Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Auf jüdischen Spuren durch Köln
Kölsches und jüdisches Leben war vor 1933 eng miteinander verzahnt. Auch wenn vieles der Zerstörung anheim fiel, gibt es noch viele Erinnerungen an diese Zeit zu entdecken.
Es gibt nichts mehr zu sehen. Das Gebäude, um das es geht, steht schon lange nicht mehr. Den Bomben zum Opfer gefallen. Eine Tafel zur Erinnerung? Fehlanzeige. Dennoch soll diese Geschichte hier beginnen, an der Glockengasse 2. Denn was sich an diesem Ort ereignete, zeigt besonders eindrücklich: Die Juden, die vor der Vertreibung und Ermordung durch das Nazi-Regime in Köln lebten, waren Kölsche. Aus ganzem Herzen. Sie prägten das Leben in der Domstadt mit und wurden von ihm geprägt. Und nur wenige können ihre Geschichte besser erzählen als Aaron Knappstein, der Präsident des jüdischen Karnevalvereins „Kölsche Kippa Köpp“.
Knappstein wurde in Porz vor 50 Jahren geboren. Zwar führte sein Lebensweg ihn hin und wieder mal ein bisschen weg von Köln, aber immer wieder zurück. Sein Vater war gebürtiger Rheinländer, seine Mutter eine Wienerin. Seine jüdische Identität spielte lange keine große Rolle für ihn. „Erst mit dem ersten Golfkrieg, als verstärkt wieder Antisemitismus hochkam, beschäftigte ich mich mehr damit,“sagt er.
„Das Café Silberbach in der Glockengasse 2 war eine der letzten Möglichkeiten für Juden, auszugehen“, sagt Knappstein. Das jüdische Café durften sie noch betreten. Hier waren sie unter sich. „Der optimale Rückzugsraum, um Schleuser zu treffen, um die Flucht aus Nazi-Deutschland zu planen, für Absprachen“, erzählt Knappstein. Das wusste auch die Gestapo. Sie setzte Spitzel ein. Erfolglos. „Denn öffnete sich die Tür des Cafés und trat jemand ein, der nicht bekannt war, der verdächtig wirkte, stimmte der Betreiber ein Karnevalslied an“, so der Kippa-Köpp-Präsident. Kölsche Tön – das war das Signal an die Tische zum Themenwechsel.
Es sind weniger die Steine, mehr die Menschen, die Knappstein auch auf den von ihm geleiteten Führungen durch das jüdische Leben in Köln interessieren. So wie der erste Chefarzt des jüdischen Krankenhauses an der Ottostraße 85 in Ehrenfeld, Benjamin Aucherbach. Heute steht dort das jüdische Wohlfahrtsheim. „Rund 50 Jahre war Aucherbach dort Chefarzt, eine unvorstellbar lange Zeit“, sagt Knappstein. Hatte er deshalb einen Dünkel? Wohl eher nicht. „Ob Pförtner oder Oberbürgermeister Konrad Adenauer, er sprach alle mit ,leeve Jung’ an.“80 Prozent der Ärzte und Schwestern seien Juden gewesen, 80 Prozent der Patienten Christen. Für Knappstein zeigen auch diese Zahlen, wie verankert jüdisches Leben in Köln war.
Klara Caro war auch so ein Mensch, von dem Knappstein sagt: „Eine wahnsinnig interessante Persönlichkeit.“An der Seite ihres Mannes, des Rabbiners Isidor Caro, etwas abseits des Rampenlichts. „Charity“war ihre Aufgabe, die sie ein wenig anders ausfüllte, als andere Damen aus der Gesellschaft. „Sie besuchte im Gefängnis inhaftierte Frauen, sie gab an der Volkshochschule
Kurse über Antisemitismus und machte sich auch für das Frauenwahlrecht stark“, berichtet Knappstein. Mit ihrem Mann wurde sie 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Ihr Stolperstein ist am Ehrenfeldgürtel 171 zu finden. „Was viele nicht wissen: Sie wurde freigekauft. Ihr Weg führte sie in die USA“, so Knappstein.
Eine kleine Stärkung, bevor es zur letzten Station der kleinen Tour mit Aaron Knappstein geht. Das Kiosk Beethoven an der Beethovenstraße 33, unweit der Synagoge an der Roonstraße. „Dieses Kiosk hat eine kleine, gut sortierte Abteilung mit koscherem Essen“, berichtet er. Zum Beispiels gefilte Fisch, ansonsten nur schwer zu bekommen in Köln. So gestärkt kann es raus gehen. Raus nach Bocklemünd, auf den jüdischen Friedhof. Die Tour mit Aaron Knappstein begann mit kölschen Tön – und er wäre nicht der Präsident der Kölsche Kippa Köpp, würde sie nicht auch damit enden. Am Grab der Familie Tobar.
Hans David Tobar war einst eine nicht wegzudenkende Größe im Kölner Karneval. „So bekannt wie
Willi Ostermann. Und er war mit ihm auch gut befreundet. Tabor füllte die Säle.“1939 flüchtete er in die Vereinigten Staaten. Doch das jecke Virus ließ ihn nicht los: „Noch in den USA gab er rheinische Abende“, so Knappstein.