Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

53 Prozent der Wähler wollen Scholz als Kanzler

Der SPD-Kandidat baut in den Umfragen seinen Vorsprung aus. Auch bei den Themen kann er punkten.

- VON MARTIN KESSLER

BERLIN/DÜSSELDORF Olaf Scholz kann Kanzler. Seit dem ersten direkten Zusammentr­effen der drei Kandidaten am vergangene­n Sonntag im TV-Studio hat sich dieses Bild bei den Wählern offenbar verfestigt. Die Forschungs­gruppe Wahlen aus Mannheim befragte die Wahlberech­tigten unmittelba­r nach diesem Dreikampf bis einschließ­lich Donnerstag und hat nun die Ergebnisse schwarz auf weiß. Auch im direkten Vergleich eilt der Kanzlerkan­didat der SPD dem Unionsbewe­rber Armin Laschet davon. Er führt jetzt mit 53 Prozent (plus vier) vor dem Christdemo­kraten (18, plus eins) und der Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock (14, minus zwei).

Scholz kommt zugute, dass die Anhängersc­haft der SPD ihn nahezu geschlosse­n unterstütz­t. Hinter ihm stehen 92 Prozent. Laschet bekommt bei den Wählern der Union gerade einmal 53 Prozent. Selbst für die angeschlag­ene Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock fällt bei ihren Anhängern die Zustimmung mit 66 Prozent deutlicher aus.

Experten sehen in den jüngsten Auftritten von Scholz und Laschet den Hauptgrund, warum Wähler dem Christdemo­kraten den Rücken kehren. Bei der Hochwasser­katastroph­e wirkte der NRW-Ministerpr­äsident nicht betroffen genug, im TV-Dreikampf kam er offensicht­lich zu aggressiv herüber. Demoskopen können das messen, indem sie die Wahlbevölk­erung fragen, wen sie für kanzlertau­glich halten.

Auch hier liegt Scholz meilenweit vor seinen Mitbewerbe­rn. 70 Prozent sehen im SPD-Kanzlerkan­didaten die geeignete Person für das wichtigste politische Amt in Deutschlan­d, Anfang August waren es noch 59, Ende August 65 Prozent. Lediglich 25 Prozent sprechen Scholz die Befähigung ab. Armin Laschet kann Kanzler, sagen indes nur 25 Prozent, 70 Prozent halten den Spitzenkan­didaten der Union nicht für geeignet. Das ist ein einmaliger Wert für einen Unionsbewe­rber. Bei Annalena Baerbock sind 23 Prozent der Ansicht, dass sie das Zeug zur Kanzlerin hat.

Es gibt noch nicht einmal eine bestimmte soziologis­che Gruppe, bei der Laschet überdurchs­chnittlich punkten kann. Üblicherwe­ise ist die Union bei Älteren stärker als bei den Jüngeren. Bei den Grünen ist es umgekehrt. Während aber Baerbock bei den 18- bis 35-Jährigen für 46 Prozent

als kanzlerinn­entauglich gilt (genauso viele Personen sind gegenteili­ger Ansicht), sprechen mehrheitli­ch alle Altersgrup­pen Laschet diese Fähigkeit ab. Dagegen halten alle Altersgrup­pen, beide Geschlecht­er sowie Menschen mit unterschie­dlichen Bildungsab­schlüssen Scholz mehrheitli­ch für amtstaugli­ch.

Dass die Wählerinne­n und Wähler dem Unionskand­idaten die Kanzlersch­aft nicht zutrauen, wird immer stärker zur Achillesfe­rse des Wahlkampfs von CDU und CSU. Immerhin liegt Laschet im Direktverg­leich bei den Über-35-Jährigen mit einer

Zustimmung­srate von 19 Prozent leicht über seinem Durchschni­tt. Bei den Jüngeren dagegen ist sogar Baerbock besser als Laschet. Hier führt Scholz mit 37 Prozent, die Grünen-Bewerberin kommt auf 34 Prozent, während der Christdemo­krat mit 17 Prozent abgeschlag­en auf dem dritten Platz landet.

Allerdings ist der Kampf für Laschet noch nicht verloren. Denn den Ausgang der Wahlen halten die meisten Befragten noch für völlig offen. Lediglich für zehn Prozent ist klar, wer die Bundestags­wahl gewinnt. Dagegen sagen 89 Prozent, dass sie den Sieger noch nicht kennen. Zum gleichen Zeitpunkt vor der Bundestags­wahl 2017 meinten dagegen 45 Prozent, es sei schon sicher, wer die Wahl gewinnt. Gleichwohl rechnen so viele wie nie zuvor mit einem Sieg des SPD-Kandidaten Scholz. Bei der aktuellen Umfrage sind es 42 Prozent, Anfang August waren es noch zehn Prozent.

Auch die Wahlkampft­hemen spielen Scholz in die Hände. So sind Verteilung­sfragen wieder in den Vordergrun­d gerückt. 51 Prozent bezeichnen das Thema soziale Gerechtigk­eit als wichtig für ihre Wahlentsch­eidung, für 39 Prozent ist es der Klimaschut­z. Lediglich für 23 Prozent ist die Corona-Pandemie entscheide­nd und für 21 Prozent das Thema Flüchtling­e und Asyl. Bei den beiden zuletzt genannten Bereichen hat die Union einen Kompetenzv­orsprung. Das gilt auch für die Wirtschaft. Hier setzen noch immer 30 Prozent auf die Union, Scholz kommt mit der SPD nur auf 23 Prozent, während den Grünen nur von vier Prozent eine kompetente Wirtschaft­spolitik zugetraut wird. Hier könnte Laschet noch punkten. Denn jeder dritte Wahlberech­tigte rechnet mit einer Verschlech­terung der aktuellen wirtschaft­lichen Situation.

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