Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Mentale Nachhilfe für die CDU
Gerade tritt Angela Merkel im Wahlkampf auf wie der scheidende Trainer eines Teams, das trotz hoher Erwartungen in eine Serie von Niederlagen geraten ist und mental schwächelt. Bei der letzten Sitzung der Unionsfraktion vor der Bundestagswahl hat sie ihre Partei zu mehr Selbstbewusstsein aufgerufen und dabei – wie es Trainer in solchen Fällen tun – glorreichere Zeiten beschworen. Sie berief sich auf den verstorbenen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Der habe gesagt, man könne andere nur überzeugen, wenn man an sich selbst glaube.
Natürlich ist das wahr. Wenn viel schiefläuft, muss man innehalten und sich seine Stärken bewusst machen. So kann man die Dynamik der Abwärtsspirale, die auch alles Gute in den Abgrund reißt, brechen. Doch Motivationsreden müssen Trainer im engsten Spielerkreis halten. Sobald sie an die Öffentlichkeit dringen, verraten sie den Zustand der Mannschaft. Und so verrät auch Merkels Appell, wie groß die Ratlosigkeit angesichts der aktuellen Umfragewerte ist. Erstmals ist die Union laut Forsa unter 20 Prozent gerutscht. Immer neue Tiefstände verstärken den Eindruck der ungebremsten Talfahrt. Viel zu spät hat Kanzlerkandidat Armin Laschet auf Angriff umgeschaltet und den Kampf gegen Rot-Rot-Grün ausgerufen. Mit Umfragen will er sich nicht mehr beschäftigen. Tatsächlich sind die anfällig, vorübergehende Stimmungen zu verstärken.
Bei der eigentlichen Wahl spielen aber auch Faktoren wie Tradition, Gewohnheit, Milieu eine Rolle. Doch darauf zu bauen, zeugt eben nicht von jenem Glauben an sich selbst, wie ihn Merkel ihrer Partei gern verordnen würde. Es zeugt vielmehr von Trotz und einer vagen Hoffnung, die Wahl werde schon gut ausgehen. Man kann sich ausmalen, was ein angriffslustiger Stratege wie Heiner Geißler dazu gesagt hätte.
BERICHT BALZTANZ UM DIE MACHT, POLITIK