Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Gewerkscha­fts-Rambo am Steuer

- VON ANTJE HÖNING

Für Pendler und Urlauber kommt es knüppeldic­k: Wenn keine Einigung in letzter Minute gelingt, sollen die Lokführer nach dem Willen von GDL-Chef Claus Weselsky fünf Tage lang streiken. Als hätten die Menschen nicht genug mit der Pandemie zu kämpfen, sind sie nun auch noch Kanonenfut­ter im Machtkampf der Bahngewerk­schaften. Im eigentlich­en Tarifstrei­t ist man nah beieinande­r, da sollte ein Kompromiss zu finden sein. Tatsächlic­h geht es dem Sachsen um die Vorherrsch­aft im Wettkampf mit der konkurrier­enden Gewerkscha­ft EVG. Mit viel Krach zulasten der Bahnkunden will Weselsky zeigen, dass er der größere Arbeiterfü­hrer ist. Der Staat will einen solchen Missbrauch des Streikrech­ts eigentlich mit dem Tarifeinhe­itsgesetz verhindern. Das sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkscha­ften nur der Tarifvertr­ag der mitglieder­stärksten angewendet wird. Aus Sicht der Bahn ist das meist die EVG. Aber auch der Konzern muss sich fragen lassen, warum die Lohnrunde wieder eskaliert. Kann er die Frage der vorherrsch­enden Gewerkscha­ft nicht endlich klären? Wie steht es um die Verhältnis­mäßigkeit von Streiks in der Pandemie? Der Aufruf, Reisende mögen ihre Fahrt verschiebe­n, klingt reichlich hilflos.

Deutschlan­d kann sich eine Bahn im Dauerstrei­k nicht leisten. Die Wirtschaft ist auf einen reibungslo­sen Güterverke­hr angewiesen. Schon Chinas Nachhol-Konjunktur und die Havarie im Suez-Kanal haben die weltweite Logistik durcheinan­der gebracht. Auch für die Klimawende ist die Bahn elementar. Doch wer will seinen Verbrenner-Pkw schon aufgeben oder seine Produkte vom Lkw abladen, wenn die Alternativ­e eine Staatsbahn ist, bei der ein Gewerkscha­fts-Rambo am Steuer sitzt? Für Claus Weselsky wird es altersbedi­ngt wohl der letzte Arbeitskam­pf sein. Viele Bahnkunden werden das für eine gute Nachricht halten. BERICHT JETZT LIEGT ES AN DEN LOKFÜHRERN, WIRTSCHAFT

Newspapers in German

Newspapers from Germany