Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Frankfurter Gipfel
Die Museumslandschaft der Metropole am Main bietet in diesem Sommer eine Reihe großartiger Projekte. Und die nahe Altstadt hat ihre originale Pracht zurück.
FRANKFURT Frankfurt lockt in diesem Kultursommer mit spannenden Ausstellungen. Aber auch das beeindruckende Megaprojekt der neuen Altstadt, das kurz vor der Corona-Pandemie fertig wurde, lohnt einen Besuch: 35 Häuser, teils originalgetreue Rekonstruktionen jahrhundertealter Gebäude, in den verwinkelten Gassen zwischen Dom und Römer. Viele Museen sind gleich nebenan.
Max Beckmann und Frankfurt – das ist eine eigene Geschichte. Das Städel-Museum am Mainufer greift sie mit einer kleinen, aber herausragenden Schau auf. Der Künstler, einer der bedeutendsten Vertreter der Klassischen Moderne, lebte von 1915 bis 1933 in Frankfurt und schuf hier viele Schlüsselwerke.
Eines davon, das „Selbstbildnis mit Sektglas“, kaufte das Museum 2020 für eine zweistellige Millionensumme. Jetzt steht es im Zentrum der Ausstellung „Städels Beckmann/Beckmanns Städel“. Es vermittelt das Lebensgefühl eines Genießers, dem nach den Traumata des Ersten Weltkriegs der Sinn abhandengekommen ist. Drumherum sind andere Werke gruppiert, darunter die „Synagoge“, gekennzeichnet von Figürlichkeit, schiefen Räumen und kubistischen Elementen. Bei Beckmann gerät – auch angesichts des aufkommenden Nationalsozialismus – eine Welt ins Wanken.
Eine der beeindruckendsten Ausstellungen zeigt mit „Magnetic North“die Kunsthalle Schirn: Hier wird erstmals in Deutschland umfassend die bei uns wenig bekannte Kunst Kanadas präsentiert. Tiefe Wälder und majestätische Landschaften, Rocky Mountains, Arktis und Nordlichter sind die Motive der Künstlergruppe Group of Seven, die sich 1920 gründete und die kanadische Malerei prägte.
Ergänzt um Werke, die das Leben der Ureinwohner beleuchten, und in der Natur gemalte Ölbilder von Tom Thomson vermittelt die „Schirn“ein Bild vom romantischem Mythos und der Spiritualität des Landes, nimmt aber auch die Realität des 20. Jahrhunderts in den Blick: Umsiedlung der indigenen Bevölkerung, Holzwirtschaft und Ausbeutung von Bodenschätzen. Zu sehen sind – in Kooperation mit der National Gallery of Canada – rund 80 Gemälde und 40 Skizzen, Fotos und Videos. Auch das ikonische Bild „Westwind“von Thomson, das viele Kanadier als malerische Entsprechung zu ihrer Hymne begreifen.
Das Struwwelpeter-Museum mitten in der neuen Altstadt ist ein Museum für Groß und Klein. Die nach dem Umzug ins Haus „Hinter dem Lämmchen“neu gestaltete Dauerausstellung mit illustren Ausgaben und interaktiven Elementen harrt jetzt der Entdeckung: Die Entstehungsund Wirkungsgeschichte des berühmten Kinderbuchs „Struwwelpeter“ist hier ebenso nachzuverfolgen wie das Leben seines Autors, des Frankfurter Arztes und Psychiatriereformers Heinrich Hoffmann (1809–1894). Unzählige Exponate aus aller Herren Länder belegen den enormen Einfluss, den Hoffmann mit seinem Buch weltweit hatte. Eine Sonderausstellung ist aktuell dem Karikaturisten und Eintracht-Fan Michael Apitz gewidmet.
Ganz andere Eindrücke im Deutschen Filmmuseum: Es sind Untergangsszenarien. New York in einer Eiswüste, ein Kometeneinschlag, der einen Tsunami auslöst, ein Luxusdampfer, der rumpfaufwärts treibt: In „The Day After Tomorrow“, „Deep Impact“, „Titanic“und vielen anderen Blockbustern sind immer wieder solche Momente verfilmt worden. Der Katastrophe im Film widmet sich seit Kurzem das Deutsche Filmmuseum. Das Klima steht dabei besonders im Fokus.
Besucher werden in der Schau durch alle Stadien des Katastrophenfilms geführt – von den ersten Warnsignalen, über den Ausbruch und Rettungsbemühungen bis zum Neuanfang. Gezeigt werden Filmausschnitte, Storyboards, Set-Designs und Plakate. Die Ausstellung in Kooperation mit dem Senckenberg Naturmuseum fragt zugleich nach dem realen Hintergrund der Klimakatastrophe.
Die neue Schau im Bibelmuseum heißt „G*tt. m/w/d“. Der eigenwillige Titel signalisiert: Gott gehört gegendert. Die derzeit grassierende Vorstellung, dass es nicht nur zwei, sondern viele Geschlechter gebe, hat auch Theologie und Kirche erfasst. Das Bibelmuseum, das um seine Existenz kämpft und dringend überholt werden müsste, widmet der „Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“eine Sonderausstellung. Beginnend bei den Göttern der Neusteinzeit über die biblische Schöpfungsgeschichte („männlich und weiblich schuf er sie“) bis zur Endzeitvorstellung eines Menschen, der kein Geschlecht mehr hat. Wem diese Heransgehensweise, inklusive einer Conchita-Wurst-Skulptur als Mondgöttin, zu bunt ist: Auch die historischen Lebenswelten des Alten und des Neuen Testaments lassen sich erkunden.