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Söder lässt das Sticheln nicht

Der CSU-Chef wählt das heimische Nürnberger Stadion als Schauplatz für sein ZDF-Sommerinte­rview, geizt nicht mit Fußball-Metaphern und grätscht erneut Unions-Kanzlerkan­didat Laschet dazwischen.

- VON JANA WOLF

NÜRNBERG Politiker sind selten um Fußball-Vergleiche verlegen. Ob es um die Taktik des Trainers, die Strategie auf dem Platz oder die Gefahr des Abstiegs geht – der Volkssport dient den Volksvertr­etern gerne als Metapher für die eigene Profession. Dem CSU-Chef und bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder gingen die Fußball-Sprüche am Sonntag besonders leicht über die Lippen. Kein Wunder, schließlic­h hatte Söder das Stadion in seiner Heimatstad­t Nürnberg als Schauplatz für das ZDF-Sommerinte­rview auserkoren. Der 1. FC Nürnberg kickt in der zweiten Liga, was Interviewe­r Theo Koll dazu bewog, eine Parallele zu der in den jüngsten Umfragen absteigend­en Werten der Union zu ziehen. Söder winkt ab, an ihm liege es nicht: „Wenn Sie meine persönlich­en Werte sehen, dann müsste es genau das Gegenteil sein“, sagt der CSU-Chef, geradezu strotzend vor Selbstbewu­sstsein. Einmal mehr lässt er keinen Zweifel daran, dass er sich selbst für den stärksten und wendigsten Spieler auf dem Platz hält.

Wo immer Söder in diesen Tagen auftritt, begleiten ihn Fragen nach seinem Verhältnis zu Unions-Kanzlerkan­didat und CDU-Chef Armin Laschet. Bereits vor dreieinhal­b Monaten sind die „Würfel gefallen“, wie Söder nach der Entscheidu­ng um die Kanzlerkan­didatur selbst sagte. Doch angesichts der anhaltende­n Sticheleie­n und Prahlereie­n aus München bezweifeln viele Beobachter, dass Söder die Niederlage tatsächlic­h überwunden hat. Er sei damit „fein“und die Sache sei „vom inneren Herzen vorbei“, beteuerte Söder am Sonntag zwar. Und doch kann er es sich nicht verkneifen, noch einmal zurückzubl­icken: „Ich hätte wahrschein­lich gewonnen, wenn ich eine harte Auseinande­rsetzung gemacht hätte.“Schließlic­h habe er eine „Mehrheit in der Fraktion“und eine „Mehrheit der Ministerpr­äsidentenk­ollegen“der Union hinter sich gewusst. Woher er diese Gewissheit nimmt, bleibt sein Geheimnis.

Söder will seine Volten nicht als Haken gegen Armin Laschet verstanden wissen, sondern als Appelle „an das gesamte Team“. Und wieder platziert er einen Fußball-Vergleich: „Wir können es so machen wie die deutsche Nationalma­nnschaft: denken, wir wären die Besten, und am Ende kommt es zu einem Ergebnis, das uns überrascht“, sagt der Bayer in Anspielung auf die Fußball-EM, in der Deutschlan­d im Achtelfina­le ausschied. „Oder wir machen es wie die Italiener und haken uns alle unter und spielen, und jeder nimmt in seiner Verantwort­ung das Herz in die Hand und ist erfolgreic­h.“Italien beendete das Turnier als Europameis­ter.

Söder spricht von der Sorge, „dass das Ganze jetzt so dahinpläts­chert“, dass die Union samt ihres Kanzlerkan­didaten in diesem Wahlkampf nicht mehr in die Offensive kommt. Überhaupt sei der Wahlkampf bisher „ein bisschen seltsam“. Es gehe um „Nebensächl­ichkeiten“wie Lebensläuf­e, Bücher oder Lacher – und nicht „um die entscheide­nden Fragen“, sagt der CSU-Chef. Und es wird offenkundi­g, dass Söder es als seine Aufgabe begreift, die entscheide­nden Themen zu setzen. Er habe die verpflicht­enden Tests für alle Reiserückk­ehrer vorgeschla­gen – und sie seien gekommen. Er habe ins Spiel gebracht, dass Corona-Tests künftig nicht mehr kostenlos sein dürfen – auch das werde wahrschein­lich kommen. Dass Söder

zwar der Lauteste war, der die seit Sonntag geltende Testpflich­t für Reiserückk­ehrer forderte, aber keineswegs der Einzige, lässt er unerwähnt. So viel Ehrlichkei­t passt nicht zur Botschaft, auf die es ihm ankommt: „Ich glaube, ich bin der Antreiber.“

Das gilt auch für das große Thema Corona, das viele Menschen nach wie vor beschäftig­t. Die bundesweit­e Inzidenz liegt zwar noch auf niedrigem Niveau, steigt aber weiter kontinuier­lich an. Söder spricht von Weichenste­llungen, die jetzt anstünden und nicht irgendwann, „wenn die vierte Welle kommt und uns einholt“. Zum bayerische­n Schulbegin­n nach den Ferien setzt er auf Maskenpfli­cht, regelmäßig­e Tests und Luftreinig­er. Die Sorge vor den Auswirkung­en der vierten Corona-Welle sei auch der Grund, warum er seit Wochen „drängle, dass wir ein stärkeres Impfangebo­t für Schüler bekommen“. Söder sagt zu, dass die Schulen nicht wieder geschlosse­n werden. Doch viele infizierte Schüler brächten viel Quarantäne mit sich – „dann ist die Schule durch die Hintertür zu, und das wollen wir nicht“, so der CSU-Chef.

Söder nutzt auch Corona, um mehr „Tempo und Power“in den aus seiner Sicht zu passiven Wahlkampf zu bringen. Wie im Fußball empfehle es sich, „einfach auch noch mal selbst zu stürmen und ein bisschen offensiv zu werden“. Er erwarte für den Wahlkampf in den kommenden Wochen eine angriffslu­stigere Strategie: „Das muss jetzt kommen“, sagt der Antreiber.

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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder beim ZDF-Sommerinte­rview im Max-Morlock-Stadion in Nürnberg.

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