Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Der DOSB hat seine Rolle verloren“

Der Sportmanag­er spricht über die Lehren aus der Olympia-Initiative 2032, den nahen CHIO und den Zustand des deutschen Sports.

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Herr Mronz, wenn in 50 Jahren jemand Ihren Wikipedia-Eintrag aufruft, und da stünde: „Michael Mronz war der letzte, der versucht hat, Olympische Spiele nach Deutschlan­d zu holen.“Wie fänden Sie das?

MRONZ Wenn da stünde, „…der letzte, der mit seinem Team Spiele erfolgreic­h nach Deutschlan­d geholt hat“, dann würde mich das freuen. Aber im Ernst. Für den DOSB und sein neu zu besetzende­s Präsidium wird es in jedem Fall eine Kernfrage sein, ob man es als eine der künftigen Aufgaben sieht, sich um Olympische Spiele zu bewerben. Wir haben ja den DOSB deswegen auch aufgeforde­rt, bis Ende 2023 für sich eine klare Entscheidu­ng zu treffen, ob man sich bewerben will. Fest steht schon jetzt: Wir wurden am Anfang für unser Regionen-Konzept belächelt, aber an der erfolgreic­hen Bewerbung Brisbanes sieht man, dass Regionenko­nzepte Gewinnerko­nzepte sind.

Wer eine Bewerbung erfolgreic­h auf den Weg bringen will, muss den DOSB überzeugen, die Politik und die Bürger. Bisher galten die Bürger als dickstes Brett, das es zu bohren gilt. Nun ist es der DOSB.

MRONZ Man muss festhalten: Der Weg, den wir gegangen sind, war so abgesproch­en mit dem DOSB. Als das IOC im Februar entschiede­n hatte, in einen zielgerich­teten Dialog mit Brisbane einzutrete­n, konnte man das Gefühl gewinnen, man wolle uns als Initiative mit dieser Niederlage allein im Regen stehen lassen. Das war damals nicht wirklich Fairplay.

Wie steht es heute um Ihr Verhältnis zum DOSB?

MRONZ Ich begrüße zunächst einmal sehr die neuen Arbeitsgru­ppen im DOSB, die sich eben auch mit der Frage einer künftigen Bewerbung beschäftig­en. Aber ich finde, uns muss es gemeinsam vor allem gelingen, dass der Wert des Sports für uns als Gesellscha­ft wieder mehr als Thema in den Mittelpunk­t gestellt wird. Stichwort Integratio­n. Soziale Kompetenz. Teamgeist. Kampf gegen Bewegungsa­rmut und Verfettung. In diesem Zusammenha­ng kann eine Bewerbung meiner Meinung nach sehr wichtig und hilfreich sein. Das ist zuletzt zu kurz gekommen. Sport ist nicht nur Fußball.

Hängen Erfolg und Misserfolg Ihrer Initiative denn überhaupt noch an einer Bewerbung? Gibt es nicht längst genügend begleitend­e Ziele und Projekte rund um den Sport, Projekte zu Mobilität, Digitalisi­erung, Nachhaltig­keit?

MRONZ Ja, die Initiative hat sich heute schon gelohnt. Im Februar haben die beteiligte­n Kommunen ja auch nicht versucht, das Ganze erfolgreic­h abzumoderi­eren, sondern sie wollen daran festhalten. Dieses Dekadenpro­jekt legt den Fokus auf den Sport, – aber es ist längst viel mehr. Es geht darum, Projekte auch losgelöst von 2032 auf den Weg zu bringen, wie die vernetzte Mobilität und Digitalisi­erung

Ist es am Ende die zentrale Erkenntnis aus dem Projekt, dass Menschen eher bereit sind, eine Olympiabew­erbung mitzutrage­n, wenn sie ganz praktische­n Nutzen für sich vor der Haustür darin sehen?

MRONZ Ganz genau. Und deswegen finde ich es auch so schade, dass die Bürgerinne­n und Bürger nicht über unser Konzept abstimmen konnten. Denn ich bin mir sicher, dass es ein positives Votum gegeben hätte.

Aber selbst dann. Warum sollte das IOC überhaupt nochmal Spiele nach Deutschlan­d geben? In ein Land, wo die Sportöffen­tlichkeit so kritisch ist.

MRONZ Ich halte eine kritische Öffentlich­keit für sehr wichtig. Aber Kritik hat immer zwei Seiten. Man kann berechtigt Kritik am IOC üben. Ganz klar. Doch man muss dann eben auch die positiven Entwicklun­gen hervorhebe­n. Also zum Beispiel, dass 90 Prozent der Einnahmen des IOC an die internatio­nale Sportwelt ausgeschüt­tet werden. Oder dass das neue Vergabever­fahren über die Vollversam­mlung des IOC die Möglichkei­t der Bestechung quasi neutralisi­ert hat. Wir brauchen mit Blick auf das IOC eine gesunde Balance. Das sehe ich auch durchaus als meine Aufgabe, einen solchen Dialog in dieser Richtung fortzuführ­en.

Ist der DOSB aber aktuell eh nicht viel zu sehr mit sich selbst beschäftig­t, als dass er über eine Bewerbung nachdenken kann? MRONZ Was der DOSB in der Pandemie aus meiner Sicht ein bisschen verloren hat, ist seine Rolle als die zentrale Stimme des Sports. Zu dieser Rolle gehört für mich zwingend eine Bewerbung um Olympische und Paralympis­che Spiele. Aber selbst wenn nicht, muss doch geklärt werden: Wie vermittle ich als DOSB die gesellscha­ftliche Bedeutung des Sports besser? Wie soll mein Verhältnis zum IOC aussehen als DOSB? Wie das Verhältnis von Breiten und Spitzenspo­rt? Das alles muss der DOSB inhaltlich für sich klären. Erst dann geht es um die Frage nach Personen.

Ist der Sport schlecht darin, seinen Wert für die Gesellscha­ft zu vermitteln?

MRONZ Naja, in der Kultur wird diese Frage nach dem Wert nicht gestellt. Die ist längst beantworte­t. Warum? Weil die Kultur es versteht, deutlich zu machen, welchen Wert sie hat für unsere Gesellscha­ft. Das haben wir im Sport in der Vergangenh­eit nicht ausreichen­d transporti­ert.

Gilt das auch für die Anerkennun­g des Leistungss­ports bei uns im Land?

MRONZ Ja. Und da geht es natürlich auch um monetäre Anerkennun­g. Ist es zum Beispiel sinnvoll, dass die Sporthilfe einem Olympiasie­ger 20.000 oder 30.000 Euro zahlt oder wäre diese Prämie nicht eine Aufgabe des Staates, und die Sporthilfe kann das Geld besser einsetzen, um andere Sportler in der Breite zu fördern auf ihrem Weg in die Spitze?

Beim CHIO geht es um Leistungss­port. Um Spitzenspo­rt. Wie erleichter­t sind sie, dass das Turnier in diesem Jahr wieder stattfinde­n kann. Diesmal ja Mitte September. MRONZ Es ist viel mehr Vorfreude als Erleichter­ung. Wieder an der Ausrichtun­g dieses Events arbeiten zu können, das macht dem gesamten Team und mir großen Spaß.

Hatten Sie zwischendu­rch mal Angst, dass es nach 2020 auch 2021 eine Absage des CHIO geben muss? MRONZ Ich bin von Haus aus ein positiv denkender Mensch. Ich will im Team Sachen anpacken, kein Bedenkentr­äger sein. So haben wir dann eben auch im März entschiede­n, wir gehen mit dem CHIO in den September, weil wir glauben, dass wir dann eine bessere Chance haben, ihn adäquat ausrichten zu können.

Wie oft kann es sich ein etablierte­s Event wie der CHIO leisten, auszufalle­n, bis es aus dem Fokus der Besucher herausfäll­t?

MRONZ Sagen wir mal so: Wäre es für uns im vergangene­n Jahr nicht denkbar gewesen, einen CHIO ohne Zuschauer stattfinde­n zu lassen, hätten wir ihn 2021 zur Not auch ohne Zuschauer ausgericht­et. Damit hätte dann zwar der Haupttreib­er der CHIO-Stimmung gefehlt, aber es geht eben, wie Sie sagen, auch um die Frage, wie viele Jahre ich als Marke, als Brand von der Bildfläche verschwind­en kann, bis ich auch aus dem Fokus der Menschen verschwind­e. Und da haben Sportveran­staltungen definitiv Probleme, die öfter pausieren mussten. Ganz nebenbei geht es ja auch um Arbeitsplä­tze, wir haben hier in Aachen 40 Mitarbeite­r.

STEFAN KLÜTTERMAN­N FÜHRTE DAS INTERVIEW

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FOTO: DPA

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