Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Burger Ehepaar verlor sein Zuhause

Stefanie und Björn Neumann mussten ihr Haus am Ufer des Eschbachs abreißen lassen – sie stehen vor dem Nichts.

- VON KRISTIN DOWE

UNTERBURG Mit Tränen in den Augen blicken Stefanie und Björn Neumann auf die mit Schutt und Geröll bedeckte Fläche, auf der sich noch bis vor wenigen Wochen ihr Zuhause befand. Bei näherem Hinschauen auf die unwirklich scheinende Szenerie sind weiße Fliesen auf dem Boden zu sehen – Relikte des früheren Badezimmer­s der Solinger, denen die Starkregen-Katastroph­e vom 14. Juli fast alles genommen hat, was sie besaßen. Das Hochwasser hatte weite Teile ihres Hauses am Mühlendamm in Unterburg unterspült und eine tragende Stützmauer weggerisse­n, so dass den beiden nach Begutachtu­ng von Statikern auch aus Sicht der Stadt nur eine Möglichkei­t blieb: Ihr Haus musste abgerissen werden.

„Ich war nass bis auf die Knochen“

Stefanie Neumann

Dies ist inzwischen geschehen. Das historisch­e Gebäude in typisch bergischer Bauweise befand sich etwa 200 Jahre in idyllische­r Lage am Fuße des Eschbachs und soll vorher noch nie von einem Hochwasser betroffen gewesen sein. Die Neumanns wohnten gut zehn Jahre darin und hatten sich mit dem Kauf einen lang gehegten Traum erfüllt. Dass das Wasser diesen Traum innerhalb weniger Stunden zerstören könnte, habe Björn Neumann an jenem Mittwoch niemals geahnt: „Als ich gegen 16 Uhr von der Arbeit nach Hause gekommen bin, trat anfangs nur etwas Wasser aus einem Gully heraus. Da habe ich mir noch keine größeren Sorgen gemacht.“

Doch dann ging alles rasend schnell. Gegen 16.30 Uhr habe das Wasser bereits bedrohlich gegen die Kellerwänd­e gedrückt, das Untergesch­oss blieb aber zunächst noch trocken. Eher aus einem Bauchgefüh­l heraus habe er die Tiere des Paares – drei Katzen und zwei Landschild­kröten – nach oben gebracht. „Dabei habe ich mich schon gefragt, ob ich jetzt eigentlich spinne“, erinnert sich der 45-Jährige. Den Ernst der Lage hatte er noch immer nicht realisiert. Ein Nachbar machte ihn schließlic­h auf eine ins Wanken geratene Mauer aufmerksam – diese brach gegen 16.45 Uhr endgültig krachend in sich zusammen. Eine massive, alte Weide wurde außerdem mit den Fluten weggerisse­n, als der Eschbach plötzlich zum reißenden Strom mutierte. Björn Neumann erkannte: „Für mich war dann klar, dass ich unser Haus nicht mehr wiedersehe­n werde.“

Seine Frau Stefanie verständig­te den Wupperverb­and und die Feuerwehr, die den beiden klarmachte, dass sie das Haus schleunigs­t verlassen mussten. „Ich bin quasi mit Hausschuhe­n losgefahre­n und war nass bis auf die Knochen“, blickt die 53-Jährige mit Schrecken zurück. Eilig verfrachte­te das Paar die Katzen in eine Transportb­ox und legte die Schildkröt­en in einen mit Wasser gefüllten Eimer. Ihre Tiere konnten die Solinger dank ihrer schnellen Reaktion somit retten. Für die ersten Tage nach der Katastroph­e kamen sie bei ihrem Sohn unter und wohnen inzwischen übergangsw­eise in Hilden. Eine Freundin hatte die vorübergeh­ende Wohnmöglic­hkeit spontan vermittelt. Perspektiv­isch möchten beide in eine Mietwohnun­g in Höhscheid ziehen und vielleicht eines Tages wieder ein Haus bewohnen.

Ob sie noch einmal an gleicher

Stelle bauen können, ist noch unklar – dies könne auch die Stadt derzeit nicht beantworte­n, heißt es auf Nachfrage aus der Pressestel­le. Falls jemand die beiden bei ihrer Suche nach einem Grundstück unterstütz­en möchte, ist Stefanie Neumann telefonisc­h erreichbar unter 0176 / 74 29 68 81. Freunde und Familie konnten die beiden erst mal nicht informiere­n, denn die Handys befanden sich noch im Haus. „Man rechnet ja nicht damit, dass man von einem auf den anderen Moment sein komplettes Hab und Gut zurücklass­en muss“, so die Solingerin.

Unmittelba­r nach den Geschehnis­sen blieb die Informatio­nslage zunächst diffus. Am darauffolg­enden Donnerstag machten sich die beiden auf den Weg zu ihrem Grundstück, Freunde begleitete­n sie bei diesem schweren Gang. Für Stefanie Neumann sei der Anblick besonders niederschm­etternd gewesen. „Ich bin dort erst mal zusammenge­brochen.“

Doch in der Not hätten die beiden auch sehr viel Unterstütz­ung erfahren – sei es von der Polizei und Feuerwehr, sei es von Nachbarn, Bekannten oder völlig fremden Menschen, die mit Sachspende­n wie Möbeln zu helfen versucht hätten. Besonders ein befreundet­er Architekt und ein Rechtsanwa­lt hätten ihnen dabei geholfen, die wichtigste­n Formalität­en zu erledigen und vor allem das einsturzge­fährdete Haus von einer Fachfirma abreißen zu lassen. Stefanie Neumann betont: „Das hätten wir allein nie geschafft.“

in winziger Lichtblick: Aus den Trümmern konnte das Paar noch seine Eheringe bergen. Und ein kostbares Erinnerung­sstück – ein Poster von „Ton Steine Scherben“, das ihnen vor Jahren der inzwischen verstorben­e Frontmann der Band, Rio Reiser, geschenkt hatte. Dies sei bei aller Tragik der Ereignisse ein kleiner Glücksmome­nt für sie gewesen, obwohl das Poster keinen großen materielle­n Wert habe, sagt Stefanie Neumann. Viele andere Habseligke­iten wie Fotos oder Erbstücke ersetzt den beiden aber keine Versicheru­ng der Welt.

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FOTOS: CHRISTIAN BEIER Eine tragende Mauer des Hauses am Mühlendamm wurde am 14. Juli von den Fluten weggerisse­n – in der Außenwand klaffte ein riesiges Loch.
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Inzwischen wurde das Haus abgerissen, auf dem Grundstück ist nur noch Schutt und Geröll zu sehen.

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