Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wo kommt all das Geld her?

Corona-Krise, Flut-Hilfen oder Ganztagsbe­treuung – der Bund kleckert nicht, sondern klotzt seit Anfang 2020. Wie geht das eigentlich?

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Ob es um die Corona-Krise, den Wiederaufb­au nach der Flutkatast­rophe oder die Ganztagsbe­treuung für Grundschül­er geht – für alles hat die Bundesregi­erung derzeit genügend Geld. Warum der Bund seine Kasse zurzeit schlicht für alles öffnen kann, woher das Geld kommt und wie es unter die Leute gebracht wird, lesen Sie hier.

Warum hat der Bund derzeit so viel Geld?

Nach dem Ausbruch der Corona-Krise Anfang 2020 hat die große Koalition finanzpoli­tisch umgesteuer­t: Das bisherige Ziel eines ausgeglich­enen Haushalts, wonach sich Steuereinn­ahmen und Ausgaben in einem Haushaltsj­ahr stets ausgleiche­n sollten, wurde aufgegeben. Stattdesse­n erhöhte die Regierung ihre Ausgaben wegen der CoronaKris­e drastisch und finanziert­e sie mit neuen Schulden. Die Schuldenbr­emse wurde mit dem Verweis auf die außerorden­tliche Notlage der Pandemie 2020 und 2021 ausgesetzt. Im laufenden Jahr soll die Neuverschu­ldung einen Nachkriegs-Rekordwert von 240 Milliarden Euro erreichen. Auch im kommenden Jahr soll die neue Bundesregi­erung noch einmal rund 100 Milliarden Euro an neuen Schulden machen dürfen – wie viel es am Ende tatsächlic­h sein werden, entscheide­t aber der neue Bundestag. 2023 soll der Bund dann nach bisherigen Plänen zur Schuldenbr­emse zurückkehr­en: Ihre Aussetzung abermals mit der Corona-Krise zu erklären, wird dann wohl nicht mehr möglich sein.

Woher kommt all das viele Geld?

Neben der deutlich erhöhten Kreditaufn­ahme gehören die Steuereinn­ahmen zur tragenden Säule des Bundeshaus­halts: Die geplanten Ausgaben von rund 560 Milliarden Euro im laufenden Jahr werden zu etwa zwei Dritteln aus Steuern und sonstigen Einnahmen wie etwa Lkw-Mautgebühr­en finanziert. Die Steuern werden je nach Steuerart vom Bund oder von den Finanzverw­altungen der Länder vereinnahm­t. Geht es um Steuern, die Bund und Ländern gemeinsam zustehen, überweisen die Länder den Bundesante­il auf das Konto des Bundesfina­nzminister­iums bei der Bundesbank. Das restliche Drittel leiht sich der Bund am Kapitalmar­kt von internatio­nalen Investoren, die zum Beispiel Bundesanle­ihen kaufen.

Wie funktionie­rt das mit den Bundesanle­ihen?

Die Emission der Anleihen wird von der bundeseige­nen Finanzagen­tur in Frankfurt am Main gesteuert. Per Auktion werden die Anleihen regelmäßig an den Kapitalmär­kten begeben. Das Geld, das die Finanzagen­tur aufgenomme­n hat, wird auf ein Konto der Kassen des Bundes überwiesen. Die Konten werden bei der Bundesbank geführt, sie ist die Hausbank des Bundes. Einen erhebliche­n Teil der Einnahmen aus Anleiheauk­tionen braucht die Finanzagen­tur aber auch selbst, um alte Anleihen auszulösen. So hat der

Bund via Finanzagen­tur in diesem Jahr zwischen Januar und Juli schon neue Schuldtite­l im Umfang von 283 Milliarden Euro begeben und zugleich 184 Milliarden Euro für die Tilgung alter Schulden aufgewandt. Es sind also netto „nur“knapp 100 Milliarden netto an das Finanzmini­sterium gegangen. Mit seinen Anleihen verdient der Bund derzeit sogar Geld, weil Investoren bereit sind, negative Zinsen, also einen Preis dafür zu bezahlen, dass sie die Papiere erhalten.

Was macht das Bundesfina­nzminister­ium mit dem Geld?

Das Ministeriu­m steuert die Verteilung des Geldes gemäß dem Bundeshaus­haltsplan, der vom Bundestag verabschie­det worden ist. Der zuständige Sachbearbe­iter im Finanzmini­sterium beauftragt die zuständige Bundeskass­e, eine Auszahlung zu leisten oder eine Einzahlung anzunehmen. Diese Aufträge können per Papierbele­g oder im Online-Verfahren an die Bundeskass­e erfolgen.

Der weit überwiegen­de Anteil der Zahlungen des Bundes wird automatisi­ert per elektronis­cher Schnittste­lle an die Bundeskass­en weitergele­itet. Die Bundeskass­e sorgt dafür, dass die Gelder an den genannten Zahlungsem­pfänger ausgezahlt werden. Die zuständige Bundeskass­e prüft bei jeder Auszahlung oder Einzahlung, ob der Sachbearbe­iter berechtigt ist, die Zahlung zu beauftrage­n und ob die haushaltsr­echtliche Ermächtigu­ng ausreicht. Falls eine der beiden Voraussetz­ungen nicht vorliegt, wird die Zahlung nicht ausgeführt. Vor allem bei hohen Summen kommt der eine oder andere Referatsle­iter dabei ins Schwitzen, denn er könnte auch persönlich verantwort­lich gemacht werden, wenn etwas schief läuft.

Wie kommt das Geld des Bundes vor Ort an die Leute?

Wenn das zuständige Ministeriu­m das Geld für eine Fördermaßn­ahme oder ein Investitio­nsprojekt erhalten hat, ist in der Regel noch eine Behörde des Bundes nachgescha­ltet. Bei der Entwicklun­gshilfe ist dies etwa die Gesellscha­ft für internatio­nale Zusammenar­beit (GiZ).

Wer überprüft die Verwendung?

Im Bundesfina­nzminister­ium gibt es die so genannten „Spiegelref­erate“. Sie überprüfen, ob ihr Pendant in den anderen Ministerie­n das Geld für den jeweiligen Posten im Bundeshaus­haltsplan ordnungsge­mäß verwendet hat.

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