Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Maas in doppelter Mission
Nun hat also die Zeit danach begonnen. Die US-Streitkräfte sind fort aus Afghanistan, die Taliban haben ihre Freudenfeier inszeniert, und der deutsche Außenminister – umkreist den Krisenherd. Seine Reise in die Nachbarländer Afghanistans und nach Katar dient zwei Zielen: Heiko Maas will Möglichkeiten schaffen, die in Afghanistan zurückgebliebenen Ortskräfte doch noch aus dem Land zu bringen. Das bedeutet die letzte Rettung für diese Menschen – das Mindeste, was der Westen noch für sie tun kann. Für Afghanistan ist es die finale Abwanderung aller Hoffnung auf eine moderne Zukunft.
Die Diplomatie soll allerdings auch den Eindruck des totalen Desasters in Afghanistan verwischen. Von einem bruchlosen Übergang in Phase zwei ist darum jetzt die Rede. Das soll nach Prozess klingen, denn in einem Prozess gibt es keine Verlierer – und in diese Rolle war Maas zunehmend gedrängt worden. Die blitzartige Machtübernahme der Taliban hat die Welt überrascht, doch Maas hatte seine Ahnungslosigkeit noch kurz zuvor öffentlich geäußert. Und so wurde er zum personifizierten Versagen beim Afghanistanrückzug. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ist bereits geschickt aus dieser Rolle geflüchtet, indem sie beherzt ankündigte, wenn nötig, ihren Kopf hinzuhalten. Dann reiste sie noch den deutschen Truppen beim Abzug entgegen und umarmte den Brigadegeneral der Bundeswehr. Nach der Rolle, die das Innenministerium bei der verspäteten Evakuierung spielte, wird kaum noch gefragt.
Maas dagegen muss die Afghanistan-Geschichte fortschreiben, um sie loszuwerden. Er muss nach der unzureichenden Luftbrücke wenigstens eine Busbrücke auf den Weg bringen, während die Nachbarländer fürchten, dass dieser Spur viel mehr Flüchtlinge folgen könnten. Seine Mission dürfte also teuer werden.
BERICHT „WIR MÜSSEN MIT DEN TALIBAN REDEN“, POLITIK