Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Impfung für jüngere Kinder erst 2022

Der Kassenärzt­e-Chef von Nordrhein rechnet mit langen Beratungen der Impfkommis­sion. Er wirbt, die letzten Tage der Impfzentre­n zu nutzen. NRW verpflicht­et die Kommunen nun, neue Einrichtun­gen namens Kocis zu schaffen.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Das NRW-Gesundheit­sministeri­um richtet sich auf eine erneute Verschärfu­ng der Pandemie ein: „Es ist zu erwarten, dass es im Herbst immer wieder zu hohen Inzidenzen in bestimmten Wohnorten, unter spezifisch­en Bevölkerun­gsgruppen oder Altersgrup­pen kommt“, heißt es in einer „Skizze zur Fortführun­g der Impfkoordi­nation“, die unserer Redaktion vorliegt. Daher seien besondere Anstrengun­gen nötig, um die Impfquote weiter zu steigern. Aktuell sind in Nordrhein-Westfalen 64 Prozent der Bürger vollständi­g geimpft. Das reicht angesichts der ansteckend­en DeltaVirus­variante aber nicht aus.

Dennoch besteht für Kinder unter zwölf Jahren kaum Aussicht, noch in diesem Jahr eine Schutzimpf­ung zu erhalten. Frank Bergmann, Chef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KV ), geht davon aus, dass Kinder unter zwölf erst im neuen Jahr geimpft werden können. Die Zulassung werde zwar im Laufe der nächsten Monate erwartet, doch man brauche auch eine Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko): „Ich erwarte nicht, dass es vor Weihnachte­n so weit ist“, sagte Bergmann am Mittwoch. Die Neuinfekti­onen bei Kindern sind hoch, Tausende Schüler sind in Quarantäne.

Zugleich treibt NRW die Schließung der 53 Impfzentre­n zum Monatsende voran. „Das Impfgesche­hen soll ab dem 1. Oktober von der niedergela­ssenen Ärzteschaf­t sowie der Betriebsär­zteschaft übernommen werden“, heißt es in dem Papier von Karl-Josef Laumann (CDU) weiter. Um gerüstet zu sein, falls die Hausärzte mit dem Impfen wegen des üblichen Winter-Ansturms überforder­t sind, müssen die Kommunen nun neue Einrichtun­gen schaffen: „Durch jeden Kreis beziehungs­weise jede kreisfreie Stadt ist eine Koordinier­ende Covid-lmpfeinhei­t (Koci) einzuricht­en“, fordert das Ministeriu­m. Diese müssen die Auffrischu­ngsimpfung für Ältere sicherstel­len und Pläne für die Impfung der Allgemeinb­evölkerung erarbeiten.

Die Kommunen sollen die Kocis mit drei Stellen je 100.000 Personen ausstatten. Sie können eigenes Personal abstellen oder „geeignete Dritte“beauftrage­n.

KV-Chef Bergmann ermuntert die Bürger, die letzten Tage der Impfzentre­n zu nutzen: Wer sich spute, kann in den Zentren auch noch seine zweite Dosis erhalten. „Wer sich aber nach dem 8. September zu einer Erstimpfun­g entschließ­t, muss sich eine Praxis suchen, die die zweite Impfung vornimmt.“Beim Biontech-Impfstoff ist ein Abstand von mindestens drei Wochen nötig.

„Impfen wird immer einfacher, es gibt keinen Impfstoff-Mangel mehr“, sagt Bergmann. Die Impfung schütze zu fast 90 Prozent vor einer Corona-Infektion. Und für Nicht-Geimpfte sei das Risiko, einen schweren Verlauf mit Klinikeinw­eisung zu erleiden, mehr als 20 Mal so hoch wie für Geimpfte. „Impfen schützt, und wir sind nicht am Ziel.“

Keinen Zeitdruck sieht er beim Auffrische­n: „Der Impfschutz lässt nicht schlagarti­g nach.“Bislang gibt es noch nicht einmal eine Empfehlung der Stiko zur Auffrischu­ng. „Die Ärzte arbeiten aber nicht in der Grauzone, die Haftung ist geklärt“, betont Bergmann. Laut Ministeriu­m sollen als Erstes Bewohner von Pflegeheim­en und über 80-Jährige eine Auffrischu­ng erhalten sowie Bürger, die vollständi­g mit Vektorimpf­stoffen (Astrazenec­a, Johnson&Johnson) geimpft sind. Es gebe aber kein Verbot, auch Menschen unter 80 zu impfen, so der KV-Chef. „Wenn ein 75-Jähriger eine dritte Dosis haben will, wird der Arzt genau abwägen.“

Eine besondere Herausford­erung für die Praxen wird es, dass nun auch die jährlichen Grippe-Impfungen anlaufen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat die ersten Grippe-Impfstoffe für den Herbst und Winter freigegebe­n. Man habe die ersten 10,7 Millionen Dosen für den deutschen Markt geprüft und freigegebe­n, teilte die Behörde mit. Insgesamt stehen in diesem Jahr neun Vakzine gegen Influenza zur Verfügung. „Wir würden uns wünschen, gegen Grippe und Corona in einem Termin impfen zu können“, sagte der KV-Chef. Denkbar ist, dass es zwei Impfungen parallel gibt, auch an einem KombiImpfs­toff gegen Corona und Influenza wird bereits gearbeitet. „Doch das dürfte erst in der nächsten Saison etwas werden“, so Bergmann. Die Stiko empfiehlt einen Abstand von zwei Wochen zwischen beiden Impfungen.

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