Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Rechnungsprüfer kanzeln das Land ab
NRW habe sich so stark verschuldet wie noch nie zuvor. Die Rechnungshof-Präsidentin Brigitte Mandt warnt vor einem falschen Einsatz der Mittel und fordert klare Rückzahlungsmodalitäten.
DÜSSELDORF Die Prüfer des Landesrechnungshofs haben der schwarzgelben Regierung schwere Vorwürfe mit Blick auf den kreditfinanzierten Corona-Rettungsschirm gemacht. Das Land habe nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft und etwa die sogenannte allgemeine Rücklage in Höhe von zwei Milliarden Euro aufgelöst, ehe es die Schulden für den Schirm aufgenommen habe, sagte Rechnungshof-Präsidentin Brigitte Mandt am Dienstag in Düsseldorf. Das Finanzministerium habe nur 612 Millionen Euro aus der Rücklage verwendet. Auch die Ankündigung der Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), in den kommenden Jahren rund 1,4 Milliarden Euro daraus zu entnehmen, reichten Mandt nicht. Es sehe so aus, als nutzte die Landesregierung die allgemeine Rücklage als eine Art Spardose. „Zur Reduzierung der Kreditaufnahme für den NRW-Rettungsschirm sehen wir eine unverzügliche und vor allem auch vollumfängliche Auflösung der allgemeinen Rücklage als dringend erforderlich an“, sagte sie. Es müsse zudem sichergestellt werden, dass die Mittel des insgesamt 25 Milliarden Euro umfassenden Rettungsschirms ausreichten, oder besser noch: nicht voll in Anspruch genommen würden.
Auch die Ausweisung des Rettungsschirms als eigenständiges Konstrukt bezeichnete Landesrechnungshof-Präsidentin Brigitte
Mandt als „irreführend“. Denn tatsächlich habe NRW mit den aufgenommenen Krediten in Höhe von 11,2 Milliarden Euro eine in der Geschichte nie erreichte Nettoneuverschuldung vorgenommen und komme nun auf einen Rekordschuldenstand von insgesamt 155 Milliarden Euro. „Die Haushaltslage des Landes hat sich durch die Kreditaufnahme dramatisch verschlechtert“, warnte sie. „Es gilt zu verhindern, dass die Corona-Pandemie überwiegend zulasten künftiger Generationen bekämpft wird und dadurch ihre finanzpolitischen Handlungsspielräume gravierend eingeschränkt werden.“Allein die in den Jahren 2018 und 2019 entstandenen Finanzierungsüberschüsse von insgesamt rund 2,8 Milliarden Euro seien statt zur Schuldentilgung weitgehend zur Bildung von Reserven eingesetzt worden.
Schon zu Beginn der Woche hatte der Oppositionsführer im Landtag, Thomas Kutschaty (SPD), das Land scharf für den Umgang mit dem Rettungsschirm kritisiert. Der SPDFraktionschef hatte dabei erklärt, der Rettungsschirm sei in großen Teilen „eine Nebenkasse zur Entlastung der Buchhaltung“von Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU). Wenn auch weniger drastisch, so zielte der Vorwand von Rechnungshof-Präsidentin Mandt zumindest in eine ähnliche Richtung. Sie forderte, die Mittel des NRW-Rettungsschirms nur zu nutzen, „wenn der Verursachungszusammenhang zwischen den beabsichtigten Ausgaben und der Corona-Pandemie belegt ist“. Zugleich forderte sie das Land auf, einen Tilgungsplan aufzustellen, der mit eindeutigen zeitlichen sowie betragsmäßigen Vorgaben ausgestaltet sei. Den Zeitraum für die Rückzahlung bezeichnete sie als eindeutig zu lang. „In die Tilgung soll 2024 mit einer ersten Rate in Höhe von 200 Millionen eingestiegen werden. Bei Ausschöpfung des Rettungsschirms ergäbe sich bis 2070 ein Tilgungsbetrag von jährlich 541 Millionen Euro.“Eine Tilgung in einer annähernd vergleichbaren Höhe sei dem Land erst einmal – nämlich 2018 – gelungen und das unter deutlich günstigeren Rahmenbedingungen. Mandt: „Es gibt also jetzt eine Zielmarke, die nicht ohne Weiteres zu erreichen sein wird.“
Die harsche Kritik des Landesrechnungshofs fällt in die Woche, in der der Etat für das Jahr 2022 in den Landtag eingebracht wird. Den Entwurf bezeichneten Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul als einen „Haushalt der verpassten Chancen“, der die Ambitionslosigkeit der Landesregierung ausdrücke, die Zukunftschancen anzugehen.
Auch sie kritisierte den Umgang mit dem Corona-Rettungsschirm, sprach von „Mitnahmeeffekten vonseiten der Landesregierung“, während sie in anderen Bereichen wie etwa bei den Kommunen die Möglichkeiten des Rettungsschirms zum Ausgleich für coronabedingte Mindereinnahmen nicht verwende, so die Grünen-Politikerin.