Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Debatte um Cannabis-Obergrenze
Die Drogenbeauftragte schlägt sechs Gramm als Limit für den Eigenbedarf vor.
DÜSSELDORF/BERLIN Die Legalisierung von Cannabis wird in Deutschland immer wieder diskutiert. Die Regelungen – etwa zu Eigenbedarfsmengen – sind in den Bundesländern unterschiedlich. Zuletzt hat sich die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) dafür ausgesprochen, den Besitz kleiner Mengen nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, sondern als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Damit wären nur noch Bußgelder, aber keine Geld- und Freiheitsstrafen mehr möglich; Polizei und Justiz könnten entlastet werden. Ludwig sprach sich für einen Grenzwert von sechs Gramm aus. In einigen Ländern gelten aber längst höhere Obergrenzen. In Nordrhein-Westfalen wird beim Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabis häufig auf eine Strafverfolgung verzichtet, wenn klar ist, dass es sich um eine Menge für den Eigenbedarf handelt – die Staatsanwaltschaft entscheidet das je nach Einzelfall. „Die in NRW geltenden Richtwerte haben sich grundsätzlich bewährt“, sagt der SPD-Innenexperte Hartmut Ganzke. „Bei geringen Mengen bis zu dieser Größenordnung und reinem Eigenverbrauch ohne Fremdgefährdung besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung.“Bei einer Absenkung des Richtwerts würde die Justiz mit vielen zusätzlichen Verfahren belastet werden, „zum Nachteil für die Erledigung zahlreicher anderer dringender Aufgaben“, wie Ganzke sagt. Die SPD im Bund fordert eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. Grüne, FDP und Linke sind für eine Legalisierung von Cannabis – ebenfalls mit kontrollierter Freigabe. Union und AfD lehnen das ab.
Die Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordnete Angela Erwin sagte unserer Redaktion: „Der Vorschlag der Bundesdrogenbeauftragten ist sehr differenziert zu betrachten. Die Forderung, Drogendelikte zukünftig nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, lehnen wir entschieden ab.“Gleiches gelte für eine grundsätzliche Legalisierung von Cannabis: „Allenfalls kann darüber nachgedacht werden, ob die zulässige Menge des Eigenbedarfs, die auch für die Frage einer strafrechtlichen Verfahrenseinstellung relevant ist, von zehn Gramm auf sechs Gramm abgesenkt werden kann.“Für die Grünen wäre das ein Rückschritt. „Um den Konsum von Cannabis zu entkriminalisieren, muss ein höherer Eigenbedarf erlaubt sein“, sagt Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag. „Statt mit plumper Verbots- und Bevormundungsrhetorik Politik zu machen, brauchen wir eine liberale, aufgeklärte und sachorientierte Drogenpolitik.“
Kathleen Otterbach ist bei der Düsseldorfer Drogenhilfe für die Bereiche Beratung und Prävention zuständig. Ihr geht der Vorschlag der Bundesdrogenbeauftragten, den Besitz geringer Cannabis-Mengen als Ordnungswidrigkeit einzustufen, nicht weit genug: „Auch wenn Rechtssicherheit gut und wichtig ist, zur Zeit haben wir nämlich einen uneinheitlichen Flickenteppich an Regelungen in Deutschland“, sagt sie. „Wir fordern darüber hinaus eine regulierte Abgabe an Erwachsene in Fachgeschäften und wünschen uns die Möglichkeit, von sogenannten Cannabis Social Clubs für den nicht kommerziellen Verkauf.“Aus Sicht des Düsseldorfer Vereins braucht es hierfür keine Modellprojekte mehr, es gebe international genug Erfahrung. Eine regulierte Abgabe führe zu Produktsicherheit; außerdem sei sichergestellt, dass die Konsumenten beraten würden. „Es wird dadurch auch weniger organisierte Kriminalität geben“, sagte Otterbach. Für einen legalen Kauf von Cannabis dürfe es aber – wie für andere Suchtstoffe auch – keine Werbung geben. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert schon seit längerem, den Cannabis-Konsum in das Ordnungswidrigkeitenrecht zu überführen und den Fokus der Strafverfolgungsbehörden auf die organisierte Rauschgiftkriminalität zu verstärken.