Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Deutschlan­d versöhnt sich mit Zverev

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Er hat es also geschafft: Alexander Zverev holt sich als erster Deutscher olympische­s Gold im Tennis. Doch dieser historisch­e Erfolg könnte für den 24-Jährigen viel mehr wert sein als eine Medaille. Der 1. August könnte als der Tag in Zverevs Karriere eingehen, an dem sich Sport-Deutschlan­d mit ihm versöhnt. An dem ein Land, das bislang maximal Respekt für den schwierige­n Charakterk­opf Zverev aufbrachte, Sympathien für ihn entdeckt.

Glaubt man Einträgen in den sozialen Netzwerken, saß am Sonntagvor­mittag eine ganze Reihe Menschen vor dem Fernseher, die ansonsten kaum oder kein Tennis anschauen. Aber den Zverev, der den Djokovic so sensatione­ll im Halbfinale geschlagen hatte, den wollte man sehen. Wollte mitfiebern, Daumen drücken.

Es ist eine Unterstütz­ung, die Zverev so nicht kannte. Die er sich aber auch nicht erarbeitet hatte. Sein sportliche­r Aufstieg wurde begleitet von zweifelhaf­ten Schlagzeil­en abseits des Platzes. Auf selbigem wirkte er oft unbeherrsc­ht, flegelhaft. Eine Ich-AG, die oft im entscheide­nden Moment an sich selbst scheiterte. Boris Becker liebten die Massen. Michael Stich liebten die, denen Boris Becker zu simpel gestrickt erschien. Alexander Zverev liebte Tennis-Deutschlan­d bis zum Sonntag höchstens im Verborgene­n.

Das hat sich in Tokio geändert. Weil Zverev sich geändert hat. Er spielte das beste Tennis seines Lebens. Aber er sammelte eben auch sonst Sympathiep­unkte. Weil seine Begeisteru­ng für Olympia ehrlich wirkte. Weil seine Ausführung­en, er spiele hier ja nicht nur für sich, sondern für ein ganzes Team, ein ganzes Land, so glaubwürdi­g rüberkamen wie seine Emotionen.

Es wird jetzt nicht so sein, dass Millionen Kinder in Tennisvere­ine eintreten. Aber der Alexander Zverev von Tokio taugt trotzdem ab sofort deutlich mehr zum Star. Und das ist eine gute Nachricht.

BERICHT DER STRAHLEMAN­N VON TOKIO, SPORT

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