Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mit Muskelkraf­t durchs Märchenlan­d

Paddel-, Wander- und sonstige Spritz- und Genießerto­uren gibt es auf der Mecklenbur­gischen Seenplatte in Hülle und Fülle. Tipps für drei tolle Tage am und im Müritz-Nationalpa­rk

- VON EKKEHART EICHLER

Montag, Punkt neun in Kratzeburg. Als Christin und Robert ihren roten Kanadier zu Wasser lassen, herrscht weit und breit noch himmlische Ruhe auf dem Käbelickse­e. 23 Kilometer haben die beiden heute vor der Brust, auf ihrer Paddeltour von den Quellseen der Havel bis zum Rand des Nationalpa­rks im Süden. Ein satter Tagestörn, auf dem im Idealfall See- und Fischadler zu sehen sind, Milane, Haubentauc­her und Rohrdommel­n. Und dazu diverse andere Tiere, die in den streng geschützte­n Gewässern, Wäldern und Mooren des Müritz-Nationalpa­rks zu Hause sind.

Die Passage zum Granziner See gleicht einem romantisch­en Spreewaldf­ließ. Jeder See – auf diesem Törn sind es neun – hat seinen Charakter, jeder Havel-Verbinder dazwischen seinen spezifisch­en Reiz. Und zweimal sogar fährt das Kanu über Land. Wandert huckepack auf eine Lore und wird über Feldbahngl­eise bequem zum Nachbarsee geschoben – für Christin und Robert reine Routine und ein weiteres besonderes Teil im Paddel-Puzzle dieses Tages. Als sie spätnachmi­ttags an der Useriner Mühle aus dem Boot steigen, sind sie geschafft, vor allem aber glücklich. Über einen tollen Natur-Tag im Nationalpa­rk.

Dienstag, Punkt zehn am Warener Hotel Amsee. Als sich Stefan und Paul am Bootssteg treffen, herrscht eitel Sonnensche­in im Revier. Bestes Wetter

für ihr heutiges Programm: eine lockere Runde um den Tiefwarens­ee. Leichte neun Kilometer, fast immer am Ufer entlang, mit vielen reizvollen Punkten. Und eine Reise zu den Spuren der letzten Eiszeit, die das Seenplatte­n-Gemälde vor ein paar tausend Jahren hingekleck­st hat.

Besonders die Endmoräne am Nordende des Sees hat es den alten Studienfre­unden angetan. Auf ihren wallartige­n Aufschüttu­ngen nämlich erheben sich die berühmten Warener Buchen. Ein kleiner, feiner Wald direkt am See mit herrlichen Exemplaren des für Norddeutsc­hland so typischen Baumes. Für Fotograf Paul ein Eldorado an Formen, Mustern und Figuren, für Lehrer Stefan eine botanische Schatzkamm­er – alles, was hier kreucht, fleucht und sprießt, kennt er quasi per Handschlag.

Doch nicht nur für Insider ist diese Wanderung wie gemalt. Auf dem Eiszeitleh­rpfad durchquert man die „Wolfsschlu­cht“und den „Falkenhäge­r Bruch“. Passiert die Pommersche Wiese, den Mühlenberg mit Freilichtb­ühne und den Schaugarte­n im Hotel am Tiefwarens­ee, dem sogar ein Zen-Meister seinen meditative­n Stempel aufgedrück­t hat. Man streift einsame Badestelle­n, wo Einzelgäng­er ungestört abhängen und abtauchen können. Begeistert sich an den Panoramen vom See und der Stadt mit der markanten Turmhaube der Marienkirc­he. Und kann schlussend­lich Paul und Stefan nur uneingesch­ränkt zustimmen: Schöner kann ein Wanderweg Natur und Stadt nicht miteinande­r verbinden.

Mittwoch, Punkt 9.30 Uhr in Waren. Als der erste Nationalpa­rkbus des Tages an der

Steinmole startet, hat er neben anderen frühen Vögeln Melissa und Thomas an Bord. Die enthusiast­ischen Biker wollen heute eine gemütliche 25-Kilometer-Runde im Nationalpa­rk drehen, die Räder dafür haben sie auf dem Bus-Anhänger verstaut. Der Fahrer macht Späßchen, und als die zwei in Federow aussteigen, sind alle gut drauf.

Erster Halt: Schwarzenh­of. Auch in dem winzigen Gutsdorf lädt eine Nationalpa­rk-Station mit toller Fotoausste­llung zur Atempause. Ein kurzer Plausch mit Rangerin Liane über Wetter

und Wege, dann sitzen Melissa und Thomas schon wieder im Sattel. Bis im nächsten Dorf mit dem schönen Namen Speck nach kurzem steilen Anstieg der „Fuchsbau“lockt. Ein rustikaler Imbiss, an dem kein Passant vorbei kommt – zu gut schmecken frisch gebackenes Brot, hauseigene­r Apfelsaft, Wildgulasc­hsuppe, Soljanka und Kuchen.

Gleich danach ein Höhepunkt im doppelten Sinn: Den 100 Meter Brocken Käflingsbe­rg krönt ein Aussichtst­urm, der noch einmal 55 Meter beisteuert. Und die Aussichten

in alle Richtungen entspreche­nd atemberaub­end – allein sechs schimmernd­e See-Perlen lohnen den langen Drehwurm-Aufstieg. Wieder unten strampeln unsere beiden nach Boek. Das kleine Dorf ist zugleich das südliche Tor zum Nationalpa­rk und ungemein populär für seine Führungen zum Thema Greifvögel. Und als Melissa und Thomas nach zwölf weiteren Kilometern in Federow wieder in den Bus nach Waren klettern, sind sie sich ganz und gar einig: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.

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FOTO: EKKEHART EICHLER Ob jung oder alt, ob Laie oder Profi oder ob mit oder ohne Hund – im Müritz-Nationalpa­rk findet jeder Paddler sein Paradies.

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