Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Leitlinien für den zweiten Corona-Herbst in NRW
CDU und FDP stellen den Rahmen für die Pandemie-Regeln bis zum 16. Dezember vor.
DÜSSELDORF Wenn am Mittwoch der Landtag in Düsseldorf zusammentritt, um die Corona-Maßnahmen für den Herbst festzuzurren, dann werden auf Antrag der schwarz-gelben Koalition die „pandemischen Leitlinien“verabschiedet. Es ist das Korsett, mit dem das Parlament der Regierung bis in den Dezember zwar eine grobe Richtung vorgibt, ihr aber weitgehend freie Hand lässt.
Wie aus dem Antrag hervorgeht, geht es dabei insbesondere um die ins Stocken geratene Impfkampagne. Um wieder Schwung hineinzubekommen, sollen „unkonventionelle Wege beschritten werden“. Welche das sind, lässt der Antrag offen. Zugleich verlangen CDU und FDP, das Impfen selbst müsse im Mittelpunkt stehen und nicht das Verfahren und die damit verbundene Bürokratie. Zudem solle das Land Vorkehrungen für „mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Breite wiederkehrende Auffrischungsimpfungen“treffen.
Die Koalition fordert in ihrem Antrag mehr Anstrengungen in Sachen Forschung. So heißt es: „Die Entwicklung neuer medizinischer Behandlungsmethoden und Medikamente ist verstärkt zu fördern.“An anderer Stelle wird auf die digitalen Hilfsmöglichkeiten verwiesen. So heißt es: „Damit das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben weiter in normale Bahnen zurückkehren kann, müssen verfügbare technische und digitale Instrumente für die Pandemie-Bekämpfung bestmöglich genutzt werden.“Das dürfte vor dem Hintergrund der von der Landesregierung abgeschafften digitalen Kontaktdatennachverfolgung vor allem in den Ohren der Start-up-Szene wie Hohn klingen, hatte diese doch viel Zeit, Energie und Geld in entsprechende Anwendungen gesteckt.
Ein zentraler Punkt ist der Umgang mit den Schulen. Laut Matthias Kerkhoff, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, soll das Parlament die Entscheidung der Landesregierung stützen, die Quarantäneregeln für Schulkinder der aktuellen Lage anzupassen. „Es ärgert mich, dass vielerorts noch immer ganze Schulklassen in Quarantäne geschickt werden, obwohl das nicht mehr vorgeschrieben ist. Wenn massenhaft Schüler in Quarantäneschleifen hängen, ist kein geregelter Unterricht im Herbst und Winter möglich. Das müssen wir unbedingt verhindern, damit die Kinder und Jugendlichen nicht beim Unterrichtsstoff abgehängt, sozial abgekapselt und psychisch belastet werden.“NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte angekündigt, künftig nur noch positiv getestete Kinder in Quarantäne schicken zu wollen, ähnlich hatte sich zuvor Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) geäußert. Dazu soll es am Montag einen konkreten Vorschlag der Gesundheitsminister von Bund und Ländern geben. Der Kreis
Gütersloh will so lange nicht mehr warten und hat von sich aus angekündigt, nur noch positiv getestete Kinder in Quarantäne zu schicken.
Rückendeckung dafür gab es auch von der Vorsitzenden des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert: „Wenn die Anzahl der Quarantänefälle sinkt, wird das auch die Gesundheitsämter entlasten. Wichtig sind einheitliche Regeln für die Quarantäne an Schulen. Alles andere führt zu einer extremen Verunsicherung von Schülern und Eltern.“Spannend ist aus Teicherts Sicht eine Studie der Stadt Köln. „Die schicken dabei nur noch positiv getestete Schüler in Quarantäne, flankieren diese Maßnahme aber mit einem engmaschigen Test für die übrigen Schüler. Das könnte ein vernünftiger Weg sein. Da müssen wir die Ergebnisse abwarten.“Sehr hilfreich wäre natürlich ein zugelassener
Impfstoff für Kinder aller Altersklassen und flächendeckende Impfangebote für Kinder und Jugendliche, sagte die Medizinerin.
Zugleich warnte sie vor übertriebener Euphorie angesichts der aktuellen Entwicklung der Inzidenzen. „Der leichte Rückgang der vergangenen Tage ist meines Erachtens allenfalls auf normale Schwankungen im Meldesystem zurückzuführen.“Die Gesundheitsämter kämen aufgrund der Belastung manchmal erst später dazu, Fälle zu melden, sagte Teichert. „Ich glaube nicht, dass wir über den Berg sind. Im Gegenteil: Weil die Kontaktbeschränkungen aufgehoben wurden, hat das Virus doch wieder deutlich mehr Möglichkeiten, sich ungebremst zu verbreiten. Die Tendenz geht eindeutig nach oben.“
In der Koalition gehen die Überlegungen dagegen schon in Richtung Öffnung. So forderte Henning Höne, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, die Zeit nach der Pandemie müsse verstärkt in den Blick genommen werden. „Wir fordern die Entwicklung einer Exit-Strategie. Angesichts der fortschreitenden Impfkampagne und der ausreichenden Verfügbarkeit des Impfstoffs müssen die Grundrechtseinschränkungen perspektivisch aufgehoben werden. Zudem müssen wir die Schäden analysieren, die durch die Pandemie entstanden sind. Nur mit einer schonungslosen Analyse können wir für die Zukunft lernen.“