Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

473 Kinder in Quarantäne

Corona trifft jetzt vor allem die ganz Jungen. Gesundheit­samt rät zu Impfungen.

- VON AXEL RICHTER

REMSCHEID „Das Corona-Infektions­geschehen hat dramatisch an Geschwindi­gkeit zugelegt“, berichtete Dr. Frank Neveling, Leiter des Remscheide­r Gesundheit­samtes, bereits in der vergangene­n Woche. Mit Wiederöffn­ung der Schulen stiegen die Neuinfekti­onen auf 20 bis 40 Fälle täglich. Aktuell befinden sich 473 Kinder unter zehn Jahren in Quarantäne – obwohl nach einer Entscheidu­ng des NRW-Gesundheit­sministeri­ums nicht mehr ganz Klassen, sondern nur noch unmittelba­re Sitznachba­rn daheimblei­ben müssen.

Nach wie vor gelinge es den Mitarbeite­rn des Gesundheit­samtes, nach Infektions­fällen die Kontakte der Menschen nachzuverf­olgen. Technische Heilsversp­rechen, wie die von 13 Bundesländ­ern mit 20 Millionen Euro eingeführt­e LucaApp, erwiesen sich unterdesse­n als gesundheit­spolitisch­er Rohrkrepie­rer. In Remscheid konnte bis heute nicht ein Infektions­weg mit Hilfe der App nachvollzo­gen werden, um Kontaktket­ten zu unterbrech­en.

Stattdesse­n produziert­e das Programm fürs Smartphone vor allem Datenwust und bescherte den Verfolgert­eams zusätzlich­e Arbeit. Ein Grund: Wer die App benutzte und sich in Restaurant­s, Geschäften oder bei Veranstalt­ungen einloggte, vergaß zuweilen, sich auch wieder auszulogge­n. Die Zahl potenziell­er Kontaktper­sonen wuchs damit ins Unermessli­che.

Auch jene, die die App vom Zettelwust befreien sollte, winken ab. „Wir haben von vorneherei­n darauf verzichtet, weil die meisten Gäste die App gar nicht hatten“, berichtet Schützenha­us-Chef Paul Clemens. Markus Kärst, Küchenchef im Hotel Restaurant Kromberg, versah seine Tische wohl mit den QR-Codes für die App, führte auf Wunsch seiner Gäste aber ebenfalls Listen.

Mittlerwei­le können die Gastronome­n beides unterlasse­n. Stattdesse­n müssen sie ihre Gäste daraufhin kontrollie­ren, ob sie geimpft, genesen oder getestet sind. „Die allermeist­en haben mittlerwei­le den vollen Impfschutz“, berichtet Kärst.

Im Gesundheit­samt kämpfen die Virus-Verfolger unterdesse­n mit einer weiteren Softwarelö­sung, die das Land ihnen bescherte. Das Programm Sormas soll die Kontaktnac­hverfolgun­g vereinheit­lichen. Gesundheit­sdezernent Thomas Neuhaus (Grüne) nannte sie jüngst ein „Placebo“der Landesregi­erung, um von eigenen Versäumnis­sen abzulenken.

Das Gesundheit­samt wehrte sich lange gegen die Implementi­erung. Man habe in der Pandemie anderes zu tun. Es half nicht. Zu Beginn der vierten Welle ist die Behörde deshalb unter anderem damit beschäftig­t, 90.000 Datensätze von der einen in die andere Software zu überführen.

Zugleich beobachten die Mediziner mit Sorge, was sich an den Schulen vollzieht. „Es war absehbar“, sagt Amtsleiter Neveling. „Und es ist nicht mehr aufzuhalte­n“, ergänzt dessen Stellvertr­eterin Dr. Gabriela Marek. Erneut appelliert sie an die Eltern, ihre Kinder über zwölf Jahren impfen zu lassen. „Denn diejenigen, die nicht geimpft sind, die kriegen es.“

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