Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
RHEINISCHE LÖSUNG Rheinische Beinamen
Wer hierzulande ein besonderes Talent hat, erhält Titel wie Blösche-Pitter.
Wer
etwas richtig gut kann, wird dafür gelobt – im Rheinischen sogar mit einem Beinamen. Und manche dieser Alltagshelden sind sogar zu lokalen Legenden geworden. So war bei uns der Sackschlepper-Heini als hilfsbereiter Nachbar bekannt, der alles herbeischaffte, was in Garten und Haus gebraucht wurde.
Die Gladbacher kannten den Schwemm-Hennes, ein Original, das in Gaststuben auf einem Stuhl liegend Schwimmbewegungen vorführte. Der spaßige Auftritt hatte einen ernsten Hintergrund. Schwemm-Hennes war ein Lebensretter, der ohne selbst schwimmen zu können, eine junge Frau aus dem Wasser gezogen hatte und danach schwer erkrankte. Wenn es um berufliche Aufgaben geht, hilft der
Namenszusatz zur Einordnung. Der Blödsche-Pitter etwa beseitigt, was das Auto unschön aussehen lässt: Beulen. Und Steinstufen-Willi ist immer dann gefragt, wenn Platten zu verlegen sind. Am Niederrhein gibt es auch Firmen, deren Tätigkeitsfeld verkürzt, aber prägnant beschrieben wird. So hatte sich „Driet Loers“auf den Abtransport der Jauche spezialisiert. Dazu existiert sogar ein Lied, das die Herausforderungen der Jaucheverwertung lustvoll beschreibt. Zitat: „De Loers, de kütt mem Stöver, er hält e Driet-Manöver.“Oder: „Im Suemer öm die Pruuemteet, da wött de Loers de Driet net quiet.“Man stelle sich vor, der Loers kommt zum Jauche-Manöver und trägt den Stöver (Handbesen) wie einen Marschallstab vor sich her. Zweite Aussage: Zur Pflaumenzeit braucht niemand
Dünger, denn dann wird geerntet. Wer jetzt glaubt, dass alles sei Vergangenheit, der irrt. Beinamen werden ständig neu erfunden. Natürlich sind manche Namen verschwunden, weil Hönkesfänger (Hundefänger), Mussfallskrämer (Mausefallenkrämer) und Hühnerfuttermittelmann längst nicht mehr durchs Land ziehen. Aber selbst im Digital-Zeitalter bleibt Raum für die rheinische Form der Identifizierung: Unsere Apothekerin könnte auch Pillen-Rosie heißen. Das klingt zumindest freundlicher als Schree-Kathring (Schrei-Kathrinchen). So nannte ein Onkel Caterina Valente und alle anderen einschlägigen Sopranistinnen.
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.