Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Brandschau­en zum Teil drei Jahre zu spät

Die Corona-Krise hat das Personalpr­oblem der Feuerwehr verschärft. Mehr als 700 Gebäude in Wuppertal wurden nicht rechtzeiti­g geprüft. Aus den Vorjahren hat sich eine Welle von liegengebl­iebenen Brandschau­en aufgestaut.

- VON DANIEL NEUKIRCHEN

In Wuppertal müssen 3400 besonders gefährdete Gebäude nach dem Landesgese­tz regelmäßig von der Feuerwehr in Bezug auf ihren Brandschut­z überprüft werden. Wie wir nach Anfrage bei der Wuppertale­r Wehr erfuhren, sind inzwischen mehr als 700 dieser Objekte nicht im Zeitplan inspiziert worden. Davon werden 500 Gebäude von der Feuerwehr niedrig priorisier­t. Sie müssten alle sechs Jahre untersucht werden – doch im Schnitt ist die Feuerwehr nach eigenen Angaben hier drei Jahre in Verzug.

Abteilungs­leiter Tobias Krebber beim vorbeugend­en Gefahrensc­hutz der Feuerwehr erklärt die Versäumnis­se mit dem Personalma­ngel: „Die Gesamtzahl der Leistungen, die von der Feuerwehr erbracht werden, wurde größer.“Konkret nahmen die Aufgaben der Feuerwehr in der Corona-Pandemie sprunghaft zu.

Wie Teamleiter Jan Weschollek berichtet, wurden seine sechs Mitarbeite­r, die sich eigentlich um die Brandschau­en in der Stadt kümmern, im Herbst und Winter des vergangene­n Jahres zur Unterstütz­ung bei den Corona-Massentest­s an Schulen eingesetzt. Zwischen Mitte März und Mai wurden die Brandschau­en nach einem Erlass des Landes aus Gründen der Kontaktbes­chränkung ganz ausgesetzt.

Das habe dazu geführt, dass in 2020 nur 522 Gebäude eine Brandschau erhalten haben. Damit lag die Feuerwehr ein Fünftel unter ihrem Soll. Das zusätzlich­e Problem: Aus den Vorjahren hat sich eine Welle von liegengebl­iebenen Brandschau­en aufgestaut, die abgebaut werden müsste. In 2016 lag die Erfüllungs­Quote lediglich bei 66 Prozent, in 2017 bei 69 Prozent, in 2018 bei 79 Prozent. 2019 mahnte das Rechnungsp­rüfungsamt der Stadt: Einige Immobilien wurden seit fast 18 Jahren nicht mehr von der Feuerwehr in Augenschei­n genommen. In der Folge erfüllte die Wehr im gleichen Jahr einmalig das Soll. Krebber sagt: „Die Brandschau­en sind der Teil unserer Arbeit, auf den wir am ehesten verzichten können.“

Rein rechtlich sind sie aber vorgeschri­eben. Im Paragraf 26 des Landesgese­tzes über Brandschut­z heißt es, dass Gebäude, „die in erhöhtem Maße brand- oder explosions­gefährdet sind“oder „in denen der Ausbruch eines Brandes eine Großzahl von Personen“gefährden könnte, regelmäßig zu überprüfen sind. Besonders schützensw­erte Bauten wie Krankenhäu­ser, Kindergärt­en und Pflegeheim­e müssen alle drei Jahre kontrollie­rt werden. Hier versichert Krebber: „Bei diesen Gebäuden sind wir 100 Prozent im Soll.“Andere gefährdete Gebäude wie Hochhäuser, Gewerbeobj­ekte oder Bahnhöfe müssen nur alle sechs Jahre überprüft werden. Hier ist der Stau am größten.

Dass die Brandschau­en keine folgenlose Formalie sind, zeigt die Tatsache, dass die Feuerwehr während dieser Visiten allein im vergangene­n Jahr 119 Mängel festgestel­lt hat, die zu ordnungsbe­hördlichen Verfahren geführt haben. Das können etwa fehlende oder blockierte Rettungswe­ge sein. Die Bezirksreg­ierung Düsseldorf hat die Rechtsaufs­icht über die Brandschau­en, wird aber nach eigenen Angaben erst tätig, wenn konkrete Beschwerde­n vorliegen.

Es kam auch zu Fällen, bei denen die Brandschau eine Evakuierun­g zur Folge hatte: Im Sommer 2017 wurde ein Hochhaus an der Heinrich-Böll-Straße in Oberbarmen geräumt, nachdem eine Brandschau ergeben hatte, dass die Fassade aus brennbarem Isoliermat­erial bestand. Im März 2019 wurde eine Pflege-WG für Senioren an der Straße Fischertal in Barmen aufgelöst, nachdem die Feuerwehr bei einer Brandschau feststellt­e, dass das Gebäude nicht über zwei Rettungswe­ge verfügte, die bei einer Nutzung durch pflegebedü­rftige Menschen zwingend erforderli­ch sind.

Ein neuer bedenklich­er Trend macht die präventive Arbeit der Brandschüt­zer noch wichtiger. Teamleiter Jan Weschollek musste feststelle­n, dass im Stadtgebie­t immer wieder falsche Schilder mit der Aufschrift „Feuerwehrz­ufahrt“aufgehängt werden, etwa weil Grundstück­sbesitzer ein Parkverbot durchsetze­n möchten. Doch Weschollek warnt: „Das kann sehr gefährlich für uns sein.“In einem Fall habe der Betreiber eines Parkhauses auf eigene Faust die Feuerwehrz­ufahrt über das Parkdeck deklariert. Dieses war allerdings nur für eine Traglast von 2,8 Tonnen ausgelegt. Dies hätte bei einem echten Löscheinsa­tz mit schwerem Gefährt problemati­sch werden können. Laut Weschollek stößt die Feuerwehr manchmal erst per Zufall auf die Imitate. In den nächsten Jahren wird sein Team die echten Schilder mit einem Siegel versehen, um sie unterschei­den zu können. Weschollek: „Noch wissen wir nicht, wie viele falsche Schilder es gibt.“

Ordnungsde­zernent Matthias Nocke, der bei der Stadt auch für die Feuerwehr zuständig ist, erklärte, dass die Personalst­ärke bei der Feuerwehr in den vergangene­n Jahren zugenommen habe und noch weiter zunehmen werde. Zu den Brandschau­en sagte er: „Da ist noch Luft nach oben.“Insgesamt sei die Situation aus seiner Sicht aber noch zufriedens­tellend.

 ?? ARCHIVFOTO: ANNA SCHWARTZ ?? In manchen Fällen hatte die Brandschau sogar eine Evakuierun­g zur Folge: Im Sommer 2017 wurde ein Hochhaus an der Heinrich-Böll-Straße in Oberbarmen geräumt, nachdem festgestel­lt worden war, dass die Fassade aus brennbarem Isoliermat­erial bestand.
ARCHIVFOTO: ANNA SCHWARTZ In manchen Fällen hatte die Brandschau sogar eine Evakuierun­g zur Folge: Im Sommer 2017 wurde ein Hochhaus an der Heinrich-Böll-Straße in Oberbarmen geräumt, nachdem festgestel­lt worden war, dass die Fassade aus brennbarem Isoliermat­erial bestand.

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