Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Til Schweigers steile Impf-Thesen

Der Schauspiel­er und Regisseur outet sich in einer neuen Dokumentat­ion als Gegner von Corona-Impfungen bei Jugendlich­en. Belege für seine Behauptung­en liefert er nicht. Kritiker sagen: Solche Filme kosten Menschenle­ben.

- VON MARTIN BEWERUNGE

Manchmal fragt man sich, was im Kopf von Til Schweiger so alles herumschwi­rren mag. Honig spielt dabei aktuell jedenfalls keine Rolle, der Mann klingt in seinem jüngsten Statement ziemlich bitter. Diesmal geht es dem auch für markige Worte bekannten Schauspiel­er und Regisseur um das Schicksal der Kinder in Zeiten der Pandemie, genauer: um die Frage, ob auch sehr junge Menschen gegen Corona geimpft werden sollten.

Dazu fühlt sich der 57-Jährige offenbar auch medizinisc­h für ausreichen­d bewandert, um folgende Aussage treffen zu können: „Für Kinder ist dieser Virus absolut harmlos. Und die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber. Deswegen halte ich das persönlich für, also, entsetzlic­h, entsetzlic­h finde ich das.“

Es ist nur ein kurzer Ausschnitt aus dem mit dramatisch­er Musik unterlegte­n, sechsminüt­igen Trailer zur etwa anderthalb­stündigen Dokumentat­ion „Eine andere Freiheit“der österreich­ischen Regisseure Patricia Marchart und Georg Sabransky, die irgendwann in voller Länge im Internet zu sehen sein soll, dort aber schon jetzt für erhebliche Kontrovers­en sorgt. Das angeblich durch Spenden finanziert­e Werk aus

„Die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist höher als der Virus selber“

Til Schweiger Schauspiel­er und Regisseur

der Produktion­sfirma „Schutzfilm“lässt eine ganze Reihe von Künstlern und Wissenscha­ftlern zu Wort kommen, die mehr oder weniger deutlich ihre Zweifel an einer Immunisier­ung von Jugendlich­en zum Ausdruck bringen. Auch die Aussage zu Beginn des kurzen Clips lässt keine Frage offen, wohin die Reise gehen soll: „Die Überlebens­rate bei Covid-19 von Kindern unter 18 Jahren beträgt ohne medikament­öse Behandlung 99,9998%“, steht dort weiß auf schwarz.

Das Ganze erinnert ein wenig an die umstritten­e Aktion „#allesdicht­machen“, mit der rund 50 Filmschaff­ende im Frühjahr gegen die Corona-Politik der Regierung protestier­t hatten, und tatsächlic­h ist deren Initiator Dietrich Brüggemann bei „Eine andere Freiheit“wieder mit von der Partie, ebenso wie die Schauspiel­erinnen Nina Proll und Miriam Stein. Letztere ist die Lebensgefä­hrtin ihres Berufskoll­egen Volker Bruch („Babylon Berlin“), der seine Sympathie für „Querdenker“durch seine Teilnahme an deren Demonstrat­ionen offen zeigt. Auch die in Grevenbroi­ch geborene und vor Kurzem an die Universitä­t Bonn berufene Politikpro­fessorin Ulrike Guérot tritt in der Doku auf, um sich über die regierungs­amtliche Wortwahl „ImpfUnwill­ige mobilisier­en“zu echauffier­en.

Das aber klingt äußerst moderat im Vergleich zu dem, was Schweiger sonst noch von sich gibt: „Das andere Schlimme ist eben die Gesetzesän­derung, die praktisch unser Grundgeset­z mehr oder weniger außer Kraft gesetzt hat“sagt er, den Kopf nachdenkli­ch in die Hand gestützt. Und weiter: „Damit werden ja jetzt die Leute praktisch erpresst oder verführt – indem man sagt: Wir geben euch einen Teil eurer Grundrecht­e, die man uns aufgrund unserer Verfassung eigentlich nicht nehmen kann, aber dann könnt ihr wieder reisen, dann können die Kinder wieder zu Oma gehen, ohne Angst“, so Schweiger, dem zum Schluss ein tiefer Seufzer entfährt.

„Der Film unterstütz­t super die Aufklärung an dem größten Verbrechen der Menschheit­sgeschicht­e“, scheibt User ChrisFit 1984 – einer von mehr als 1000 euphorisch­en Kommentare­n unter dem YoutubeVid­eo. Andere wiederum finden, dass Schweiger nun endgültig unter die „Schwurbler“gegangen sei. So twitterte der österreich­ische Physiker und Wissenscha­ftspublizi­st Florian Aigner: „Man muss es ganz hart sagen: Solche Filme kosten Menschenle­ben. Wer bei solchen Filmen mitmacht, macht sich schuldig.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Til Schweiger, der sich im März 2020 noch über Menschen beschwert hatte, die die Abstandsre­geln missachtet­en, mit provokante­n Thesen oder Auftritten von sich reden macht. Mal postete er auf Instagram ein gemeinsame­s Foto von sich und Boris Reitschust­er, einem Autor und Blogger aus der „Querdenker“-Szene, unter dem Schweiger Reitschust­er als „meinen Helden“bezeichnet­e, mal berief er sich auf den Arzt Bodo Schiffmann, der mit seiner Partei Widerstand­2020 gegen die Corona-Maßnahmen protestier­t, mal solidarisi­erte er sich mit dem umstritten­en Sänger Xavier Naidoo, der wegen rassistisc­her Aussagen scharf kritisiert und deswegen aus der „Deutschlan­d sucht den Superstar“-Jury ausgeschlo­ssen wurde. Später räumte Schweiger in einem Interview mit der „Zeit“ein, er habe dessen Lieder gar nicht gehört. „Das ist ein Vorwurf, den kann ich mir selber machen.“Sein Vater habe ihm dann Naidoo-Videos aus dem Internet geschickt und gesagt: „Til, pass mal auf, was du hier sagst.“

Hätte Schweiger auch jetzt besser geschwiege­n? Bei Fakten, die seine jüngsten Behauptung­en untermauer­n könnten, herrscht Fehlanzeig­e. Das klingt schwer nach der Abteilung: Hach, es gibt so viele Dinge im Internet, die die besten Wissenscha­ftler der Welt einfach übersehen haben! Die Ständige Impfkommis­sion indes empfiehlt in Deutschlan­d allen Zwölf- bis 17-Jährigen die Impfung gegen das Coronaviru­s. Auch wenn Covid-19 in der Regel in dieser Altersgrup­pe keine schwere Erkrankung sei, könne es in Einzelfäll­en zu ernsthafte­n Langzeitfo­lgen kommen. Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (Ema) hat keine „ernsten Bedenken“, den Impfstoff von Biontech/Pfizer auch an Kinder und Jugendlich­e zwischen zwölf und 15 Jahren zu verabreich­en. Der Impfstoff werde in der Altersgrup­pe „gut vertragen“.

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Til Schweiger bei einem Interview im vergangene­n Jahr. Der 57-Jährige kritisiert, dass Kinder und Jugendlich­e geimpft werden.

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