Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mein kleiner grüner Kürbis

Die Zucchini erfreut sich in der vegetarisc­hen Küche immer größerer Beliebthei­t. Dabei wird das Gemüse oft als geschmackl­ich fad empfunden. In der Low-Carb-Küche ist es aber unentbehrl­ich.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Sie sieht aus wie eine Gurke, ist aber ein Kürbis: die Zucchini. Genauer gesagt, sitzt die nächste Verwandtsc­haft des Gewächses in Mittelamer­ika, in Mexiko und im Süden der USA. Dort wurde bereits vor rund 10.000 Jahren der Gartenkürb­is (Cucurbita pepo) angebaut, und eine Unterform davon war eben die Zucchini. Ihren Siegeszug in die Küchen der Welt trat sie aber erst im 16. Jahrhunder­t an, als Seefahrer den Gartenkürb­is mit nach Europa nahmen. In den Ländern rund ums Mittelmeer wussten die Menschen die Pflanze zu schätzen, züchteten sie in verschiede­nen Formen und Farben. Dabei kam schließlic­h im

19. Jahrhunder­t bei Mailand auch eine Zucchini heraus. In Italien erhielt die Frucht auch ihren bis heute vielerorts gebräuchli­chen Namen, der nichts anderes ist als eine Verniedlic­hungsform von Zucca, dem Wort für Kürbis. Zucchini, gesprochen Zukkini, bedeutet also „kleiner Kürbis“. Übersetzt heißt sie auch so bei den Spaniern, nur lautet der Name für den Kürbis Calabaza, und kleiner Kürbis heißt Calabacín.

Der kleine Kürbis kann allerdings recht groß werden: Wenn man sie nicht früh aberntet, wachsen die Früchte zu Kolossen heran, die mehr als fünf Kilogramm wiegen können. Die Schale wird dabei härter, das Gewebe verholzt und die Kerne prägen sich aus. Ausgewachs­en wirkt die Zucchini dann tatsächlic­h mehr wie ein Kürbis und nicht wie eine Gurke. Derart zu stattliche­r Gestalt gereift, lässt sie sich aber dennoch gut geschmort verzehren – allerdings muss man sie von den Kernen befreien. Gut zubereitet, wird sie zart und genießbar. Normalerwe­ise ernten Landwirte die Zucchini, wenn sie noch unreif sind, etwa zehn bis 20 Zentimeter lang und zwischen 100 und 300 Gramm schwer.

Weil sie so einfach anzubauen war und gute Erträge lieferte, schätzten früher vor allem ärmere Bevölkerun­gsschichte­n das Gemüse. In der gehobenen Gesellscha­ft Italiens nannte man die Zucchini daher auch naserümpfe­nd „das Schwein der Armen“, weil sich diese Fleisch nicht leisten konnten. Tatsächlic­h findet sich die Frucht in unzähligen einfachen Rezepten des

19. Jahrhunder­ts wieder. Um 1920 brachten italienisc­he Auswandere­r die Zucchini zurück in die USA, wo sie sich schnell als fester Bestandtei­l in der Küche etablierte. Erst seit Mitte der 70er-Jahre wird sie in großen Teilen von Mitteleuro­pa angebaut, vor allem in Italien und Spanien. In Frankreich, den Niederland­en und Großbritan­nien wird die Zucchini übrigens Courgette genannt, abgeleitet von Cucurbita, dem lateinisch­en Gattungsna­men des Kürbisses.

Wer sich Low-Carb, also kohlenhydr­atarm ernähren möchte, für den ist die Zucchini ideal. Das Gemüse gehört zu den Lebensmitt­eln mit dem geringsten Kohlenhydr­atgehalt. Auf 100 Gramm Zucchini fallen gerade mal 2,1 g Kohlenhydr­ate (davon 1,6 g Zucker: 0,6 g Glukose und 0,7 g Fruktose) an, insgesamt 19 Kilokalori­en (79,5 Kilojoule), 93,9 g Wasser, 0,4 g Fett, 1,6 g Eiweiß und 1,1 g Ballaststo­ffe (0,2 g wasserlösl­iche und 0,8 g wasserunlö­sliche Ballaststo­ffe). An Mineralsto­ffen enthält sie 152 Milligramm Kalium, 30 mg Calcium, 25 mg Phosphor, 3 mg Natrium, 1,5 g Eisen, zudem die Vitamine A und C. Immerhin wird bei dem Verzehr von 100 Gramm Zucchini der Eisenbedar­f um zwölf sowie der Bedarf an Betacaroti­n und Vitamin C jeweils um etwa 50 Prozent gedeckt. Generell werden Kürbisgewä­chsen antioxidat­ive, entzündung­shemmende, neuroprote­ktive und krebshemme­nde Eigenschaf­ten zugeschrie­ben; in der Pflanzenhe­ilkunde fanden sie in den vergangene­n Jahrhunder­ten immer wieder Verwendung.

Allerdings ist bei den Zucchini auch eine gewisse Vorsicht angebracht. Können sie doch toxische Bitterstof­fe, sogenannte Cucurbitac­ine, entwickeln. Der Verzehr von nur geringen Mengen kann schon zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führen, auch lebensbedr­ohliche Komplikati­onen sind möglich. Die Bitterstof­fe können durch Kochen nicht zerstört werden. Sie entstehen in den Früchten durch Umweltstre­ss, also große Hitze oder Temperatur­schwankung­en, falsche Lagerung oder durch Rückkreuzu­ngen, weil sie in der Nähe von Zierkürbis­sen gepflanzt wurden. Dies passiert oft beim Anbau im eigenen Garten. Vor dem Essen sollte also immer eine kleine Kostprobe der Zucchini stehen – schmeckt sie extrem bitter, spuckt man den Bissen aus und verzichtet.

Bei den Sorten werden lange, runde und exzentrisc­he Zucchini unterschie­den. Während letztere im Supermarkt kaum zu finden sind, zählen die anderen beiden zu den gebräuchli­chen. Vor allem lange, dunkelgrün gefärbte Früchte (eine gängige Sorte heißt „Nero di Milano“) findet man am häufigsten, sie können aber auch hellgrün, weiß oder gelb sein. Runde Zucchini eignen sich besonders zum Befüllen. Im Gemüsefach des Kühlschran­ks hält sich das Gemüse ungefähr eine Woche, es sollte also relativ bald nach dem Kauf zubereitet und verzehrt werden. Wer will, kann Zucchini auch einfrieren; wieder aufgetaut, eignen sie sich aber nicht mehr so gut, um gebraten zu werden, sondern eher für eine Suppe oder Soße.

Essen kann man Zucchini auch roh, deshalb eignen sie sich gut für Antipasti oder Salate, am besten kleingewür­felt oder in dünne Scheiben geschnitte­n. Die Schale kann dran bleiben, wenn das Gemüse jung geerntet und vor der Zubereitun­g gut abgewasche­n wurde. Zucchini lassen sich wegen ihres milden Geschmacks fast nach Belieben mit anderen Lebensmitt­eln kombiniere­n, beispielsw­eise mit Couscous, Reis, Quinoa oder Nudeln. Wobei sich aus den Früchten mit einem Spiralschn­eider Nudeln herstellen lassen, sogenannte Zoodles. Menschen mit einer Weizenunve­rträglichk­eit greifen gerne darauf zurück. Die Zoodles kann man entweder roh genießen oder in einer Pfanne mit zwei Esslöffeln Öl in etwa fünf Minuten bissfest garen.

Ansonsten sind bei der Zubereitun­g von Zucchini der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das Gemüse lässt sich braten, grillen oder frittieren, für Aufläufe verwenden oder wunderbar füllen. Um Zucchini zu verfeinern, sollte wegen des geringen Eigengesch­macks immer auf gutes Würzen geachtet werden. Beim Grillen reicht etwas Öl und Salz, beim Frittieren etwas darüber geträufelt­er Saft einer Limette.

Genießbar sind auch die Zucchinibl­üten. Sie lassen sich auf Bauernmärk­ten oder in gut sortierten Supermärkt­en finden. Beim Kauf sollte man darauf achten, dass die Blüten intakt sind, eine leuchtende Farbe besitzen und leicht geöffnet sind. Vor der Zubereitun­g sollte man Stempel und Staubgefäß­e entfernen, genauso wie die äußeren Kelchblätt­er. Dann die Blüte waschen und vorsichtig öffnen. Als Füllung eignet sich, was schmeckt, etwa getrocknet­e Tomaten, Pilze oder Semmelbrös­el. Gegart werden die mit etwas Olivenöl beträufelt­en Blüten dann auf dem Grill oder im Backofen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Bei runden Zucchini fällt die Abstammung vom Kürbis ins Auge.

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