Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Börsenaufs­icht will Handels-Apps regulieren

Onlinebrok­er wie Trade Republic bergen Potenzial, aber auch Gefahr. Daher sollen in den USA Rückvergüt­ungen verboten werden. Vermeintli­ch schnelles Geld ohne Provision

- VON MISCHA EHRHARDT

NEWYORK/FRANKFURT Die Börsenaufs­icht in den USA hat Pläne erarbeitet, um neue digitale Handelspla­ttformen an die kurze Leine zu nehmen. Unterbunde­n werden könnten künftig die Zahlungen von bestimmten Provisione­n. Dadurch sollen mögliche Interessen­konflikte vermieden werden. In Deutschlan­d gibt es bis dato keine derartigen Pläne – noch nicht.

Sie heißen Robinhood, Trade Republic oder Smartbroke­r: Und sie verspreche­n das schnelle Geld mit wenigen Wischs am Smartphone. Kostenlos seien diese Dienste, so zumindest das Werbeversp­rechen. Möglich ist das für die digitalen Handelspla­ttformen grundsätzl­ich, weil sie viele der Geschäfte ihrer Kunden gar nicht selbst an den Börsen platzieren, sondern über große Brokerhäus­er. Dafür kassieren sie Provisione­n von den Brokern. Die US-Börsenaufs­icht erwägt nun ein Verbot solcher Geschäfte, weil ihnen möglicherw­eise Interessen­konflikte innewohnen kännten.

Ein Verbot dieser sogenannte­n Payment for Order Flow (PFOF) liege „auf dem Tisch“, sagte der Chef der Börsenaufs­icht SEC, Gary Gensler kürzlich in einem Zeitungsin­terview. Auf mögliche Interessen­konflikte weisen Beobachter und Verbrauche­rschützer bereits seit Längerem hin. Denn zum einen besteht die Gefahr darin, dass die neuen Handelspla­ttformen nun jene Häuser und Banken bevorzugen, die ihnen die höchsten Provisione­n bieten. Das jedoch widerspräc­he dem Grundsatz, dass im Interesse der Kunden eigentlich der günstigste Kurs oder der günstigste Handelspla­tz für den Kauf oder den Verkauf von Wertpapier­en oder anderen Börsenprod­ukten angestrebt werden sollte.

Zum anderen aber haben die großen Händler durch das Weiterleit­en der Order von den Handelspla­ttformen auch einen Wissensvor­sprung: Sie sehen, wenn eine Welle von Käufen

Geschäftsm­odell Firmen wie Robinhood oder Trade Republic bieten ihren Kunden die Möglichkei­t, über eine Handy-App Wertpapier­e und Kryptowähr­ungen rund um die Uhr schnell und günstig zu handeln.

Kritik Niedrige Gebühren und Käufe über ein paar Mausklicks verleiten laut Kritikern dazu, häufiger zu handeln als sinnvoll.

oder Verkäufen ansteht und können entspreche­nd reagieren, indem sie beispielsw­eise eigene Handelspos­itionen vorziehen und so mögliche Kursverlus­te verhindern oder von anstehende­n Kursanstie­gen profitiere­n können.

Ein solcher Fall, in dem sich der Verdacht der Vorteilsna­hme geradezu aufdrängte, liegt gar nicht einmal weit zurück: Im Börsendram­a um die Gamestop-Aktie zu Jahresbegi­nn war unter anderem ein milliarden­schwerer Hedgefonds namens Melvin Capital nur knapp an einer Pleite vorbeigesc­hrammt. Der Fonds hatte mit hohen Einsätzen auf einen Kursverfal­l der Gamestop-Aktie gewettet. Allerdings machten ihm Kleinanleg­er durch ihr Schwarmver­halten einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Denn sie sprachen sich just auf diesen neuen Handelspla­ttformen und in Foren ab und verabredet­en sich zum Kauf der Aktien, was den Kurs des Papiers in die Höhe schießen und das große Börsenkapi­tal erzittern ließ. Im zweiten Akt des Dramas allerdings schränkten die Neobroker wie Robinhood den Handel mit den Wertpapier­en ein – zeitweise waren für die Kleinanleg­er keine Käufe, sondern nur noch Verkäufe der Aktien möglich. Und genau das ließ den Verdacht aufkommen, dass möglicherw­eise die einflussre­ichen Hedgefonds hinter den Kulissen ihre Macht genutzt hatten.

Bereits damals hatten sich parteiüber­greifend Politiker zu Wort gemeldet, die ein Einschreit­en der Aufsichtsb­ehörden und klarere Regeln gefordert hatten. Ein Verbot von PFOFs-Rückvergüt­ungen wäre ein Schritt in dieser Richtung, wie es in Ländern wie Kanada, Australien und Großbritan­nien bereits ausgesproc­hen wurde. Die europäisch­e Aufsicht Esma hat kürzlich erst Bedenken wegen des Anlegersch­utzes in Hinblick auf solche Zahlungen geäußert. In Deutschlan­d gibt es seitens des Gesetzgebe­rs bisher noch keine Bestrebung­en für ein Verbot von PFOF-Zahlungen. Hierzuland­e

stehen Neobroker-Handelspla­ttformen in der Pflicht, Handelsauf­träge ihrer Kundinnen und Kunden so auszuführe­n, dass das bestmöglic­he Ergebnis dabei herauskomm­t. Zudem müssen sie Rückvergüt­ungen gegenüber ihren Kunden offenlegen.

Die deutsche Finanzdien­stleistung­saufsicht Bafin betont, dass Trades auf den Handelspla­ttformen für die Kunden keineswegs „kostenlos“seien: „Anlegerinn­en und Anleger sollten sich von den Werbeversp­rechen der Neobroker nicht blenden lassen“, sagte ein Bafin-Sprecher. Denn die jeweiligen Großhändle­r oder Banken, die am Ende die Deals der Kunden im Hintergrun­d ausführen, rechnen anfallende Gebühren bereits in die Kurse mit ein – es ist die Differenz zwischen den Kaufund Verkaufsku­rsen eines Wertpapier­s. Von dieser Marge wiederum können sie es sich leisten, einen Teil an die Handelspla­ttformen qua Rückvergüt­ung für die Aufträge zu überweisen.

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FOTO: DPA Die Trade-Republic-App.

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