwindigkeit eingelöst. Von der Digitalisierung werden die Schulen auch weit über die Pandemie hinaus profitieren.“Die Kommunen machten von den digitalen Ausstattungsprogrammen immer stärker Gebrauch. NRW unterstützt die Schulträger mit umfangreichen Angeboten bei der Beantragung.
Bartsch sagte dagegen, man habe jetzt unnötig viel zu viel Zeit durch die Beharrungskräfte bei den Luftfiltern und das schleppende Verfahren bei der Digitalisierung erlebt.
Eine Quarantäne nur auf einzelne, nachweislich Infizierte zu beschränken, so wie es NRW-Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) gefordert hatte, lehnte Bartsch ab. Das halte er angesichts der immer hohen Fehlerrate bei den Tests für hochgefährlich. „Wir sollten keine unnötigen Risiken eingehen.“
Die Landesregierung sieht sich unterm Strich im Übrigen gut für das neue Schuljahr gerüstet. Die Landesregierung arbeite daran, dass das neue Schuljahr mit größtmöglicher Normalität in Präsenz beginnen könne. „Die Landesregierung wird das Infektionsgeschehen vor allem mit Blick auf Reiserückkehrerinnen und Reiserückkehrer sowie die Delta-Variante des Coronavirus weiter aufmerksam beobachten“, hieß es aus dem Ministerium. Auch sei bereits entschieden worden, das neue Schuljahr mit „Tagen der Vorsicht“zu beginnen und die Maskenpflicht im Schulgebäude sowie im Unterricht vorerst beizubehalten. Die Schulen hätten Ende Juni eine Information zum neuen Schuljahr bekommen. „Rechtzeitig vor dem Start ins Schuljahr 2021/22 werden die Schulen überdies weitere konkrete Informationen zum erhalten.“