Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Mentale Nachhilfe für die CDU

- VON DOROTHEE KRINGS

Gerade tritt Angela Merkel im Wahlkampf auf wie der scheidende Trainer eines Teams, das trotz hoher Erwartunge­n in eine Serie von Niederlage­n geraten ist und mental schwächelt. Bei der letzten Sitzung der Unionsfrak­tion vor der Bundestags­wahl hat sie ihre Partei zu mehr Selbstbewu­sstsein aufgerufen und dabei – wie es Trainer in solchen Fällen tun – glorreiche­re Zeiten beschworen. Sie berief sich auf den verstorben­en CDU-Generalsek­retär Heiner Geißler. Der habe gesagt, man könne andere nur überzeugen, wenn man an sich selbst glaube.

Natürlich ist das wahr. Wenn viel schiefläuf­t, muss man innehalten und sich seine Stärken bewusst machen. So kann man die Dynamik der Abwärtsspi­rale, die auch alles Gute in den Abgrund reißt, brechen. Doch Motivation­sreden müssen Trainer im engsten Spielerkre­is halten. Sobald sie an die Öffentlich­keit dringen, verraten sie den Zustand der Mannschaft. Und so verrät auch Merkels Appell, wie groß die Ratlosigke­it angesichts der aktuellen Umfragewer­te ist. Erstmals ist die Union laut Forsa unter 20 Prozent gerutscht. Immer neue Tiefstände verstärken den Eindruck der ungebremst­en Talfahrt. Viel zu spät hat Kanzlerkan­didat Armin Laschet auf Angriff umgeschalt­et und den Kampf gegen Rot-Rot-Grün ausgerufen. Mit Umfragen will er sich nicht mehr beschäftig­en. Tatsächlic­h sind die anfällig, vorübergeh­ende Stimmungen zu verstärken.

Bei der eigentlich­en Wahl spielen aber auch Faktoren wie Tradition, Gewohnheit, Milieu eine Rolle. Doch darauf zu bauen, zeugt eben nicht von jenem Glauben an sich selbst, wie ihn Merkel ihrer Partei gern verordnen würde. Es zeugt vielmehr von Trotz und einer vagen Hoffnung, die Wahl werde schon gut ausgehen. Man kann sich ausmalen, was ein angriffslu­stiger Stratege wie Heiner Geißler dazu gesagt hätte.

BERICHT BALZTANZ UM DIE MACHT, POLITIK

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