Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Ein ermutigender Blick in die Wolken.
Waltrudis Dettmer brach sich in der Hochwassernacht den Fuß. Fünf Wochen lag sie im Krankenhaus und fotografierte die Wolken.
GRUNEWALD „Das ist doch ein Frosch. Eindeutig.“Waltrudis Dettmer deutet auf die Fotografie, die auf ihrem Handybildschirm sichtbar geworden ist. „Hier die Beinchen, dort der Kopf.“Und tatsächlich: Die Wolkenformation auf dem Foto scheint sich in einen Frosch zu verwandeln. Weiß auf blau. Als die 87-Jährige aus Grunewald im digitalen Fotoalbum weiterblättert, macht sie bei einem weiteren Bild Stopp: „Das ist mein Lieblingsfoto: ein süßes Teddygesicht.“Wieder haben die Wolken scheinbar verspielt für ein Motiv vor dem blauen Himmel gesorgt. Waltrudis Dettmer hat einen ganzen Fotoordner mit Wolkenbildern gefüllt – mit Tiermotiven, beeindruckenden Wolkenformationen und einem Regenbogen.
„Mich haben diese Bilder sehr ermutigt“, sagt die 87-Jährige. Und Mut hatte sie wirklich nötig: Gerade hatten sie im kleinen Kreis den Geburtstag ihres Mannes Bernd gefeiert, als sich das Unwetter angebahnt hatte. „Lustigerweise war das Tief Bernd für den Starkregen verantwortlich“, erinnert sich die 87-Jährige, lacht und weist auf den Vornamen ihres Mannes hin. In der Hochwassernacht hatte sie sich dann auf den Weg zur Waschmaschine gemacht und entdeckt, dass der Keller in ihrem Grunewalder Haus unter Wasser stand. Das Grundwasser hatte sich zum ersten Mal einen Weg in den Keller gesucht. Gemeinsam mit ihrem Mann versuchte sie dem Wasser Herr zu werden und es Richtung Abfluss zu kehren. „Dabei bin ich ausgerutscht und gefallen“, erzählt sie, „und mir war sofort klar, dass was gebrochen ist.“Der Rettungswagen brachte sie in der regnerischen Nacht ins Krankenhaus nach Wermelskirchen. Damals ahnte sie nicht, dass sie fünf Wochen lang würde bleiben müssen – die Blutergüsse mussten abheilen, komplizierte Operationen standen an.
Und während sie ihren Garten vermisste, den Blick aus dem Wohnzimmer auf die Vögel, ihr kleines Steinmuseum am Hang, die vielen Bäume, die in ihrem Garten in Grunewald Geschichten erzählen, fiel ihr Blick auf die schnell vorbeiziehenden Wolken am Himmel. „Ich konnte aus meinem Krankenhausbett von unten in den Himmel blicken“, erzählt sie, „die Fenster waren etwas höher gelegen.“Und sie begann zu fotografieren. Mit ihrem Handy hielt sie die Wolkenbilder fest und postete die Bilder bei WhatsApp. „Ich bekam so viele Rückmeldungen“, erzählt sie, „so dass ich immer weiter machte.“Den Blick für die schönen Dinge des Lebens hatte sie lange geschult. Früher waren auf ihrer Staffelei aufwendige Kunstwerke entstanden, Bilder von Pflanzen, italienischen Landschaften oder vom Waldspaziergang, die inzwischen Ehrenplätze im Haus bekommen haben.
Und nun, im Wermelskirchener Krankenhaus, das sie in höchsten Tönen lobt, entdeckte sie die Faszination der Natur an neuer Stelle. „In den Tagen nach dem Hochwasser boten sich am Himmel viele
Schauspiele“, erzählt sie. Mal waren es die Figuren und Gestalten, die ihr scheinbar zuzuwinken schienen. Ein anderes Mal wirkte es fast so, als wollten die Wolken explodieren und ihre Funken an den Himmel werfen. Dann wieder zogen dunkle Wolken auf, hinter denen die Sonne für ein kleines Spektakel sorgte. Waltrudis Dettmer hielt drauf. Sie verfasste kleine Texte zu ihren Bildern, schickte sie ihren Freunden und freute sich über die große Resonanz.
Und eines Tag zog dann der Regenbogen auf: „Ein Symbol voller Hoffnung und Zuspruch“, sagt sie. Waltrudis Dettmer lag in ihrem Krankenbett, spürte die Freude über die Erscheinung am Himmel und fotografierte, was das Zeug hielt.
Seit zwei Wochen ist die 87-Jährige nun wieder Zuhause. Ihren Fuß, der in einem aufwendigen Stiefel zur Stabilisierung steckt, darf sie noch kaum belasten. „Ohne meinen Mann würde ich das nicht schaffen“, sagt sie. Waltrudis Dettmer hat wieder ihren gemütlichen Platz am Fenster zum Garten eingenommen. Nun blickt sie wieder auf die Vögel, manchmal besucht sie auch ein Fuchs. Und gelegentlich macht sie sich vorsichtig auf den Weg zur Terrasse – um in die Wolken zu schauen.