Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Kampf gegen die Müllflut
Rund 50 Tage nach der Flutkatastrophe türmen sich Berge voller Schutt in Zwischenlagern. Sie zu beseitigen, ist eine Mammutaufgabe.
BAD MÜNSTEREIFEL Nach der Flut kämpfen viele Kommunen nicht nur damit, die Schäden zu beseitigen, sondern auch mit den entstandenen Müllbergen. Während in einigen Häusern in der Altstadt von Bad Münstereifel vereinzelt schon wieder neue Fensterscheiben eingesetzt werden, wird aus anderen Gebäuden immer noch Schutt herausgetragen. Auf den Straßen türmen sich an vielen Ecken kleine Müllberge. Thilo Waasem, der für die SPD im Rat der Stadt sitzt, steht im Freien vor einem Haus, in dem er mit anpackt. „Der Müll ist zwar weniger geworden, dennoch ist noch genug Unrat hier, den man nur schwer abtransportiert bekommt“, sagt er. „Es fehlen Container, in denen der Schutt abgeladen werden kann. Deshalb häuft sich dieser Abfall auf den Straßen.“
In Erftstadt ist Bürgermeisterin Carolin Weitzel (CDU) zuversichtlich, dass die Stadt das Müllproblem nach anfänglichen Problemen „ganz gut in den Griff bekommen“habe. Nachdem sich feste Ablagerungspunkte an den Ortseingängen entwickelt hatten, mussten aber Vorkehrungen getroffen werden. „Denn es gab leider einen gewissen Mülltourismus“, sagt Weitzel. „Auch Nichtbetroffene haben ihren Sperrmüll und Bauschutt dort abgeladen. Daraufhin haben wir feste Punkte festgelegt, wo der Flutmüll nur noch hingebracht werden darf.“Diese provisorischen Müllkippen wurden mit Bauzäunen gesichert sowie von Sicherheitspersonal bewacht und beschützt. Nur dadurch konnte die Stadt laut Weitzel den weiteren Anstieg kontrollieren und die Müllkippen überhaupt erst abtragen. Ortsansässige Entsorgungsbetriebe seien unermüdlich im Einsatz gewesen; auch weitere Firmen hätten Großfahrzeuge für den Abtransport der riesigen Müllberge zur Verfügung gestellt.
In Stolberg seien die Straßen mittlerweile ebenfalls größtenteils frei, abgesehen von Orten, wo Anwohner ihre Häuser leer räumen, sagt Stadtsprecher Tobias Schneider. Weggeschafft worden sei aber in den vergangenen Wochen eine Müllmenge, die sonst in Jahren anfalle. Die Stadt geht von 30.000 Tonnen Sperrmüll und 15.000 Tonnen Bauschutt aus, die größtenteils im Gewerbegebiet Camp Astrid zwischengelagert wurden. Wegen der leicht entzündlichen Gase, die sich in den Müllbergen bilden können, musste vorsorglich rund um die Uhr eine Brandwache eingerichtet werden; Löschleitungen wurden auf dem Gelände verlegt. Laut Schneider beauftragte die Stadt eigens mehrere Unternehmen, um den Müll schnell zu entfernen. Nun wird er nach und nach in die Verbrennungsanlagen gebracht. Welche Kosten dabei entstehen, kann die Stadt noch nicht genau beziffern, laut Verwaltung ist aber von einer zweistelligen Millionensumme auszugehen.
In Schleiden will die Stadt spätestens bis Oktober die normale Abfuhr des Mülls in den Griff bekommen. Das bedeutet auch, dass die Bürger ihren Schutt dann wieder selbst entsorgen müssen. „Eigentlich müsste das jetzt schon passieren“, sagt Marcel Wolter, erster Beigeordneter der Stadt. Aber viele Menschen schaffen das einfach nicht.“Tag für Tag bekomme man das Müllproblem jedoch besser in den Griff. Die Stadt hatte schon früh den riesigen Parkplatz der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang als Zwischendeponie ausgewiesen. Dorthin wurden Abertausende Tonnen von Müll gebracht, der in Teilen auch schadstoffbelastet sei, so Wolter. Auch dort sichern deshalb Brandwachen das Gelände. Die Abfälle wurden zuvor sortiert, um kontaminiertes Material herauszufiltern.
Generell geht der Kreis Euskirchen davon aus, dass noch erhebliche Mengen an mineralischen Bauabfällen und Baumischabfällen anfallen werden, da die Bürger teilweise derzeit erst damit beginnen, Estrich, Putz, Bodenbeläge und Dämmmaterialien aus den Häusern zu entfernen, sagt Sven Gnädig, Pressesprecher des Kreises. Darüber hinaus liege in vielen Überflutungsbereichen, insbesondere in den Uferregionen, noch angespültes Treibgut, das aufgesammelt und entsorgt werden müsse. Bisher seien etwa 65.000 Tonnen Hochwassersperrmüll in den Deponien angeliefert worden. Wie viel darüber hinaus noch anfalle, sei nicht abzuschätzen, so Gnädig. Die Kosten für den Kreis für Transport, Zwischenlager und Entsorgung beziffert Gnädig auf 20 bis 25 Millionen Euro. Dabei seien die entstandenen und noch entstehenden Kosten der Kommunen nicht berücksichtigt. Zumal es wohl noch dauern wird, bis das Müllproblem beseitigt ist: Gnädig geht davon aus, dass die Hochwasserabfälle erst bis Mitte 2022 abgearbeitet sind.