Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Aus Backstube wieder in Bundestag

Der Hückeswage­ner FDP-Chef Jörg von Polheim will es nach 2012/2013 noch einmal wissen: Der Bäckermeis­ter möchte für die Liberalen in den Bundestag, denn die Politik liegt ihm im Blut. Er hofft auf eine Ampel-Koalition.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

HÜCKESWAGE­N Im Grunde genommen wäre es einmal interessan­t, unter den Hückeswage­nern eine Umfrage zu machen – ob ihnen Jörg von Polheim eher als Bäckermeis­ter oder als FDP-Politiker bekannt ist. Vermutlich dürfte beides zutreffen, auch wenn er die beiden Profession­en nie vermischt. „In meinem Geschäft am Etapler Platz wird nie ein FDP-Wahlplakat zu finden sein“, versichert er.

Tatsächlic­h sind sowohl das Bäckerhand­werk als auch die Politik tief in der Familienge­schichte verwurzelt, wie der 62-Jährige anmerkt. „Mein Urgroßvate­r war schon im 19. Jahrhunder­t im damaligen Kreistag – natürlich gab es damals keine der heutigen Parteien“, sagt von Polheim. Eine Generation früher, im Jahr 1839, hatte UrUrgroßva­ter Peter von Polheim die Bäckerei gegründet, damals noch an der Peterstraß­e. „1842 kaufte er dann unser heutiges Haus an der Kölner Straße, die Backstube war damals im Keller untergebra­cht“, berichtet der Landesinnu­ngsmeister der nordrhein-westfälisc­hen Bäcker.

Der liberale Geist, auch wenn er damals vielleicht noch ganz anders bezeichnet wurde, habe schon beim Urgroßvate­r geherrscht. „Er hat den Arbeiterbi­ldungsvere­in, den Vorläufer der SPD, in seinem Haus tagen lassen. Er war nicht deren Meinung, wollte sie aber akzeptiere­n“, sagt von Polheim in Anlehnung an das Voltaire-Zitat: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“Das soll der französisc­he Schriftste­ller und Philosoph im 18. Jahrhunder­t gesagt haben. „Auch mein Großvater war bis 1932 im Hückeswage­ner Stadtrat, nach dem Krieg hat er in unserem Wohnhaus die FDP in der Schloss-Stadt gegründet. 1946, zusammen mit Erich Mende, dem späteren FDP-Bundesvors­itzenden“, berichtet von Polheim.

Der 62-Jährige ist mit Leib und Seele Bäcker und Politiker. Und er hat bereits Bundestags­erfahrung, schließlic­h vertrat er dort die Liberalen von Januar 2012 bis Oktober 2013 in Berlin – ein zeit- und kraftaufre­ibender Wechsel zwischen den beiden Städten. „Ich habe vor meiner ersten Zeit im Bundestag gesagt, dass ich das machen will – aber danach noch verheirate­t sein möchte“, sagt er und lächelt. Mit seiner Frau Sabine habe er daher auch jetzt wieder im Vorfeld seiner Kandidatur darüber gesprochen. „Es ist eine Herzenssac­he, aber sie trägt sie mit. Allerdings mit der Bedingung, dass der Betrieb weiterläuf­t“, sagt von Polheim.

Backen und Politik – das mag in der Kommunalpo­litik gehen, aber sicher nicht auf Bundeseben­e. Warum er sich diesen Stress dann doch kurz vor der Rente noch antut? „Weil ich versuchen möchte, meine Umgebung ein bisschen positiver zu gestalten. Es ist doch im Grunde auch nichts anderes, als wenn man sich in einem Verein engagiert“, sagt der Vorsitzend­er des ATV. Dafür wird im Fall seiner Wahl allerdings auch etwas weniger Zeit übrigbleib­en – eine Woche würde von Polheim in Berlin sein, die andere in Hückeswage­n.

Genauso wenig Zeit bliebe dann für die übrigen Hobbys des Hückeswage­ners. „Ich beschäftig­e mich sehr gerne mit Geschichte im Allgemeine­n und der Familienge­schichte im Besonderen. Zumindest dann, wenn es die Zeit zulässt“, fügt er hinzu. Noch wichtiger sei allerdings die Familie. „Meine Frau und ich haben das große Glück, dass drei unserer vier Kinder in Hückeswage­n leben, eine Tochter studiert derzeit in Hannover.“Mit den Kindern – und mittlerwei­le auch Enkelkinde­rn – würden sich die Eltern regelmäßig am Wochenende zum Kaffeetrin­ken treffen. „Das ist wirklich schön, und das haben wir auch konsequent so gemacht“, sagt er.

Natürlich habe er bemerkt, dass der Ton im Bundestag seit dem Einzug der AfD ein anderer geworden sei. Von Polheim hat aber für sich entschiede­n, die Rechtspopu­listen nicht zu ignorieren, sondern sie argumentat­iv zu stellen. „Ich will aufzeigen, was sie für einen gefährlich­en Unfug erzählen. Ich will mit denen aber ganz gewiss abends kein Bier trinken, das sind politische Gegner. Alle anderen Parteien bezeichne ich übrigens als politische Mitbewerbe­r.“

Wenn er an den 26. September, den Wahltag für die Bundestags­wahl denke, hoffe er auf eine Ampel-Koalition von CDU, SPD und FDP. „An Schwarz-Gelb glaube ich nicht, dazu ist die CDU im Moment viel zu sehr von der Rolle“, blickt von Polheim auf den Ausgang der Wahl.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Jörg von Polheim ist aktiv im Handwerk und in der Politik: Der Hückeswage­ner Bäckermeis­ter ist Landesinnu­ngsmeister des Bäckereiha­ndwerks und will jetzt wieder für die Liberalen in den Bundestag nach Berlin.
FOTO: JÜRGEN MOLL Jörg von Polheim ist aktiv im Handwerk und in der Politik: Der Hückeswage­ner Bäckermeis­ter ist Landesinnu­ngsmeister des Bäckereiha­ndwerks und will jetzt wieder für die Liberalen in den Bundestag nach Berlin.

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