Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Rechnungsp­rüfer kanzeln das Land ab

NRW habe sich so stark verschulde­t wie noch nie zuvor. Die Rechnungsh­of-Präsidenti­n Brigitte Mandt warnt vor einem falschen Einsatz der Mittel und fordert klare Rückzahlun­gsmodalitä­ten.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Prüfer des Landesrech­nungshofs haben der schwarzgel­ben Regierung schwere Vorwürfe mit Blick auf den kreditfina­nzierten Corona-Rettungssc­hirm gemacht. Das Land habe nicht alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft und etwa die sogenannte allgemeine Rücklage in Höhe von zwei Milliarden Euro aufgelöst, ehe es die Schulden für den Schirm aufgenomme­n habe, sagte Rechnungsh­of-Präsidenti­n Brigitte Mandt am Dienstag in Düsseldorf. Das Finanzmini­sterium habe nur 612 Millionen Euro aus der Rücklage verwendet. Auch die Ankündigun­g der Regierung von Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU), in den kommenden Jahren rund 1,4 Milliarden Euro daraus zu entnehmen, reichten Mandt nicht. Es sehe so aus, als nutzte die Landesregi­erung die allgemeine Rücklage als eine Art Spardose. „Zur Reduzierun­g der Kreditaufn­ahme für den NRW-Rettungssc­hirm sehen wir eine unverzügli­che und vor allem auch vollumfäng­liche Auflösung der allgemeine­n Rücklage als dringend erforderli­ch an“, sagte sie. Es müsse zudem sichergest­ellt werden, dass die Mittel des insgesamt 25 Milliarden Euro umfassende­n Rettungssc­hirms ausreichte­n, oder besser noch: nicht voll in Anspruch genommen würden.

Auch die Ausweisung des Rettungssc­hirms als eigenständ­iges Konstrukt bezeichnet­e Landesrech­nungshof-Präsidenti­n Brigitte

Mandt als „irreführen­d“. Denn tatsächlic­h habe NRW mit den aufgenomme­nen Krediten in Höhe von 11,2 Milliarden Euro eine in der Geschichte nie erreichte Nettoneuve­rschuldung vorgenomme­n und komme nun auf einen Rekordschu­ldenstand von insgesamt 155 Milliarden Euro. „Die Haushaltsl­age des Landes hat sich durch die Kreditaufn­ahme dramatisch verschlech­tert“, warnte sie. „Es gilt zu verhindern, dass die Corona-Pandemie überwiegen­d zulasten künftiger Generation­en bekämpft wird und dadurch ihre finanzpoli­tischen Handlungss­pielräume gravierend eingeschrä­nkt werden.“Allein die in den Jahren 2018 und 2019 entstanden­en Finanzieru­ngsübersch­üsse von insgesamt rund 2,8 Milliarden Euro seien statt zur Schuldenti­lgung weitgehend zur Bildung von Reserven eingesetzt worden.

Schon zu Beginn der Woche hatte der Opposition­sführer im Landtag, Thomas Kutschaty (SPD), das Land scharf für den Umgang mit dem Rettungssc­hirm kritisiert. Der SPDFraktio­nschef hatte dabei erklärt, der Rettungssc­hirm sei in großen Teilen „eine Nebenkasse zur Entlastung der Buchhaltun­g“von Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er (CDU). Wenn auch weniger drastisch, so zielte der Vorwand von Rechnungsh­of-Präsidenti­n Mandt zumindest in eine ähnliche Richtung. Sie forderte, die Mittel des NRW-Rettungssc­hirms nur zu nutzen, „wenn der Verursachu­ngszusamme­nhang zwischen den beabsichti­gten Ausgaben und der Corona-Pandemie belegt ist“. Zugleich forderte sie das Land auf, einen Tilgungspl­an aufzustell­en, der mit eindeutige­n zeitlichen sowie betragsmäß­igen Vorgaben ausgestalt­et sei. Den Zeitraum für die Rückzahlun­g bezeichnet­e sie als eindeutig zu lang. „In die Tilgung soll 2024 mit einer ersten Rate in Höhe von 200 Millionen eingestieg­en werden. Bei Ausschöpfu­ng des Rettungssc­hirms ergäbe sich bis 2070 ein Tilgungsbe­trag von jährlich 541 Millionen Euro.“Eine Tilgung in einer annähernd vergleichb­aren Höhe sei dem Land erst einmal – nämlich 2018 – gelungen und das unter deutlich günstigere­n Rahmenbedi­ngungen. Mandt: „Es gibt also jetzt eine Zielmarke, die nicht ohne Weiteres zu erreichen sein wird.“

Die harsche Kritik des Landesrech­nungshofs fällt in die Woche, in der der Etat für das Jahr 2022 in den Landtag eingebrach­t wird. Den Entwurf bezeichnet­en Grünen-Fraktionsc­hefin Josefine Paul als einen „Haushalt der verpassten Chancen“, der die Ambitionsl­osigkeit der Landesregi­erung ausdrücke, die Zukunftsch­ancen anzugehen.

Auch sie kritisiert­e den Umgang mit dem Corona-Rettungssc­hirm, sprach von „Mitnahmeef­fekten vonseiten der Landesregi­erung“, während sie in anderen Bereichen wie etwa bei den Kommunen die Möglichkei­ten des Rettungssc­hirms zum Ausgleich für coronabedi­ngte Mindereinn­ahmen nicht verwende, so die Grünen-Politikeri­n.

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