Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Jetzt liegt es an den Lokführern

Eigentlich will die GDL bis Montag streiken, nun gibt es ein neues Angebot. Die Wirtschaft in NRW ist besorgt wegen des Ausstands.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Obwohl der Vorstand der Deutschen Bahn (DB) am frühen Mittwochab­end ein neues, deutlich besseres Tarifangeb­ot gemacht hat, sagte die Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer (GDL) den Arbeitskam­pf nicht direkt ab. Seit Mittwochna­chmittag bestreikte sie den Güterverke­hr bei DB Cargo, von Donnerstag bis inklusive Montag sollte auch der Personenve­rkehr möglichst lahmgelele­gt werden.

Der DB-Vorstand war zuvor schon stark auf die streitbare Gewerkscha­ft zugegangen. Er bot im Kern bis zu 600 Euro an CoronaSond­erprämie an, vor einigen Tagen hatte nur eine Prämie offeriert, ohne sich in der Höhe festzulege­n. Und er bot an, den neuen Tarifvertr­ag für nur 36 Monate abzuschlie­ßen. Damit hätte die GDL eine frühere Möglichkei­t, einen Nachschlag wegen der steigenden Inflation zu fordern. Bislang hatte die Bahn auf einer Laufzeit von 40 Monaten beharrt. DB-Personalvo­rstand Martin Seiler sagte, das Unternehme­n habe nun „einen weiteren entscheide­nden Schritt Richtung GDL getan“. Es gebe „nun wirklich überhaupt keinen Grund mehr, nicht zurück an den Verhandlun­gstisch zu kommen,“fügte er hinzu.

Mit dem späten Angebot will der DB-Vorstand offensicht­lich vorrangig verhindern, dass am nächsten Wochenende noch gestreikt wird, wenn viele Menschen aus dem Urlaub zurückkehr­en. Die zwei vorherigen Streiks von jeweils zwei Tagen hatten sich dagegen immer nur an Werktagen abgespielt, weil die GDL den Unmut der Bevölkerun­g nicht zu sehr auf sich ziehen wollte.

Seiler begründet das neue Angebot

des Staatskonz­erns damit, dass viele Menschen mit der Bahn aus den Ferien zurückkomm­en wollten und die Versorgung mit Gütern gewährleis­tet sein müsse. „Wir haben geliefert“, sagte er. „Jetzt liegt es an der GDL.“

Die GDL hatte ein verbessert­es Angebot des Staatskonz­erns gefordert. Dies hatte die Bahn zunächst abgelehnt und von der Gewerkscha­ft eine sofortige Rückkehr an den Verhandlun­gstisch gefordert, da die Positionen nicht weit auseinande­rlägen. So sind sich beide Seiten

einig, dass die Tariferhöh­ung bei 3,2 Prozent liegen soll.

Die Bahn wirft der GDL vor, mit dem Streik vor allem ihre Position gegenüber der konkurrier­enden und größeren Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) verbessern zu wollen. GDL-Chef Claus Weselsky wiederum wirft der Bahn „Trickserei und Täuscherei“vor. Die Führungsri­ege sei nicht in der Lage, den Konzern gut zu managen. Sie stopfe sich stattdesse­n die Taschen voll, sagte der 62-jährige. „Die Bahn versucht nur Zeit zu gewinnen und mit Scheinange­boten zu irritieren“, sagte er.

Die konkurrier­ende EVG unterstell­t der GDL indes, sie führe den Arbeitskam­pf gezielt in der Zeit vor der Bundestags­wahl, damit die Politik den Bahnvorsta­nd unter Druck setzt, Zugeständn­isse zu machen. Es ist zu vermuten, dass das Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) im Hintergrun­d auf eine Einigung dringt, um weiteren Ärger vor dem Wahltag am 26. September zu vermeiden.

Auch die Wirtschaft macht Druck:

„Die Streiks der GDL kommen zur Unzeit“, erklärte etwa der Verband der Chemischen Industrie. Sie würden die „derzeitige­n Engpässe in den Lieferkett­en“verschärfe­n, rund 20 Prozent der Chemieunte­rnehmen würden ihre Produktion bereits wegen Lieferengp­ässen drosseln. Es sei ein riesiger Aufwand, Güter nun auf private Bahnuntern­ehmen oder Lkw umleiten zu müssen. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie warnte gar vor einer Gefährdung des Aufschwung­s.

Auch die Firmen aus der Region

sind alarmiert: „Wir beobachten die Lage genau“, sagte ein Henkel-Sprecher. Der Chemiekonz­ern Covestro aus Leverkusen berichtet von „leichten Verzögerun­gen“, doch die Produktion laufe. Ford in Köln trifft der Arbeitskam­pf kaum. Die Deutsche Post muss viele Pakete nun mit Lkw statt mit Zügen transporti­eren, was zu Verspätung­en führen kann. „Wir fahren auf Sicht“, erklärte Thyssenkru­pp. Selbst das Management des Duisburger Hafens, die größte Logistikdr­ehscheibe Deutschlan­ds, verliert nicht die Nerven: Man sei von den Streiks „nur in Teilen betroffen“, sagte eine Sprecherin. Es sei zwar richtig, dass die Bahn viele Güter zum Hafen transporti­ere, doch die Kunden könnten auf Lkw, Schiffe oder andere Bahnuntern­ehmen ausweichen. „Insgesamt wird zur Zeit noch mit keinen größeren Auswirkung­en gerechnet.“

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FOTO: DPA Auch die Post – hier ein DHL-Container, der am Cargo-Terminal Billwerder in Hamburg auf einen Güterzug verladen wird – ist vom Bahnstreik betroffen.

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