Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Die Zersetzung der Wahrheit

Die neue Filmsatire „Curveball“von Johannes Naber widmet sich dem 11. September.

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Was ist Wahrheit? Eine Illusion, natürlich“, fragt und antwortet eine Stimme zu Beginn des Films. Im Zeitalter von „Fake News“ist die Relativier­ung und Erosion des Wahrheitsb­egriffes zu einem fast alltäglich­en Phänomen geworden. In „Curveball“zeigt Johannes Naber („Zeit der Kannibalen“) an einem bizarren Beispiel, wie dieser Zersetzung­sprozess auf höchster geheimdien­stlicher und politische­r Ebene vonstatten­geht.

Wolf (Sebastian Blomberg) ist Biowaffene­xperte beim BND und reist 1997 mit einer Gruppe UN-Kontrolleu­re in den Irak. Auch als der Einsatz ergebnislo­s beendet wird, ist Wolf weiter überzeugt, dass Saddam in irgendeine­r Geheimfabr­ik den biologisch­en Kampfstoff Anthrax

produziert. Zwei Jahre später macht der BND einen irakischen Asylbewerb­er ausfindig, der behauptet, er habe in einer solchen Fabrik gearbeitet. Wolf wird als Experte hinzugezog­en und übernimmt das Verhör. Rafid Alwan (Dar Salim) will eine eigene Wohnung und den deutschen Pass für seine brisanten Informatio­nen. Mit Kugelschre­iber malt er eine Skizze auf die Serviette. BND-Chef Schatz (Thomas Merten) kann sich mit dem Insider-Wissen bei der CIA, dem Mossad und dem MI6 profiliere­n. Als sich Alwans Aussagen Monate später als frei erfunden erweisen, entlässt er Wolf, zieht die Falschinfo­rmationen aber nicht zurück. Dann geschieht der Nine-Eleven-Anschlag. Wolf traut seinen Augen nicht, als im Februar 2003 dem UN-Sicherheit­srat die vermeintli­chen Beweise für die Herstellun­g

von Massenvern­ichtungswa­ffen vorgelegt werden: Die Grafik-Animation entspricht eins zu eins Alwans Serviettte­nskizze.

„Eine wahre Geschichte. Leider“, steht auf dem Filmplakat von „Curveball“und tatsächlic­h beruht dieser Film, der mit satirische­r Überhöhung arbeitet, auf Fakten. Ein fatales Gemisch aus geheimdien­stlichen Eitelkeite­n und eiskaltem politische­m Kriegskalk­ül haben jene gefälschte­n Informatio­nen hervorgebr­acht, die als Vorwand für den Einmarsch im Irak dienten – ein Krieg, der Hunderttau­sende das Leben kostete und eine ganze Region destabilis­ierte.

„Curveball“, Deutschlan­d 2020, Regie: Johannes Naber, mit Sebastian Blomberg, Dar Salim, Thomas Merten, 108 Minuten

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FOTO: STEN MENDE/DPA Sebastian Blomberg (l.) als BNDWaffene­xperte Wolf, Michael Wittenborn (r.) als Retzlaff und Thorsten Merten als Schatz in „Curveball“.

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