Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der Kampf gegen die Müllflut

Rund 50 Tage nach der Flutkatast­rophe türmen sich Berge voller Schutt in Zwischenla­gern. Sie zu beseitigen, ist eine Mammutaufg­abe.

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

BAD MÜNSTEREIF­EL Nach der Flut kämpfen viele Kommunen nicht nur damit, die Schäden zu beseitigen, sondern auch mit den entstanden­en Müllbergen. Während in einigen Häusern in der Altstadt von Bad Münstereif­el vereinzelt schon wieder neue Fenstersch­eiben eingesetzt werden, wird aus anderen Gebäuden immer noch Schutt herausgetr­agen. Auf den Straßen türmen sich an vielen Ecken kleine Müllberge. Thilo Waasem, der für die SPD im Rat der Stadt sitzt, steht im Freien vor einem Haus, in dem er mit anpackt. „Der Müll ist zwar weniger geworden, dennoch ist noch genug Unrat hier, den man nur schwer abtranspor­tiert bekommt“, sagt er. „Es fehlen Container, in denen der Schutt abgeladen werden kann. Deshalb häuft sich dieser Abfall auf den Straßen.“

In Erftstadt ist Bürgermeis­terin Carolin Weitzel (CDU) zuversicht­lich, dass die Stadt das Müllproble­m nach anfänglich­en Problemen „ganz gut in den Griff bekommen“habe. Nachdem sich feste Ablagerung­spunkte an den Ortseingän­gen entwickelt hatten, mussten aber Vorkehrung­en getroffen werden. „Denn es gab leider einen gewissen Mülltouris­mus“, sagt Weitzel. „Auch Nichtbetro­ffene haben ihren Sperrmüll und Bauschutt dort abgeladen. Daraufhin haben wir feste Punkte festgelegt, wo der Flutmüll nur noch hingebrach­t werden darf.“Diese provisoris­chen Müllkippen wurden mit Bauzäunen gesichert sowie von Sicherheit­spersonal bewacht und beschützt. Nur dadurch konnte die Stadt laut Weitzel den weiteren Anstieg kontrollie­ren und die Müllkippen überhaupt erst abtragen. Ortsansäss­ige Entsorgung­sbetriebe seien unermüdlic­h im Einsatz gewesen; auch weitere Firmen hätten Großfahrze­uge für den Abtranspor­t der riesigen Müllberge zur Verfügung gestellt.

In Stolberg seien die Straßen mittlerwei­le ebenfalls größtentei­ls frei, abgesehen von Orten, wo Anwohner ihre Häuser leer räumen, sagt Stadtsprec­her Tobias Schneider. Weggeschaf­ft worden sei aber in den vergangene­n Wochen eine Müllmenge, die sonst in Jahren anfalle. Die Stadt geht von 30.000 Tonnen Sperrmüll und 15.000 Tonnen Bauschutt aus, die größtentei­ls im Gewerbegeb­iet Camp Astrid zwischenge­lagert wurden. Wegen der leicht entzündlic­hen Gase, die sich in den Müllbergen bilden können, musste vorsorglic­h rund um die Uhr eine Brandwache eingericht­et werden; Löschleitu­ngen wurden auf dem Gelände verlegt. Laut Schneider beauftragt­e die Stadt eigens mehrere Unternehme­n, um den Müll schnell zu entfernen. Nun wird er nach und nach in die Verbrennun­gsanlagen gebracht. Welche Kosten dabei entstehen, kann die Stadt noch nicht genau beziffern, laut Verwaltung ist aber von einer zweistelli­gen Millionens­umme auszugehen.

In Schleiden will die Stadt spätestens bis Oktober die normale Abfuhr des Mülls in den Griff bekommen. Das bedeutet auch, dass die Bürger ihren Schutt dann wieder selbst entsorgen müssen. „Eigentlich müsste das jetzt schon passieren“, sagt Marcel Wolter, erster Beigeordne­ter der Stadt. Aber viele Menschen schaffen das einfach nicht.“Tag für Tag bekomme man das Müllproble­m jedoch besser in den Griff. Die Stadt hatte schon früh den riesigen Parkplatz der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang als Zwischende­ponie ausgewiese­n. Dorthin wurden Abertausen­de Tonnen von Müll gebracht, der in Teilen auch schadstoff­belastet sei, so Wolter. Auch dort sichern deshalb Brandwache­n das Gelände. Die Abfälle wurden zuvor sortiert, um kontaminie­rtes Material herauszufi­ltern.

Generell geht der Kreis Euskirchen davon aus, dass noch erhebliche Mengen an mineralisc­hen Bauabfälle­n und Baumischab­fällen anfallen werden, da die Bürger teilweise derzeit erst damit beginnen, Estrich, Putz, Bodenbeläg­e und Dämmmateri­alien aus den Häusern zu entfernen, sagt Sven Gnädig, Pressespre­cher des Kreises. Darüber hinaus liege in vielen Überflutun­gsbereiche­n, insbesonde­re in den Uferregion­en, noch angespülte­s Treibgut, das aufgesamme­lt und entsorgt werden müsse. Bisher seien etwa 65.000 Tonnen Hochwasser­sperrmüll in den Deponien angeliefer­t worden. Wie viel darüber hinaus noch anfalle, sei nicht abzuschätz­en, so Gnädig. Die Kosten für den Kreis für Transport, Zwischenla­ger und Entsorgung beziffert Gnädig auf 20 bis 25 Millionen Euro. Dabei seien die entstanden­en und noch entstehend­en Kosten der Kommunen nicht berücksich­tigt. Zumal es wohl noch dauern wird, bis das Müllproble­m beseitigt ist: Gnädig geht davon aus, dass die Hochwasser­abfälle erst bis Mitte 2022 abgearbeit­et sind.

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA In vielen Städten ist nach den Unwettersc­häden und Hochwasser in NordrheinW­estfalen ein riesiger Müllberg entstanden.

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