Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Deutschland versöhnt sich mit Zverev
Er hat es also geschafft: Alexander Zverev holt sich als erster Deutscher olympisches Gold im Tennis. Doch dieser historische Erfolg könnte für den 24-Jährigen viel mehr wert sein als eine Medaille. Der 1. August könnte als der Tag in Zverevs Karriere eingehen, an dem sich Sport-Deutschland mit ihm versöhnt. An dem ein Land, das bislang maximal Respekt für den schwierigen Charakterkopf Zverev aufbrachte, Sympathien für ihn entdeckt.
Glaubt man Einträgen in den sozialen Netzwerken, saß am Sonntagvormittag eine ganze Reihe Menschen vor dem Fernseher, die ansonsten kaum oder kein Tennis anschauen. Aber den Zverev, der den Djokovic so sensationell im Halbfinale geschlagen hatte, den wollte man sehen. Wollte mitfiebern, Daumen drücken.
Es ist eine Unterstützung, die Zverev so nicht kannte. Die er sich aber auch nicht erarbeitet hatte. Sein sportlicher Aufstieg wurde begleitet von zweifelhaften Schlagzeilen abseits des Platzes. Auf selbigem wirkte er oft unbeherrscht, flegelhaft. Eine Ich-AG, die oft im entscheidenden Moment an sich selbst scheiterte. Boris Becker liebten die Massen. Michael Stich liebten die, denen Boris Becker zu simpel gestrickt erschien. Alexander Zverev liebte Tennis-Deutschland bis zum Sonntag höchstens im Verborgenen.
Das hat sich in Tokio geändert. Weil Zverev sich geändert hat. Er spielte das beste Tennis seines Lebens. Aber er sammelte eben auch sonst Sympathiepunkte. Weil seine Begeisterung für Olympia ehrlich wirkte. Weil seine Ausführungen, er spiele hier ja nicht nur für sich, sondern für ein ganzes Team, ein ganzes Land, so glaubwürdig rüberkamen wie seine Emotionen.
Es wird jetzt nicht so sein, dass Millionen Kinder in Tennisvereine eintreten. Aber der Alexander Zverev von Tokio taugt trotzdem ab sofort deutlich mehr zum Star. Und das ist eine gute Nachricht.
BERICHT DER STRAHLEMANN VON TOKIO, SPORT