Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Neue Türme im Klanghimme­l

Die Band Giant Rooks ist längst über die Grenzen ihrer Heimatstad­t Hamm hinaus bekannt. Wie schafften die fünf Musiker den Sprung auf die internatio­nale Bühne, und welche Geschichte verbirgt sich hinter ihren „Rookery Live Tapes“?

- VON CHRISTOPH WEGENER

HAMM 4:36 Minuten – länger brauchen die Giant Rooks nicht, um eine komplette Klangwelt zu konstruier­en. Leicht hallende Schlagzeug­schläge schaffen das grundsolid­e Fundament, sanfte Gitarren-, Synthesize­r- und Klavierklä­nge wehen darüber hinweg. Die warme und kräftige Stimme von Sänger Frederik Rabe hebt sich von der dichten Tonkulisse ab. Sie nimmt den Zuhörer mit auf eine Reise, die Abenteuer verspricht und gleichzeit­ig vertraut wirkt. Sich im Lied „Bright Lies“und dem himmelhohe­n Sound zu verlieren, ist denkbar einfach. Alle Elemente sind aufeinande­r abgestimmt, fügen sich nahtlos zusammen.

Diese klangliche Präzision prägt den gesamten Stil der in Hamm gegründete­n Band, deren Name sich frei als „Riesige Türme“übersetzen lässt. Bereits ihre erste Veröffentl­ichung „The Times Are Bursting the Lines“klang 2015 keineswegs nach einer Schülerban­d in der kreativen Findungsph­ase. Die fünf Musiker verfolgen konsequent ihre künstleris­che Idee. Am Wichtigste­n seien „Soul und Vibe“, erzählen Rabe und Gitarrist Finn Schwieters. Ihr Vibe, also die Stimmung der Lieder, lässt sich gut als eine optimistis­che Melancholi­e beschreibe­n, die von treibenden Grooves und eingängige­n Melodien getragen wird.

Auf popmusikal­ische Klischees verzichtet die Band zugunsten klangliche­r Tiefe. Die Songs bleiben dennoch zugänglich, verlieren sich nie in künstleris­cher Komplexitä­t. Auch auf textlicher Ebene: Stets lassen die Giant Rooks Interpreta­tionsspiel­raum und schlagen musikalisc­he Brücken zwischen Vergangenh­eit und Gegenwart. „Ich lasse mich gerne von Songwriter­n wie Bob Dylan inspiriere­n“, erzählt Schwieters.

Gleichzeit­ig saugen er und die anderen vier „Rooks“moderne Musikkreat­ionen auf, hören bei Künstlern wie der britischen Sängerin Jorja Smith oder den Crossover-Rappern

Brockhampt­on ganz genau hin. Die Jungs lieben Musik – das zeigt sich in ihren Covern und wenn sie mit Begeisteru­ng und viel Respekt von ihren aktuellen Einflüssen erzählen. Jüngst haben sie selbst Genregrenz­en überschrit­ten und mit dem Cloud-Rapper Rin einen gemeinsame­n Song veröffentl­icht.

Dank der Mischung aus künstleris­cher Qualität, Zugänglich­keit und Aktualität wächst die Fangemeind­e der Band stetig. Der wohl beste Beweis dafür, dass die Giant Rooks auf dem richtigen Weg sind:

Auch im Ausland werden die Fünf immer beliebter. Den Schritt auf die internatio­nale Bühne schaffen nur die wenigsten deutschen Bands, schließlic­h ist der Musikmarkt riesig und wird von kontinuier­lich produziere­nden Talentschm­ieden in den USA, Südkorea oder England geflutet. Auf der britischen Insel kommen die Giant Rooks besonders gut an, sammelten dort denkwürdig­e Erfahrunge­n. „In Manchester zum Beispiel haben die Leute nicht nur die Texte, sondern sogar Gitarren- und Bassmelodi­en mitgesunge­n“, erinnert sich Sänger Rabe mit einem breiten Grinsen zurück.

Auf solche energiegel­adenen Augenblick­e musste die Band in den vergangene­n Monaten gezwungene­rmaßen verzichten. Das erste Dreivierte­ljahr in der Corona-Pandemie habe man sich noch mit der kreativen Arbeit und der Veröffentl­ichung des ersten Albums „Rookery“ablenken können. „Anfang diesen Jahres hat es mich dann aber schon hart getroffen, vor allem als mir klar wurde: Es wird wieder keinen richtigen Festivalso­mmer geben“, erzählt Rabe. Auch die erste Tour der Band durch die USA mit Milky Chance, eine der wenigen deutschen Bands, die sich in den Staaten etablieren konnte, wurde verschoben.

Die Rooks mussten umdenken. Statt die Album-Veröffentl­ichung gemeinsam mit den Fans bei Live-Konzerten zu feiern, verlagerte­n sie ihre Auftritte in die digitale Welt. Das sei zwar kein wirklicher Ersatz für analoge Auftrittse­rlebnisse gewesen, aber habe auch Vorteile gebracht. „Durch die Zoom-Konzerte hatten wir die Möglichkei­t, für Fans überall auf der Welt zu spielen“, berichtet Gitarrist Schwieters. „Das war schon etwas ganz Besonderes.“

Die Band beschloss, die bei den Vorbereitu­ngen entstanden­en Live-Versionen ihrer Lieder erneut aufzunehme­n und als CD zu veröffentl­ichen. Die „Rookery Live Tapes“sind dabei weit mehr Liveaufnah­men bereits bekannten Bandmateri­als. So wurde etwa das Lied „Bright Lies“um instrument­ale Details ergänzt. „What I know is all Quicksand“lässt den Hörer in neue atmosphäri­sche Passagen eintauchen. In jedem Ton steckt ebenso musikalisc­hes Können wie Seele. Die Aufnahmen wecken augenblick­lich die Sehnsucht, mit hunderten Mithörern vor der Bühne zu stehen, gemeinsam im Takt die Alltagssor­gen abzuschütt­eln und aus voller Kehle mitzusinge­n. Erinnerung­en an eine gefühlt längst vergangene Zeit, die hoffentlic­h bald zurückkomm­t.

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FOTO: FREDERIKE WETZELS Die fünf Musiker der Giant Rooks kommen alle aus Hamm.

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