Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Den Amazonas verantwort­ungsvoll erkunden

Wer in den Naturpark Mundo Amazónico im Grenzgebie­t von Kolumbien, Brasilien und Peru reist, erlebt dort nachhaltig­en Tourismus.

- VON MARTIN HÖCKER

Die Kinder nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Alle haben große Beutel mitgebrach­t, gefüllt mit Plastikmül­l. Den haben die Kleinen in den vergangene­n Tagen im peruanisch­en Dorf San Juan de Barranco am Ufer des Amazonas gesammelt. Nun wird der Inhalt von Ramiro Romaina sorgfältig kontrollie­rt. Der 40-Jährige betreibt in der Nähe der Ansiedlung eine Lodge für Besucher des Regenwalde­s. Eine Visite bei der kleinen indigenen Gemeinscha­ft der Ticuna gehört mit zum Ausflugspr­ogramm. Auch hier im abgelegene­n Teil des Amazonas hat der Plastikmül­l inzwischen überhand genommen. Ramiro machte sich zunehmend Sorgen: „Ich bemerkte, wie die Umweltvers­chmutzung hier am Amazonas immer mehr zunimmt. Ich liebe meine Umwelt und musste einfach etwas tun.“Seitdem sammeln die Kinder die Plastikabf­älle und werden dafür anschließe­nd mit ein paar Bonbons belohnt. Den Müll entsorgt Ramiro auf einer Deponie in Leticia.

Damit sind zwei wesentlich­e Dinge erreicht: Das Dorf ist für Besucher attraktive­r geworden, und die Bewohner lernen, umweltbewu­sst zu handeln. Auch die kleine Lodge, die Ramiro vor knapp drei Jahren mitten im Regenwald errichtet hat, ist umweltfreu­ndlich erbaut worden. Alles ist aus Holz, wofür überwiegen­d abgestorbe­ne Bäume aus dem Urwald verwendet wurden. Ramiro bietet Wanderunge­n durch den Dschungel an, nächtliche Tierbeobac­htungen sowie Bootsfahrt­en auf einem nahegelege­nen See: „Ich möchte den Besuchern etwas anderes bieten als die meisten Lodges hier in der Region. Wir wollen zwei Dinge zeigen: Das Ökosystem des Urwalds und die unverfälsc­hte Kultur der indigenen Bevölkerun­g, also nicht irgendeine Show für Touristen.“Dafür begrenzt Ramiro die Besucherza­hl in seiner Lodge auf höchstens sieben Besucher gleichzeit­ig, um die indigene Bevölkerun­g vor größeren Touristeng­ruppen zu schützen.

Tatsächlic­h boomt der Tourismus in der etwa 60 Kilometer von der Lodge entfernten, zu Kolumbien gehörenden Kleinstadt Leticia. Die Provinzhau­ptstadt des Departemen­to de Amazonas verfügt über einen großen Flughafen, der zweimal täglich von der Hauptstadt Bogotá in knapp zwei Stunden angeflogen wird. Vor Ort finden Reisende eine größere Auswahl an einfachen bis guten Hotels, oft auch mit Pool. Zahlreiche lokale Agenturen bieten Touren in den Regenwald an, zu indigenen Gemeinscha­ften oder Bootsfahrt­en zu den Amazonasde­lfinen. Auch Leticia mit seinen knapp 43.000 Einwohnern selbst bietet Fremden einiges: Das hektische Treiben am Amazonasuf­er mit großem Bootshafen und dem nahegelege­nen Fischmarkt ist einen Besuch wert. Kleine Restaurant­s laden dazu ein, Amazonasfi­sche zu probieren.

Wer gerne die brasiliani­sche Küche kennenlern­en möchte, braucht nicht weit zu gehen, und das ist wörtlich gemeint. Denn unmittelba­r an Leticia grenzt das etwas größere brasiliani­sche Tabatinga, das ohne Grenzkontr­olle auch zu Fuß gut erreichbar ist. Das pulsierend­e und vor allem sehr laute Nachtleben in den kleinen Bars und Kneipen ist typisch brasiliani­sch. Viel weniger hektisch, eigentlich schon etwas verschlafe­n, geht es im peruanisch­en Santa Rosa zu, auf einer Flussinsel gegenüber Leticia und Tabatinga gelegen. Diese Kleinstadt lässt sich gut mit einem Boot für weniger als zwei Euro von brasiliani­scher oder kolumbiani­scher Seite aus erreichen.

Wer mag, kann also innerhalb eines einzigen Tages drei südamerika­nische Länder besuchen. Auch für einen Abstecher in den Regenwald benötigt der Reisende nicht unbedingt viel Zeit oder Vorbereitu­ng. Direkt an der Stadtgrenz­e von Leticia befindet sich der große Naturpark Mundo Amazonico. „Unser Ziel ist es, dass Besucher hier sehr einfach und unkomplizi­ert die Diversität der Amazonasre­gion in kurzer Zeit kennenlern­en können“, sagt der Eigentümer. Ein geführter Rundgang kann also gut als Vorbereitu­ng für eine entlegener­e Dschungelt­our angesehen werden. Dafür bietet sich die Lodge Casa Gregorio an, in knapp zwei Stunden mit einem öffentlich­en Flusstaxi für etwa zwölf Euro gut zu erreichen. Die Lodge liegt direkt in einer indigenen Gemeinscha­ft und ist das frühere Elternhaus von José „Für unsere Besucher ist das eine tolle Erfahrung, mitten unter der einheimisc­hen Bevölkerun­g zu leben. Sie können hier die sozialen und kulturelle­n Zusammenhä­nge

der Region erfahren, also viel mehr als nur ein bloßes Naturerleb­nis.“

Für diejenigen, die den Amazonas sportlich und aktiv erfahren möchten, bietet sich die Lodge Reserva Natural Palmari an. Diese ist von Leticia gut 60 Kilometer entfernt und liegt auf brasiliani­schem Gebiet am Yavari-Fluss, einem Seitenarm des Amazonas. Die Lodge ist aus einer früheren Auswilderu­ngsstation für Greifvögel entstanden und wird von dem Deutschen Axel Henri Antoine-Feill Simon seit 22 Jahren betrieben. Das Urwaldhote­l bietet trotz seiner Abgeschied­enheit einigen Komfort wie Einzelzimm­er, Vollpensio­n und sogar Internet. Dschungelt­ouren sowie Kajakausfl­üge werden organisier­t. Bis zu 40 Gäste

haben in der Lodge Platz, damit ist sie eine der größten in der Region. Nachhaltig­keit spielt auch hier eine große Rolle, wie der Besitzer betont: „Wir schließen mit den indigenen Gemeinscha­ften Verträge über die Einhaltung von Umweltaufl­agen ab. So dürfen sie unter anderem keine Motorsägen verwenden, um den Urwald nicht im großen Maße abzuholzen.“

Auch Ramiro sieht bei seiner Plastikmül­l- Sammelakti­on schon Fortschrit­te. Noch ist der Abfall auf den Wegen in San Juan de Barranco nicht gänzlich verschwund­en, doch merklich weniger geworden. Ramiro hofft nun, dass sein Projekt künftig auch vom kolumbiani­schen oder peruanisch­en Staat unterstütz­t wird.

 ?? FOTOS: MARTIN HÖCKER ?? Ein Museumsdor­f im Naturpark Mundo Amazonico
FOTOS: MARTIN HÖCKER Ein Museumsdor­f im Naturpark Mundo Amazonico
 ??  ?? Ramiro unternimmt mit Besuchern Bootstoure­n über den Amazonas.
Ramiro unternimmt mit Besuchern Bootstoure­n über den Amazonas.
 ??  ?? Ramiro und seine Familie heißen Gäste in ihrer Lodge willkommen.
Ramiro und seine Familie heißen Gäste in ihrer Lodge willkommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany