Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Jetzt liegt es an den Lokführern
Eigentlich will die GDL bis Montag streiken, nun gibt es ein neues Angebot. Die Wirtschaft in NRW ist besorgt wegen des Ausstands.
DÜSSELDORF Obwohl der Vorstand der Deutschen Bahn (DB) am frühen Mittwochabend ein neues, deutlich besseres Tarifangebot gemacht hat, sagte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) den Arbeitskampf nicht direkt ab. Seit Mittwochnachmittag bestreikte sie den Güterverkehr bei DB Cargo, von Donnerstag bis inklusive Montag sollte auch der Personenverkehr möglichst lahmgelelegt werden.
Der DB-Vorstand war zuvor schon stark auf die streitbare Gewerkschaft zugegangen. Er bot im Kern bis zu 600 Euro an CoronaSonderprämie an, vor einigen Tagen hatte nur eine Prämie offeriert, ohne sich in der Höhe festzulegen. Und er bot an, den neuen Tarifvertrag für nur 36 Monate abzuschließen. Damit hätte die GDL eine frühere Möglichkeit, einen Nachschlag wegen der steigenden Inflation zu fordern. Bislang hatte die Bahn auf einer Laufzeit von 40 Monaten beharrt. DB-Personalvorstand Martin Seiler sagte, das Unternehmen habe nun „einen weiteren entscheidenden Schritt Richtung GDL getan“. Es gebe „nun wirklich überhaupt keinen Grund mehr, nicht zurück an den Verhandlungstisch zu kommen,“fügte er hinzu.
Mit dem späten Angebot will der DB-Vorstand offensichtlich vorrangig verhindern, dass am nächsten Wochenende noch gestreikt wird, wenn viele Menschen aus dem Urlaub zurückkehren. Die zwei vorherigen Streiks von jeweils zwei Tagen hatten sich dagegen immer nur an Werktagen abgespielt, weil die GDL den Unmut der Bevölkerung nicht zu sehr auf sich ziehen wollte.
Seiler begründet das neue Angebot
des Staatskonzerns damit, dass viele Menschen mit der Bahn aus den Ferien zurückkommen wollten und die Versorgung mit Gütern gewährleistet sein müsse. „Wir haben geliefert“, sagte er. „Jetzt liegt es an der GDL.“
Die GDL hatte ein verbessertes Angebot des Staatskonzerns gefordert. Dies hatte die Bahn zunächst abgelehnt und von der Gewerkschaft eine sofortige Rückkehr an den Verhandlungstisch gefordert, da die Positionen nicht weit auseinanderlägen. So sind sich beide Seiten
einig, dass die Tariferhöhung bei 3,2 Prozent liegen soll.
Die Bahn wirft der GDL vor, mit dem Streik vor allem ihre Position gegenüber der konkurrierenden und größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verbessern zu wollen. GDL-Chef Claus Weselsky wiederum wirft der Bahn „Trickserei und Täuscherei“vor. Die Führungsriege sei nicht in der Lage, den Konzern gut zu managen. Sie stopfe sich stattdessen die Taschen voll, sagte der 62-jährige. „Die Bahn versucht nur Zeit zu gewinnen und mit Scheinangeboten zu irritieren“, sagte er.
Die konkurrierende EVG unterstellt der GDL indes, sie führe den Arbeitskampf gezielt in der Zeit vor der Bundestagswahl, damit die Politik den Bahnvorstand unter Druck setzt, Zugeständnisse zu machen. Es ist zu vermuten, dass das Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Hintergrund auf eine Einigung dringt, um weiteren Ärger vor dem Wahltag am 26. September zu vermeiden.
Auch die Wirtschaft macht Druck:
„Die Streiks der GDL kommen zur Unzeit“, erklärte etwa der Verband der Chemischen Industrie. Sie würden die „derzeitigen Engpässe in den Lieferketten“verschärfen, rund 20 Prozent der Chemieunternehmen würden ihre Produktion bereits wegen Lieferengpässen drosseln. Es sei ein riesiger Aufwand, Güter nun auf private Bahnunternehmen oder Lkw umleiten zu müssen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie warnte gar vor einer Gefährdung des Aufschwungs.
Auch die Firmen aus der Region
sind alarmiert: „Wir beobachten die Lage genau“, sagte ein Henkel-Sprecher. Der Chemiekonzern Covestro aus Leverkusen berichtet von „leichten Verzögerungen“, doch die Produktion laufe. Ford in Köln trifft der Arbeitskampf kaum. Die Deutsche Post muss viele Pakete nun mit Lkw statt mit Zügen transportieren, was zu Verspätungen führen kann. „Wir fahren auf Sicht“, erklärte Thyssenkrupp. Selbst das Management des Duisburger Hafens, die größte Logistikdrehscheibe Deutschlands, verliert nicht die Nerven: Man sei von den Streiks „nur in Teilen betroffen“, sagte eine Sprecherin. Es sei zwar richtig, dass die Bahn viele Güter zum Hafen transportiere, doch die Kunden könnten auf Lkw, Schiffe oder andere Bahnunternehmen ausweichen. „Insgesamt wird zur Zeit noch mit keinen größeren Auswirkungen gerechnet.“