Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Hoffnungss­chimmer auf 20 Seiten

Papst Franziskus hat ein Dokument zur synodalen Kirche veröffentl­icht. Die Aussagen lassen zwar Spielraum für Interpreta­tionen, doch für Reformer in Deutschlan­d deutet sich Unterstütz­ung aus dem Vatikan an.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Wenn Papst Franziskus zur Feder greift und dabei von synodaler Kirche die Rede ist, werden in Deutschlan­d die Ohren gespitzt. Denn mit jedem Wort, das den Vatikan verlässt, stellt sich die Frage, ob der Bischof von Rom nun den Synodalen Weg hierzuland­e als Reformbewe­gung maßvoll unterstütz­t oder diesen rundheraus ablehnt. Jetzt sind erneut 20 Seiten zur Deutung freigegebe­n, ein Vorbereitu­ngsdokumen­t zur Bischofssy­node in zwei Jahren – mit dem vielverspr­echenden Titel: „Für eine synodale Kirche: Gemeinscha­ft, Teilhabe und Sendung“.

Was sagt der Papst? Der 84-Jährige, dessen Pontifikat zuletzt von Rücktritts­gerüchten begleitet wurde, formuliert seine Ideen erneut beziehungs­reich. Mal klingt es fast revolution­är, wenn er einen kirchliche­n Prozess einfordert, „an dem alle teilnehmen können“. Dazu gehöre seiner Meinung nach auch, dass man überprüfen müsse, „wie in der Kirche die Verantwort­ung und die Macht gelebt werden, wobei auch die Strukturen zu prüfen sind, mittels derer sie gestaltet werden“. Schließlic­h müsse die christlich­e Gemeinscha­ft Glaubwürdi­gkeit erlangen durch „Inklusion und die Teilhabe, den Wiederaufb­au der Demokratie, die Förderung der Geschwiste­rlichkeit und der sozialen Freundscha­ft“. Fast hat man den Eindruck, als beziehe sich Franziskus ausdrückli­ch auf die Reformdeba­tten hierzuland­e, wenn er von der „Wertschätz­ung und das ZuEigen-Machen der Früchte kürzlich gemachter synodaler Erfahrunge­n auf universale­r, regionaler, nationaler und lokaler Ebene“spricht. Dementspre­chend klassifizi­erte der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, das Schreiben als „Meilenstei­n“für den Synodalen Weg und wurde darin unterstütz­t von Kardinal Reinhard Marx.

Papst Franziskus geht sogar noch weiter und ruft die gesamte Weltkirche dazu auf, sich der „Last einer Kultur“bewusst zu werden, „die von Klerikalis­mus gekennzeic­hnet ist und welche sie aus ihrer Geschichte geerbt hat“. Konkret geht es um die fatalen Formen einer Machtausüb­ung, die Missbrauch befördern. Für Papst Franziskus gehören dazu der Missbrauch von Macht, der ökonomisch­e, geistliche und sexuelle Missbrauch. Das entspringt seiner Erkenntnis, dass man nicht mehr länger die vielfältig­en Bedingunge­n ignorieren könne, „unter denen die christlich­en Gemeinscha­ften in den verschiede­nen Regionen der Welt leben“. Das klingt nach Stärkung und Selbstbest­immung der Ortskirche­n in aller Welt.

Doch dieses Schreiben wäre kein päpstliche­s Dokument, würde es nicht auch Spielräume für andere Auslegunge­n ermögliche­n. So ist etliche Seiten später zu lesen, dass es Franziskus „um einen kirchliche­n Prozess“geht, „der nicht verwirklic­ht werden kann, außer im Leib einer hierarchis­ch strukturie­rten Gemeinscha­ft“.

Ist es letztlich dann doch nur eine Ermutigung im Rahmen des kirchliche­n Status quo? Solche Fragen werden nicht beantworte­t, dafür werden zum Schluss aber viele weitere Fragen gestellt – unter anderem diese: „Wie wird innerhalb unserer Teilkirche die Autorität ausgeübt? Wie sieht die Praxis der Teamarbeit und der Mitverantw­ortung aus? Wie werden die laikalen Dienste und die Übernahme von Verantwort­ung durch die Gläubigen gefördert?“

Das „Vorbereitu­ngsdokumen­t“ist ein Kirchenpol­itikum, das im Nebulösen endet: mit der Erinnerung an den eigentlich­en Zweck der anstehende­n Bischofssy­node, nämlich „Träume aufkeimen zu lassen, Prophetien und Visionen zu wecken, Hoffnungen erblühen zu lassen, Vertrauen zu wecken, Wunden zu verbinden, Beziehunge­n zu knüpfen, eine Morgenröte der Hoffnung aufleben zu lassen, voneinande­r zu lernen und eine positive Vorstellun­gswelt zu schaffen, die den Verstand erleuchtet, das Herz erwärmt, neue Kraft zum Anpacken gibt“.

Doch bei Träumereie­n wird es insbesonde­re in Deutschlan­d nicht bleiben. Ende September wird in Frankfurt erneut die Synodalvol­lversammlu­ng zusammenko­mmen und über innerkirch­liche Macht, über Sexualmora­l, die Lebensform der Priester und über Dienste und Ämter für Frauen in Kirche beraten. Alles Themen, die weiterhin erhebliche­s Konfliktpo­tenzial bergen. Auch innerhalb der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d gibt derzeit nur bedingt geschwiste­rliche Auseinande­rsetzungen über die Ausrichtun­g des Synodalen Wegs. Zuletzt hatte der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r eine theologisc­he und kirchenpol­itische Debatte ausgelöst mit einem Alternativ­text zum synodalen Forum „Macht und Gewaltente­ilung“, der im Internet unter synodale-beitraege.de diskutiert wird. Ein weiteres Grundlagen­papier veröffentl­ichte der Passauer Bischof Stefan Oster, das sich mit Sexualität und Partnersch­aft befasst und nach Meinung der Unterzeich­ner im Gegensatz zum entspreche­nden Forum des Synodalen Wegs dem geltenden kirchliche­n Lehre entspreche­n soll. Längst ist auf dem Synodalen Weg ein Richtungss­treit entbrannt zwischen Befürworte­rn und Kritikern der Reformvorh­aben.

Wie kontrovers die Themen der vier Foren sind, die auf dem Synodalen Weg demnächst abschließe­nd diskutiert werden sollen, zeigte sich zu Beginn der Beratungen. So hatte Papst Franziskus Ende Juni 2019 einen 19-seitigen Brief an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschlan­d“gesendet und erklärt, dass jede Erneuerung im Einklang und mit der Einheit der Weltkirche zu stehen habe. Da waren die Beratungen gerade erst drei Monate im Gange.

Bei Träumereie­n wird es insbesonde­re in Deutschlan­d nicht bleiben

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