Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Brandschauen zum Teil drei Jahre zu spät
Die Corona-Krise hat das Personalproblem der Feuerwehr verschärft. Mehr als 700 Gebäude in Wuppertal wurden nicht rechtzeitig geprüft. Aus den Vorjahren hat sich eine Welle von liegengebliebenen Brandschauen aufgestaut.
In Wuppertal müssen 3400 besonders gefährdete Gebäude nach dem Landesgesetz regelmäßig von der Feuerwehr in Bezug auf ihren Brandschutz überprüft werden. Wie wir nach Anfrage bei der Wuppertaler Wehr erfuhren, sind inzwischen mehr als 700 dieser Objekte nicht im Zeitplan inspiziert worden. Davon werden 500 Gebäude von der Feuerwehr niedrig priorisiert. Sie müssten alle sechs Jahre untersucht werden – doch im Schnitt ist die Feuerwehr nach eigenen Angaben hier drei Jahre in Verzug.
Abteilungsleiter Tobias Krebber beim vorbeugenden Gefahrenschutz der Feuerwehr erklärt die Versäumnisse mit dem Personalmangel: „Die Gesamtzahl der Leistungen, die von der Feuerwehr erbracht werden, wurde größer.“Konkret nahmen die Aufgaben der Feuerwehr in der Corona-Pandemie sprunghaft zu.
Wie Teamleiter Jan Weschollek berichtet, wurden seine sechs Mitarbeiter, die sich eigentlich um die Brandschauen in der Stadt kümmern, im Herbst und Winter des vergangenen Jahres zur Unterstützung bei den Corona-Massentests an Schulen eingesetzt. Zwischen Mitte März und Mai wurden die Brandschauen nach einem Erlass des Landes aus Gründen der Kontaktbeschränkung ganz ausgesetzt.
Das habe dazu geführt, dass in 2020 nur 522 Gebäude eine Brandschau erhalten haben. Damit lag die Feuerwehr ein Fünftel unter ihrem Soll. Das zusätzliche Problem: Aus den Vorjahren hat sich eine Welle von liegengebliebenen Brandschauen aufgestaut, die abgebaut werden müsste. In 2016 lag die ErfüllungsQuote lediglich bei 66 Prozent, in 2017 bei 69 Prozent, in 2018 bei 79 Prozent. 2019 mahnte das Rechnungsprüfungsamt der Stadt: Einige Immobilien wurden seit fast 18 Jahren nicht mehr von der Feuerwehr in Augenschein genommen. In der Folge erfüllte die Wehr im gleichen Jahr einmalig das Soll. Krebber sagt: „Die Brandschauen sind der Teil unserer Arbeit, auf den wir am ehesten verzichten können.“
Rein rechtlich sind sie aber vorgeschrieben. Im Paragraf 26 des Landesgesetzes über Brandschutz heißt es, dass Gebäude, „die in erhöhtem Maße brand- oder explosionsgefährdet sind“oder „in denen der Ausbruch eines Brandes eine Großzahl von Personen“gefährden könnte, regelmäßig zu überprüfen sind. Besonders schützenswerte Bauten wie Krankenhäuser, Kindergärten und Pflegeheime müssen alle drei Jahre kontrolliert werden. Hier versichert Krebber: „Bei diesen Gebäuden sind wir 100 Prozent im Soll.“Andere gefährdete Gebäude wie Hochhäuser, Gewerbeobjekte oder Bahnhöfe müssen nur alle sechs Jahre überprüft werden. Hier ist der Stau am größten.
Dass die Brandschauen keine folgenlose Formalie sind, zeigt die Tatsache, dass die Feuerwehr während dieser Visiten allein im vergangenen Jahr 119 Mängel festgestellt hat, die zu ordnungsbehördlichen Verfahren geführt haben. Das können etwa fehlende oder blockierte Rettungswege sein. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat die Rechtsaufsicht über die Brandschauen, wird aber nach eigenen Angaben erst tätig, wenn konkrete Beschwerden vorliegen.
Es kam auch zu Fällen, bei denen die Brandschau eine Evakuierung zur Folge hatte: Im Sommer 2017 wurde ein Hochhaus an der Heinrich-Böll-Straße in Oberbarmen geräumt, nachdem eine Brandschau ergeben hatte, dass die Fassade aus brennbarem Isoliermaterial bestand. Im März 2019 wurde eine Pflege-WG für Senioren an der Straße Fischertal in Barmen aufgelöst, nachdem die Feuerwehr bei einer Brandschau feststellte, dass das Gebäude nicht über zwei Rettungswege verfügte, die bei einer Nutzung durch pflegebedürftige Menschen zwingend erforderlich sind.
Ein neuer bedenklicher Trend macht die präventive Arbeit der Brandschützer noch wichtiger. Teamleiter Jan Weschollek musste feststellen, dass im Stadtgebiet immer wieder falsche Schilder mit der Aufschrift „Feuerwehrzufahrt“aufgehängt werden, etwa weil Grundstücksbesitzer ein Parkverbot durchsetzen möchten. Doch Weschollek warnt: „Das kann sehr gefährlich für uns sein.“In einem Fall habe der Betreiber eines Parkhauses auf eigene Faust die Feuerwehrzufahrt über das Parkdeck deklariert. Dieses war allerdings nur für eine Traglast von 2,8 Tonnen ausgelegt. Dies hätte bei einem echten Löscheinsatz mit schwerem Gefährt problematisch werden können. Laut Weschollek stößt die Feuerwehr manchmal erst per Zufall auf die Imitate. In den nächsten Jahren wird sein Team die echten Schilder mit einem Siegel versehen, um sie unterscheiden zu können. Weschollek: „Noch wissen wir nicht, wie viele falsche Schilder es gibt.“
Ordnungsdezernent Matthias Nocke, der bei der Stadt auch für die Feuerwehr zuständig ist, erklärte, dass die Personalstärke bei der Feuerwehr in den vergangenen Jahren zugenommen habe und noch weiter zunehmen werde. Zu den Brandschauen sagte er: „Da ist noch Luft nach oben.“Insgesamt sei die Situation aus seiner Sicht aber noch zufriedenstellend.