Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Rocker, Poet, Entertaine­r

Als Frontmann von Queen begeistert­e Freddie Mercury Millionen von Menschen. Einen Showman wie ihn gab es nicht noch einmal. Er wäre jetzt 75 Jahre alt geworden.

- VON PHILIP DETHLEFS

LONDON (dpa) Ob Freddie Mercury noch mit Queen in Stadien auftreten und seine theatralis­chen Bühnenpose­n zeigen würde, wenn er am Leben wäre? Würde seine Stimme heute noch so mächtig klingen? Durch seinen frühen Tod bleibt der einzigarti­ge Sänger und QueenFront­mann in der Erinnerung ewig jung. Sämtliche Konzertauf­nahmen stammen aus seinen besten Zeiten. Denn als Mercury krank wurde, zog er sich schnell von der Bühne zurück. Am 5. September wäre er 75 Jahre alt geworden.

Auf kaum einen im Showgeschä­ft passte der im Englischen gebräuchli­che Begriff „larger than life“so sehr wie auf den flamboyant­en, britischen Entertaine­r, der 1946 als Farrokh Bulsara in Sansibar geboren wurde. Wenn Freddie Mercury auf der Bühne stand, umgab ihn eine besondere Aura. Wo er auftrat, zog er das Publikum in seinen Bann. Das ist noch heute fasziniere­nd zu sehen, etwa auf Videos vom legendären Auftritt beim „Live Aid“-Konzert im Wembley-Stadion 1985. Ein „Eee ooo“von Freddie genügte, schon sangen alle mit. „Eee-do-lee-do-lee!“

Queen begeistert­en Pop- und Rockfans gleicherma­ßen. Ob krachende Rockhymnen wie „Tie Your Mother Down“, „We Will Rock You“und „I Want It All“oder gefällige Radiohits wie „Another One Bites The Dust“, „Radio Ga Ga“und „A Kind Of Magic“– Queen hatten beides im

Repertoire. Dazu natürlich das Magnum Opus „Bohemian Rhapsody“, das vielleicht auch deshalb so erfolgreic­h wurde, weil es Mercury in all seinen Facetten zeigte – der Rocker, der Poet, der theatralis­che Entertaine­r mit riesigem Stimmumfan­g. Freddie konnte alles.

Als der kleine Farrokh, Sohn parsischer Eltern, in Indien aufs Internat geht, werden Lehrer auf sein Talent aufmerksam. Er singt im Chor, spielt Klavier, tritt im Schultheat­er auf und gründet seine erste Band. Schon damals nennen ihn Mitschüler Freddie. Der Name bleibt, als er im Teenageral­ter mit der Familie nach London zieht, wo sich ihm eine neue Welt eröffnet. Er studiert Grafikdesi­gn, zeichnet Porträts und entwirft Männermode. Und er entdeckt den Rock ’n’ Roll.

Als die Band Smile der befreundet­en Musiker Brian May (Gitarre) und Roger Taylor (Schlagzeug) zerbricht, gründen sie 1970 mit Freddie, der schon als Roadie und Assistent bei Smile involviert war, und Bassist Roger Deacon Queen. Die bekannte Geschichte der Band wird – mit künstleris­cher Freiheit – im Spielfilm „Bohemian Rhapsody“erzählt, der dafür kritisiert wurde, dass manche Teile von Mercurys Leben zu kurz kommen, darunter seine wilden Jahre in München.

Anfang der 80er-Jahre wohnt der Sänger in der bayrischen Metropole. Er feiert im Glockenbac­hviertel und lebt – von der Öffentlich­keit weitestgeh­end unbemerkt – seine Homosexual­ität im Münchener Nachtleben aus. In Interviews berichtet er später von einer exzessiven Zeit. Das Musikvideo zur Single „Living On My Own“wurde beim ausschweif­enden, dekadenten Kostümfest zu seinem 39. Geburtstag gefilmt. Seine Solokarrie­re läuft hingegen enttäusche­nd. Sein einziges Soloalbum, das discolasti­ge „Mr. Bad Guy“erscheint 1985 und hat außerhalb Großbritan­niens nur mäßigen Erfolg. Posthum wird 1993 ein Remix von „Living On My Own“in vielen Ländern ein Nummer-Eins-Hit. Auch sein Album „Barcelona“mit der befreundet­en spanischen Opernsänge­rin Montserrat Caballé wird 1988 kein kommerziel­ler Erfolg, sondern erst 1992 als Neuauflage im Zuge der Olympische­n Spiele in Barcelona.

Mit Queen bringt Mercury weiter mit großem Erfolg neue Alben heraus und nimmt selbst dann noch Musik auf, als seine Aids-Erkrankung bereits stark fortgeschr­itten ist. Sogar Musikvideo­s dreht der ewige Showman, für den „The Show Must Go On“ein Lebensmott­o war. In seinem letzten Video, „These Are The Days Of Our Lives“, ist nicht zu übersehen, dass Mercury gesundheit­lich schwer gezeichnet ist.

In der Öffentlich­keit wird lange über seinen Gesundheit­szustand spekuliert. Dass er an Aids erkrankt ist, macht Freddie Mercury am 23. November 1991 öffentlich. Nur einen Tag später stirbt er in seinem Haus in Kensington, wo er mit seinem letzten Lebensgefä­hrten Jim Hutton lebt, an einer Lungenentz­ündung. Ein Jahr später steigt in Wembley ein gigantisch­es Tributekon­zert, bei dem unter anderen George Michael, Elton John, Liza Minnelli und Guns ’n’ Roses auftreten. Vor der sogenannte­n Garden Lodge, dem Haus in Kensington, legten Fans Blumen nieder. Beschriftu­ngen und Fotos an der Mauer wurden erst vor einigen Jahren entfernt. Vier Jahre nach dem Tod von Freddie Mercury veröffentl­ichen Queen 1995 das letzte Studioalbu­m. „Made In Heaven“enthält neue Versionen einiger Solosongs von Mercury wie „I Was Born To Love You“und viele Songs, die er noch vor seinem Tod eingesunge­n hat. Seine letzte Aufnahme mit Queen war „Mother Love“, den er nicht zu Ende singen konnte, weil ihn die Kraft verließ. Die letzte Strophe singt Brian May – ein Gänsehautm­oment.

An seinem Geburtstag gedenken Freddie-Mercury-Fans noch heute jedes Jahr ihres Idols. Die von seinen hinterblie­benen Bandkolleg­en und Manager Jim Beach ins Leben gerufene Aids-Stiftung „The Mercury Phoenix Trust“organisier­t regelmäßig das Event „Freddie For A Day“, an dem Fans aufgerufen sind, sich einen künstliche­n Schnurrbar­t anzukleben und sich wie der Sänger zu kleiden. Gut möglich, dass die Rocklegend­e heute nicht mehr auftreten würde. „Ich weiß, dass eine Zeit kommen wird, wo ich nicht mehr auf der Bühne herumrenne­n kann, weil es lächerlich wäre“, sagte er 1986 in einem Interview anlässlich eines Queen-Konzerts im Knebworth Park: „Es kommt eine Zeit, da muss man aufhören.“Ob er es schon ahnte? Der gigantisch­e Auftritt vor 120.000 Zuschauern war das letzte Konzert der Band.

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FOTO: KOH HASEBE/SHINKO MUSIC/GETTY IMAGES Freddie Mercury 1976 bei einem Konzert in Tokyo.

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