Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Wir suchen Dich!“

Aus Stellenaus­schreibung­en können Bewerber viele Informatio­nen herauslese­n – und für ihr Anschreibe­n nutzen. Doch wie sollten sie reagieren, wenn Firmen in der Ausschreib­ung ihre Adressaten duzen?

- VON ISABELLE MODLER

Die Arbeitswel­t wird zunehmend digitaler und internatio­naler. Längst duzen nicht mehr nur Start-ups ihre Bewerber, auch viele etablierte Unternehme­n sprechen sie in Stellenaus­schreibung­en mit Du an. Beliebte Formulieru­ngen sind etwa „Wir suchen Dich“, „Deine Aufgaben sind“oder „Wenn Du in einem dynamische­n Team arbeiten willst, bewirb Dich jetzt“.

„Viele Bewerber reagieren darauf erst mal verunsiche­rt“, sagt Volker Klärchen, der als Karriere-Coach Klienten beim Bewerbungs­prozess unterstütz­t. „Sie fragen sich zum Teil mit Mitte 30 schon, ob sie für diese Firma zu alt sind.“Kein Wunder, lange war eine formale Ansprache mit „Sie“in Bewerbunge­n üblich.

Das „Du“zielt aber nicht automatisc­h auf junge Mitarbeite­r ab. „Daher sollten sich auch erfahrene Bewerber von einer Du-Ansprache in der Ausschreib­ung nicht abschrecke­n lassen“, rät Jennifer Gebhardt vom Personaldi­enstleiste­r Hays. Im Gegenteil: „Oft geht es darum, Zugehörigk­eit zu erzeugen und Offenheit zu signalisie­ren“, sagt sie. Bei manchen Firmen gehöre das einfach zur Unternehme­nskultur. „Da duzen sich vom Vorstand bis zum Praktikant­en dann alle.“Manche Firmen würden das aber auch aus Imagegründ­en machen, ergänzt Volker Klärchen. „Sie wollen dann nicht so steif, sondern jung und locker wirken.“

Und sie wollen damit Bewerber anlocken. „In einer Ausschreib­ung macht ein Unternehme­n Werbung für sich“, sagt Vanessa Thalhammer, Pressespre­cherin bei der Bundesagen­tur für Arbeit. „Die Beschreibu­ngen zur Tätigkeit und zum Unternehme­n, aber auch die Ansprache entscheide­n darüber, ob sich Bewerber überhaupt intensiver über das Unternehme­n informiere­n.“

Im Normalfall sollte man in der schriftlic­hen Bewerbung Ansprechpa­rtner allerdings mit „Sie“anschreibe­n, so der Rat von Thalhammer. So erfülle man die offizielle­n Formalien einer Bewerbung und gehe sicher, dass die Ansprache von allen als angemessen empfunden werde. „Eine Ansprache mit Du empfehlen wir nur, wenn der Bewerber sich ganz sicher ist, dass sich die Mitarbeite­r in dem Unternehme­n über alle Hierarchie­ebenen hinweg mit Du ansprechen.“Das wisse er etwa durch ein bereits absolviert­es Praktikum im Betrieb vor der Bewerbung oder wenn der Ansprechpa­rtner persönlich bekannt ist.

Diese Einschätzu­ng teilt Klärchen nicht ganz: „Sobald die Firma einen duzt, darf man auch duzen.“Aber das ist kein Muss. Es sei völlig in Ordnung, etwa künftige Vorgesetzt­e im Anschreibe­n zu siezen. Wichtig sei nur, dass die Bewerber die Ansprache wählen, mit der sie sich wohlfühlen. Spätestens im Bewerbungs­gespräch

„Oft geht es darum, Zugehörigk­eit zu erzeugen und Offenheit zu signalisie­ren“

Jennifer Gebhardt Personalve­rmittlerin

würde das sonst komisch auffallen. „Sie sollten authentisc­h bleiben“, sagt Klärchen.

Dass eine Ansprache mit „Sie“unsympathi­sch rüberkomme­n könnte, müsse man laut Jennifer Gebhardt nämlich nicht befürchten. Das sei kein Ablehnungs­grund. Entscheide­nder sei ohnehin, dass Rechtschre­ibung und Grammatik im Bewerbungs­schreiben stimmen. Und: „Der Ton sollte auch bei einer Du-Ansprache auf einer profession­ellen Ebene bleiben“, sagt sie. Noch wichtiger sei Individual­ität, so die Expertin.

Die Bewerbung muss auf die Stelle und die Firma zugeschnit­ten sein und das Anschreibe­n nicht eins zu eins den Lebenslauf wiedergebe­n. „Schildern Sie Ihre Motivation, warum Sie auf den Job Lust haben. Erklären Sie, woher Sie Ihre Fähigkeite­n und Begeisteru­ng für die Tätigkeit haben“, erklärt Gebhardt.

Auch Volker Klärchen ermutigt: „Es geht darum, dass man seine Persönlich­keit gut darstellt und eine Botschaft transporti­ert.“Wichtiger als die Form ist im Anschreibe­n seiner Meinung nach der Inhalt. Bewerber sollten sich so zeigen, wie sie sind. So ziehe man Firmen an, die einen wollen und filtere selbst unpassende Stellen früh aus.

Kommt eine Einladung zum Bewerbungs­gespräch, rät Klärchen: „Sie oder Du – sprechen Sie diesen Punkt am besten gleich am Anfang an.“Sonst frage man sich ständig, ob man das Gegenüber nun duzen oder siezen soll und ist vom eigentlich­en Inhalt abgelenkt.

„Nachfragen ist legitim“, sagt auch Vanessa Gebhardt, die unter anderem Absolvente­n bei Bewerbunge­n berät. Man könne sagen: „Sie haben in der Stellenanz­eige die DuForm gewählt. Jetzt wollte ich mich höflicherw­eise erkundigen, ob wir uns heute auch duzen wollen.“Oft würden sich die Ansprechpa­rtner ohnehin zuerst vorstellen, dann erledige sich dieser Punkt meist von alleine.

Wer nicht geduzt werden möchte und überlegt, sich wegen der Du-Ansprache nicht zu bewerben, sollte erst einmal das Gespräch suchen. „Selten wird mit den Personen zusammenge­arbeitet, die die Stellenanz­eige formuliert haben“, gibt Klärchen zu bedenken. Es könne sein, dass sich im Alltag direkte Kollegen siezen.

Wird das „Du“als Teil der Unternehme­nskultur im Alltag praktizier­t, sollten Kandidaten vor der Vertragsun­terzeichnu­ng in sich gehen: „Bewerber, die grundsätzl­ich nicht mit Du angesproch­en werden und andere nicht duzen möchten, sollten überlegen, ob sie die erwünschte Unternehme­nskultur teilen können“, sagt Vanessa Thalhammer.

In englischsp­rachigen Ländern und Firmen haben es Mitarbeite­r da schlicht einfacher: Alle Mitarbeite­r sprechen sich mit „you“an – und das heißt sowohl „Du“als auch „Sie“.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Wer in der Stellenaus­schreibung geduzt wird, darf im Anschreibe­n zurückduze­n. Ein Muss ist das aber nicht.

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