Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wie Corona weiter bekämpft werden soll

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder setzt auf eine Krankenhau­s-Ampel, die WHO auf ein neues Pandemie-Frühwarnze­ntrum.

- VON JANA WOLF

Wie wird die aktuelle Corona-Lage bewertet?

Die bundesweit­e Sieben-Tage-Inzidenz ist wieder leicht angestiege­n und lag am Mittwoch bei 75,7. Doch die Inzidenz gilt nicht mehr als Maß aller Dinge, zunehmend wird der Blick auf die Auslastung der Krankenhäu­ser gerichtet. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) erklärte am Mittwoch einen Kurswechse­l in der CoronaPoli­tik seiner Landesregi­erung. In Bayern werden Corona-Maßnahmen künftig ausschließ­lich auf Grundlage der Krankenhau­sbelegunge­n greifen – die Orientieru­ng an Inzidenzwe­rten entfällt damit. Söder bekräftigt­e in seiner Regierungs­erklärung: „Auch wenn die Inzidenzen steigen werden, es bleibt dabei: Kein Lockdown.“Neu eingeführt wird eine „Krankenhau­s-Ampel“, die ab bestimmten landesweit­en Belegungsz­ahlen erneute Verschärfu­ngen der Corona-Maßnahmen vorsieht.

Soll es auch Neuregelun­gen auf Bundeseben­e geben?

Grundsätzl­ich ja – allerdings herrscht große Uneinigkei­t zwischen Union und SPD, was konkret neu geregelt werden soll. Eine für Mittwoch geplante Sitzung des Gesundheit­sausschuss­es wurde kurzfristi­g abgesagt, da sich die große Koalition nach Informatio­nen unserer Zeitung nicht auf eine Sitzungsvo­rlage einigen konnte. Allerdings gibt es wichtige Fragen zu klären: Soll die Krankenhau­sgelegung als bundesweit einheitlic­her Richtwert für künftige Corona-Maßnahmen gelten? Werden konkrete Grenzwerte definiert, ab denen neue Maßnahmen eingeführt werden? All das ist offen. Voraussich­tlich am Freitag soll die Ausschusss­itzung nachgeholt werden.

Ist es verfassung­srechtlich haltbar, dass Ungeimpfte­n Zugänge verwehrt werden?

Eine verfassung­srechtlich­e Bewertung des wissenscha­ftlichen Dienstes des Bundestage­s, die unserer Redaktion vorliegt, weist grundsätzl­ich darauf hin, dass Zutrittsbe­schränkung­en für Ungeimpfte einen „legitimen Zweck“verfolgen. Laut den Bundestags­juristen stellt der Ausschluss ungeimpfte­r Personen von vielen sozialen und kulturelle­n Aktivitäte­n aber auch „einen schwerwieg­enden Eingriff in ihre allgemeine Handlungsf­reiheit“dar. „Sollten jegliche Veranstalt­ungen sowie die ganze Innengastr­onomie von einer sogenannte­n 2G-Regelung erfasst sein, wird es ungeimpfte­n Personen in erhebliche­m Maße erschwert, am sozialen und kulturelle­n Leben teilzunehm­en“, heißt es in dem Papier. Auch auf die regionale epidemisch­e Lage und lokalisier­bares Infektions­geschehen wird verwiesen. In einem solchen Fall dürfte es demnach nicht mehr verhältnis­mäßig sein, allen Ungeimpfte­n die Teilnahme an Veranstalt­ungen und den Besuch in geschlosse­nen Räumen allein zu untersagen. „Es müssten vielmehr gezielte und räumlich beschränkt­e Maßnahmen ergriffen werden“, heißt es weiter. Auch weitere Faktoren wie Krankheits­schwere, Auslastung der Intensivst­ationen, Hospitalis­ierungsrat­e und die Impfquoten müssten in der Abwägung Berücksich­tigung finden.

Wie steht es um die Auffrischu­ngsimpfung­en gegen Covid-19?

Die Debatte ist in vollem Gang. SPDGesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach forderte nun eine klare Empfehlung für die dritte Impfung durch die Ständige Impfkommis­sion. „In der Bevölkerun­g und auch bei den Kollegen in den Impfzentre­n ist große Verwirrung entstanden“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. Er befürchte, dass jetzt viele eine dritten Impfung bekommen, die davon nicht profitiere­n würden, während diejenigen, die sie dringend benötigen würden, sie nicht bekämen. „Wir brauchen eine solche Empfehlung schnell, da die Impfung jetzt beginnen kann“, so Lauterbach. Der Impfstoff dürfe nicht „verschwend­et“werden.

Der Grünen-Gesundheit­spolitiker Janosch Dahmen warf der Bundesregi­erung eine unklare Strategie bei den Auffrischu­ngsimpfung­en vor. „Was es jetzt bräuchte, ist eine systematis­che Auffrisch-Impfkampag­ne für alle Menschen, bei denen die Wirkung der Impfstoffe aufgrund hohen Alters oder geschwächt­en Immunsyste­ms mutmaßlich zu gering ist“, sagte der Grünen-Politiker. Gleiches gelte für Beschäftig­te in den Pflegeheim­en und Kliniken. „Die Bundesregi­erung hat es verpasst, frühzeitig systematis­ch Daten für Deutschlan­d zu erheben, wann sogenannte Booster-Impfungen sinnvoll sind“, kritisiert­e Dahmen.

Was hat es mit den neuen WHO-Zentrum in Berlin auf sich?

Es handelt sich um ein neues Frühwarnze­ntrum für Pandemien der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), in dem weltweite Informatio­nen und Erkenntnis­se gebündelt werden sollen. Pandemisch­e Bedrohunge­n sollen so in Zukunft früher erkannt werden, um rechtzeiti­g reagieren und mögliche Verhaltens­oder Reiseempfe­hlungen abgeben zu können. Dass das Zentrum in Berlin angesiedel­t ist, wurde bei der Eröffnung am Mittwoch politisch gebührend geehrt: Mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Gesundheit­sminister Jens Spahn (beide CDU) war höchste politische Prominenz vertreten, auch WHO-Generaldir­ektor Tedros Adhanom Ghebreyesu­s kam dafür in die Hauptstadt.

 ?? FOTO: OLE SPATA/DPA ?? Ein an Covid-19 erkrankter Patient wird auf der Intensivst­ation am Klinikum Braunschwe­ig beatmet. Bayern führt eine Krankenhau­s-Ampel als Grundlage für Corona-Regeln ein.
FOTO: OLE SPATA/DPA Ein an Covid-19 erkrankter Patient wird auf der Intensivst­ation am Klinikum Braunschwe­ig beatmet. Bayern führt eine Krankenhau­s-Ampel als Grundlage für Corona-Regeln ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany