Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Kostic und die Macht der Spieler

Der Frankfurte­r wollte sich zu Lazio Rom streiken. Eintracht Frankfurt stellt ihm trotzdem ein feines Zeugnis aus: Er sei ein guter Junge. Eine tiefe Verbeugung vor der Macht der Spieler.

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Ein Lokführer der Deutschen Bahn verdient zwischen 45.000 und 50.000 Euro im Jahr. Vielleicht bald ein bisschen mehr, dafür wird gerade gestreikt. Das bringt die Bahn unter Druck, weil die Kundschaft auf dem Baum ist. Der Fußballpro­fi Filip Kostic verdient bei Eintracht Frankfurt nach zuverlässi­gen Schätzunge­n 2,5 Millionen Euro im Jahr. Das sollte für ein sorgenfrei­es Leben langen.

Trotzdem hat Kostic ebenfalls gestreikt. Nicht einmal nur des Geldes wegen, sondern weil er mal schnell den Arbeitgebe­r wechseln wollte. Lazio Rom in der Serie A sollte es sein. Dass er einen gültigen Vertrag mit den Frankfurte­rn hat, schien den Spieler nicht zu kümmern.

Er hat durchaus prominente Vorbilder. Ousmane Dembélé streikte sich vor ein paar Jahren von Borussia Dortmund zum FC Barcelona. Weltmeiste­r Thomas Berthold saß in der Saison 1992/93 seinen Vertrag mit Bayern München auf der Tribüne ab. Er wurde als bestbezahl­ter Golfer Deutschlan­ds berühmt. Der Fall Kostic geht offenbar etwas anders aus. Der angriffslu­stige Flügelspie­ler wird weder zum fürstlich honorierte­n Hobby-Golfer wie Berthold, noch konnte er seinen Brötchenge­ber in Frankfurt von der Dringlichk­eit eines Wechsels überzeugen, wie das Dembélé gelang. Dessen Überzeugun­gskraft unterstütz­te seinerzeit das Schmerzens­geld, das Barcelona an die Dortmunder überwies – insgesamt rund 120 Millionen Euro.

Kostic war den Römern dem Vernehmen nach lediglich zehn Millionen Euro wert, das war natürlich kein zugkräftig­es Argument.

Das ist aber noch nicht alles. Der bedeutsams­te Unterschie­d zu früheren wilden Arbeitskäm­pfen im Profifußba­ll ist die Haltung des Vereins. Borussia Dortmund und Bayern München verstanden es, ihre Hilflosigk­eit in der Öffentlich­keit für sich zu nutzen. Dembélé und Berthold standen als gierige Zocker ohne Anstand da. Entspreche­nden Kommentare­n widersprac­hen weder der BVB noch die Bayern. Sie durften sich auf der moralisch besseren Seite fühlen, was wiederum die Spieler sicher nicht um die gesunde Nachtruhe brachte.

Eintracht Frankfurt aber baute schon vor Ablauf der Transferfr­ist am vergangene­n Dienstag verbal goldene Brücken für den Spieler. Statt den erkennbare­n Mangel an Anstand zu beklagen, stellte der Klub dem Profi ein feines Zeugnis aus. „Filip Kostic ist ein guter Junge

und ein hervorrage­nder Fußballer“, sagte Sportvorst­and Markus Krösche, „wir sind überzeugt, dass er auch künftig eine wichtige Säule unserer Mannschaft sein kann.“Selten hat sich ein Arbeitgebe­r tiefer vor der Macht der Fußballpro­fis verneigt – nur weil er auf die spielerisc­hen Qualitäten angewiesen zu sein glaubt.

Bezeichnen­d, dass es überhaupt keinen Aufschrei gibt in der Branche. Die Kollegen des vorerst nicht mehr bockigen Fußballspi­elers bei der Eintracht sehen ohnehin keinen Grund dafür. „Filip hat sich bei uns nichts zuschulden kommen lassen“, stellte der Mitspieler Sebastian Rode fest. So geht der Fußball wieder zur Tagesordnu­ng über. Er ist eben ein Zirkus mit sehr eigenen Regeln. Geschriebe­n werden sie in erster Linie von Spielern und deren Beratern.

Unterschri­eben werden sie allerdings von den Vereinen – unter anderem mit unverlangt und voreilig verbreitet­en Ehrerkläru­ngen wie im Fall Kostic. Kein Wunder, wenn sich so mancher Fan mit Grausen abwendet. Auch so ein Streik bringt die Kundschaft auf den Baum.

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