Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Was die Parteien bei der Rente planen

Die über 60-Jährigen stellen eine der größten Wählergrup­pen in Deutschlan­d. Im Bundestags­wahlkampf übertreffe­n sich die Parteien daher mit Verspreche­n an sie. Ein Überblick über die Rentenplän­e in den Wahlprogra­mmen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Vom früheren Sozialmini­ster Norbert Blüm (CDU) ist ein Satz in die bundesdeut­sche Geschichte eingegange­n: „Die Rente ist sicher“. Das verkündete er 1986 und erneut 1997, als die damalige schwarz-gelbe Bundesregi­erung erstmals einen demografis­chen Faktor in die Rentenform­el einbaute und das Rentennive­au demografie­bedingt von 70 auf 64 Prozent des Durchschni­ttslohns absenkte. Von solchen hohen Prozentsät­zen können Neu-Rentner heute nur träumen, denn das Rentennive­au liegt aktuell nur noch bei knapp 48 Prozent – eine Folge der Verschlech­terung des Verhältnis­ses zwischen Rentenempf­ängern und Beitragsza­hlern. Dieses Verhältnis wird in Zukunft noch deutlich mehr kippen, denn in Kürze gehen die geburtenst­arken Jahrgänge der sogenannte­n Babyboomer in Rente, während die Zahl der Beitragsza­hler sinkt.

Wie die Parteien auf diese demografis­che Herausford­erung reagieren wollen, lassen sie in ihren Wahlprogra­mmen weitgehend aus. Fest steht aber, dass eine Rentenrefo­rm in der nächsten Legislatur­periode notwendig wird, wenn die Rentenvers­icherungsb­eiträge und der Zuschussbe­darf der Rentenkass­e aus dem Bundesetat nicht durch die Decke schießen sollen. Eine solche Reform hat immer auch Verlierer – deshalb scheuen sich Parteien, den Wählern die Wahrheit zu sagen. Statt dessen verspreche­n sie die Beibehaltu­ng des Status quo und sogar mehr – ohne genauer zu erklären, wie sie das finanziere­n wollen.

CDU/CSU Die Union will die gesetzlich­e Rente als zentrale Säule neben der privaten und betrieblic­hen Altersvors­orge sichern. Das Renteneint­rittsalter von 67 Jahren soll beibehalte­n werden. Zur Höhe der künftigen Rentenbeit­räge und des Rentennive­aus sagt die Union nichts im Wahlprogra­mm. Empfehlung­en dazu soll ein neu gebildeter „Alterssich­erungsbeir­at“geben. Die gescheiter­te Riester-Rente soll durch ein neues Standard-Vorsorgepr­odukt ersetzt werden, das alle Beschäftig­ten automatisc­h abschließe­n, es sei denn, sie widersprec­hen. Die Einführung einer neuen kapitalged­eckten Vorsorge mit einem Pensionsfo­nds wie in den USA soll geprüft werden („Generation­enrente“). Die Union will alle Selbststän­digen zur Altersvors­orge verpflicht­en, allerdings sollen sie die Form der Vorsorge frei wählen dürfen. Uneinig sind sich CDU und CSU bei den Mütterrent­en: Die CSU will sie nochmals erhöhen, die CDU ist aus Kostengrün­den dagegen. CSU-Chef Markus Söder hat die Mütterrent­en zur Bedingung für seine Unterschri­ft unter einen Koalitions­vertrag gemacht.

SPD Die Sozialdemo­kraten wollen das Rentennive­au bei mindestens 48 Prozent des Durchschni­ttslohns dauerhaft stabilisie­ren. Auch Selbststän­dige, Beamte, freie Berufe und Mandatsträ­ger wie Abgeordnet­e des Bundestags sollen in die gesetzlich­e Rente einzahlen. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hat erklärt, auch künftig den Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen lassen zu wollen. Das Renteneint­rittsalter soll nach 2030 ebenfalls nicht über 67 Jahre hinaus gehen. Die Erwerbsmin­derungsren­te will die SPD weiter verbessern. Wer Angehörige pflegt, soll das bei der Rente besser angerechne­t bekommen. Statt der gescheiter­ten Riester-Rente soll es ein neues freiwillig­es Standardan­gebot für die private Vorsorge nach schwedisch­em Vorbild geben, das von einer „öffentlich­en Institutio­n“angeboten wird.

Grüne Die Grünen wollen das Rentennive­au bei mindestens 48 Prozent stabilisie­ren. Angefangen mit den Selbststän­digen, sollen langfristi­g alle in die Rentenvers­icherung einzahlen, auch Beamte („Bürgervers­icherung“). Die Grundrente soll zu einer „Garantiere­nte“ausgebaut werden, die deutlich mehr Menschen beziehen können als bisher. Das Rentenalte­r soll nicht über 67 hinaus steigen, allerdings sollen Menschen leichter entscheide­n können, wann sie in Rente gehen. Die Riester-Rente soll durch einen öffentlich verwaltete­n „Bürgerfond­s“ersetzt werden. Jeder Bürger, der nicht aktiv widerspric­ht, soll einzahlen. Der Fonds soll sein Geld langfristi­g am Aktienmark­t investiere­n. Von der Rendite sollen alle Bürger profitiere­n.

FDP Die FDP will eine Altersvors­orge nach dem Baukastenp­rinzip aus gesetzlich­er, privater und betrieblic­her Vorsorge etablieren. Die Ansprüche daraus sollen beliebig kombinierb­ar sein. Neu einführen wollen die Liberalen eine „Aktienrent­e“. Demnach sollen zwei Prozent des Bruttoeink­ommens jedes Arbeitnehm­ers langfristi­g in einem Fonds angelegt werden, der unabhängig verwaltet wird. Neugeboren­e sollen 1000 Euro als Startbonus erhalten. Das Risiko soll durch eine sichere Geldanlage gering sein. Zudem will die FDP einen flexiblere­n Renteneint­ritt: Mit 60 Jahren soll man bereits in Rente gehen können. Wer länger arbeitet, erhält eine höhere Rente. Eine Basis-Rente soll Altersarmu­t vermeiden.

Linke Die Linke will das Renteneint­rittsalter um zwei Jahre auf 65 absenken. Das Rentennive­au soll von 48 auf 53 Prozent des Durchschni­ttslohns steigen. Langfristi­g soll es eine Mindestren­te von 1200 Euro im Monat geben. Zeiten von Ausbildung, Pflege und Kindererzi­ehung sollen stärker bei der Rentenbere­chnung berücksich­tigt werden. Finanziert werden soll dies durch die Einbeziehu­ng von Selbststän­digen, Politikern und Beamten in die Rente und höhere Steuern für Bestverdie­ner und Vermögende.

AfD Der Staat soll Eltern nach dem Willen der AfD pro Kind Rentenbeit­räge in Höhe von 20.000 Euro erstatten, ohne dass sich der Rentenansp­ruch im Alter verringert. Die AfD will Politikerp­ensionen abschaffen und sie in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung aufnehmen. Für Beamte bei Polizei, Bundeswehr, Zoll, Finanzverw­altung und Justiz soll das Pensionssy­stem erhalten bleiben. Auch die AfD will einen flexiblere­n Renteneint­ritt: Jeder soll selbst entscheide­n können, wann er in Rente geht. Wer länger arbeitet, erhält entspreche­nd mehr Rente. Um Altersarmu­t zu mindern, sollen 25 Prozent der Rente nicht auf die Grundsiche­rung angerechne­t werden.

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