Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Laschets Wahlkampf-Achter
Nach langem Zögern präsentiert der Kanzlerkandidat der Union doch noch ein Team von Experten, das ihn politisch unterstützen soll. Die Zusage für ein Ministeramt hat jedoch nur einer von ihnen in der Tasche.
BERLIN Um 9.01 Uhr kam Armin Laschet aus einem Nebenraum auf die Bühne in der CDU-Parteizentrale. Alleine. Nacheinander rief er vier Männer und vier Frauen zu sich auf die Bühne. Diese Acht bilden sein neues „Zukunftsteam“. Unverdrossen warnt der Kanzlerkandidat von CDU und CSU vor einem drohenden Linksrutsch. „Experten statt Experimente“, lautet der Slogan, der hinter ihm aufleuchtet. Die Union will die SPD unter Druck setzen, die nur auf Kanzlerkandidat Olaf Scholz setzt. „Ich freue mich zu sehen, welche weiteren Persönlichkeiten denn die SPD aufzubieten hat“, sagte Laschet. Sie verstecke ihr Personal. Fragen zu seinem Team, wer davon ministrabel wäre, kann man Laschet indes nicht stellen. Direkt nach der Kandidatenshow muss er zum Staatsakt für Kurt Biedenkopf. Das Team der Union in der Übersicht:
Andreas Jung Der Fraktionsvize im Bundestag soll für Laschet einen Klimaschutzturbo zünden. Diese Personalie überrascht wenig, denn der 46-jährige Baden-Württemberger war schon am Montag als Teil des dreiköpfigen Klima-Teams präsentiert worden.
Dorothee Bär Als Digitalstaatsministerin im Kanzleramt kann sie das Thema authentisch vertreten. Sie erneuerte die Forderung nach einem „Bundesministerium für digitale Innovationen und Transformation“. CSU-Chef Markus Söder betonte mehrfach, dass es sich bei Laschets Team nicht um ein Schattenkabinett handle. Allerdings müssten auch die Christsozialen in einem künftigen Bundeskabinett Frauen aufstellen können – die 43-jährige Fränkin wäre sicher eine der aussichtsreichen Kandidatinnen.
Peter Neumann Der TerrorismusExperte ist ein Überraschungskandidat. Neumann beriet Laschet bereits 2018 in NRW. Er soll nun die Themen innere und äußere Sicherheit zusammenführen. Der 46-Jährige leitet seit 2008 das „International Centre for the Study of Radicalisation“am Londoner King’s College und hat sich als Experte für islamistischen Terror einen Namen gemacht. In Zeiten der AfghanistanKrise ist das ein Trumpf im Team. Er könnte bei einem Wahlsieg Laschets nationaler Sicherheitsberater nach US-Vorbild werden.
Karin Prien Die Kieler Bildungsministerin gilt als streitbare CDU-Reformerin. In der Pandemie setzte sie sich für Schulen, Eltern und Kinder ein. Mit Laschet verbinde sie der Gedanke an Bildungsgerechtigkeit. Jedes Kind müsse bei der Einschulung gut Deutsch können. Anspruch auf ein Ministeramt in Berlin erhebt Prien (56) unmittelbar nicht: „Derzeit ist Demut angesagt und keine Verteilung von Posten.“
Barbara Klepsch Sie soll Stimme des Ostens und der Kommunen sein. Der Anruf des Parteichefs sei „noch nicht allzu lange her“, sagte sie. Klepsch war bis 2014 Oberbürgermeisterin von Annaberg-Buchholz, danach Ministerin für Soziales und Verbraucherschutz in Sachsens Landesregierung. Derzeit ist die 56-Jährige Staatsministerin für Kultur und Tourismus.
Joe Chialo Der Musikmanager soll bei Künstlern und Kreativen punkten. Der 51-Jährige wurde in Bonn als Sohn eines tansanischen Diplomatenpaars geboren. Musikalisch
hat er etwa die „Kelly Band“und „Santiano“unter seinen Fittichen. Nie wieder dürften Künstler Existenzängste wie in der Pandemie haben. In Berlin-Spandau bewirbt sich Chialo als Quereinsteiger für ein CDU-Bundestagsdirektmandat.
Silvia Breher Die 48-jährige Niedersächsin gilt als Steilstarterin in der CDU. Nach nur zwei Jahren im Bundestag wurde sie Ende 2019 Vize-Parteichefin. Laschet stellte sie auch als „Erststimmenkönigin“der CDU bei der Wahl 2017 vor. Breher verantwortet das Thema Familien.
Sie setzte gleich Haken gegen SPD und Grüne. Die Union wende sich gegen die Abschaffung des Ehegattensplittings, wie das SPD und Grüne (für neue Ehen) wollen. Dies wäre eine eine „Steuererhöhung für die Familien“.
Friedrich Merz Als einziger im Team wäre Merz bei einer CDU-Regierungsbeteiligung als Wirtschaftsminister gesetzt. Er zeigte sich ungewohnt demütig: „Wir fangen nicht an, vor der Wahl Ämter zu verteilen.“Ist das Team ein Himmelfahrtskommando angesichts desaströser Umfragewerte? „Das kann auch hilfreich sein. Jetzt wacht die Truppe auf“, meinte Merz (65). Frühere Kanzlerkandidaten der Union seien auch unterschätzt worden und „später große Kanzler geworden“. Verfängt die Rote-Socken-Kampagne bei einem konservativen Sozialdemokraten wie Olaf Scholz? Der Sauerländer redete sich in einem Nebenraum in Rage. Dass Scholz mehrere Treffen mit einem Banker vergessen habe, dem Hamburg fast 50 Millionen Steuernachzahlung ersparen wollte? „Das ist komplett unglaubwürdig. Das gibt es vielleicht in Süditalien, aber nicht in Deutschland.“