Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Börsenaufsicht will Handels-Apps regulieren
Onlinebroker wie Trade Republic bergen Potenzial, aber auch Gefahr. Daher sollen in den USA Rückvergütungen verboten werden. Vermeintlich schnelles Geld ohne Provision
NEWYORK/FRANKFURT Die Börsenaufsicht in den USA hat Pläne erarbeitet, um neue digitale Handelsplattformen an die kurze Leine zu nehmen. Unterbunden werden könnten künftig die Zahlungen von bestimmten Provisionen. Dadurch sollen mögliche Interessenkonflikte vermieden werden. In Deutschland gibt es bis dato keine derartigen Pläne – noch nicht.
Sie heißen Robinhood, Trade Republic oder Smartbroker: Und sie versprechen das schnelle Geld mit wenigen Wischs am Smartphone. Kostenlos seien diese Dienste, so zumindest das Werbeversprechen. Möglich ist das für die digitalen Handelsplattformen grundsätzlich, weil sie viele der Geschäfte ihrer Kunden gar nicht selbst an den Börsen platzieren, sondern über große Brokerhäuser. Dafür kassieren sie Provisionen von den Brokern. Die US-Börsenaufsicht erwägt nun ein Verbot solcher Geschäfte, weil ihnen möglicherweise Interessenkonflikte innewohnen kännten.
Ein Verbot dieser sogenannten Payment for Order Flow (PFOF) liege „auf dem Tisch“, sagte der Chef der Börsenaufsicht SEC, Gary Gensler kürzlich in einem Zeitungsinterview. Auf mögliche Interessenkonflikte weisen Beobachter und Verbraucherschützer bereits seit Längerem hin. Denn zum einen besteht die Gefahr darin, dass die neuen Handelsplattformen nun jene Häuser und Banken bevorzugen, die ihnen die höchsten Provisionen bieten. Das jedoch widerspräche dem Grundsatz, dass im Interesse der Kunden eigentlich der günstigste Kurs oder der günstigste Handelsplatz für den Kauf oder den Verkauf von Wertpapieren oder anderen Börsenprodukten angestrebt werden sollte.
Zum anderen aber haben die großen Händler durch das Weiterleiten der Order von den Handelsplattformen auch einen Wissensvorsprung: Sie sehen, wenn eine Welle von Käufen
Geschäftsmodell Firmen wie Robinhood oder Trade Republic bieten ihren Kunden die Möglichkeit, über eine Handy-App Wertpapiere und Kryptowährungen rund um die Uhr schnell und günstig zu handeln.
Kritik Niedrige Gebühren und Käufe über ein paar Mausklicks verleiten laut Kritikern dazu, häufiger zu handeln als sinnvoll.
oder Verkäufen ansteht und können entsprechend reagieren, indem sie beispielsweise eigene Handelspositionen vorziehen und so mögliche Kursverluste verhindern oder von anstehenden Kursanstiegen profitieren können.
Ein solcher Fall, in dem sich der Verdacht der Vorteilsnahme geradezu aufdrängte, liegt gar nicht einmal weit zurück: Im Börsendrama um die Gamestop-Aktie zu Jahresbeginn war unter anderem ein milliardenschwerer Hedgefonds namens Melvin Capital nur knapp an einer Pleite vorbeigeschrammt. Der Fonds hatte mit hohen Einsätzen auf einen Kursverfall der Gamestop-Aktie gewettet. Allerdings machten ihm Kleinanleger durch ihr Schwarmverhalten einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Denn sie sprachen sich just auf diesen neuen Handelsplattformen und in Foren ab und verabredeten sich zum Kauf der Aktien, was den Kurs des Papiers in die Höhe schießen und das große Börsenkapital erzittern ließ. Im zweiten Akt des Dramas allerdings schränkten die Neobroker wie Robinhood den Handel mit den Wertpapieren ein – zeitweise waren für die Kleinanleger keine Käufe, sondern nur noch Verkäufe der Aktien möglich. Und genau das ließ den Verdacht aufkommen, dass möglicherweise die einflussreichen Hedgefonds hinter den Kulissen ihre Macht genutzt hatten.
Bereits damals hatten sich parteiübergreifend Politiker zu Wort gemeldet, die ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden und klarere Regeln gefordert hatten. Ein Verbot von PFOFs-Rückvergütungen wäre ein Schritt in dieser Richtung, wie es in Ländern wie Kanada, Australien und Großbritannien bereits ausgesprochen wurde. Die europäische Aufsicht Esma hat kürzlich erst Bedenken wegen des Anlegerschutzes in Hinblick auf solche Zahlungen geäußert. In Deutschland gibt es seitens des Gesetzgebers bisher noch keine Bestrebungen für ein Verbot von PFOF-Zahlungen. Hierzulande
stehen Neobroker-Handelsplattformen in der Pflicht, Handelsaufträge ihrer Kundinnen und Kunden so auszuführen, dass das bestmögliche Ergebnis dabei herauskommt. Zudem müssen sie Rückvergütungen gegenüber ihren Kunden offenlegen.
Die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin betont, dass Trades auf den Handelsplattformen für die Kunden keineswegs „kostenlos“seien: „Anlegerinnen und Anleger sollten sich von den Werbeversprechen der Neobroker nicht blenden lassen“, sagte ein Bafin-Sprecher. Denn die jeweiligen Großhändler oder Banken, die am Ende die Deals der Kunden im Hintergrund ausführen, rechnen anfallende Gebühren bereits in die Kurse mit ein – es ist die Differenz zwischen den Kaufund Verkaufskursen eines Wertpapiers. Von dieser Marge wiederum können sie es sich leisten, einen Teil an die Handelsplattformen qua Rückvergütung für die Aufträge zu überweisen.