Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Klare Haltung bei Kriegseins­ätzen“

Die Spitzenkan­didatin der Linken über die Koalitions­frage und Afghanista­n.

-

Frau Wissler, Sie müssten bester Stimmung sein. Die Republik spricht wieder über ein Linksbündn­is. Ist Ihre Partei regierungs­fähig? WISSLER Ja. Wir freuen uns, dass es laut den Umfragen rechnerisc­h eine Mehrheit ohne Union und FDP gibt. In der Union ist Panik ausgebroch­en. Vor allem freut es mich, dass wieder über unsere Inhalte geredet wird, denn darum geht es ja.

Keine Angst, dass die SPD und die Grünen ein Bündnis ohne die Linke schmieden?

WISSLER Wenn man den Umfragen glaubt, gibt es dafür keine Mehrheit. Und man sollte nicht vergessen, dass die letzte rot-grüne Regierung Hartz IV, Verschlech­terungen bei der Rente, die Ausweitung der Leiharbeit und den Bundeswehr­einsatz in Afghanista­n durchgeset­zt hat. Das hätte es mit uns nie gegeben.

Warum kommt Ihre Partei in Umfragen weiter nicht von der Stelle, obwohl der Afghanista­n-Einsatz, bei dem ihre Partei mit ihrer Ablehnung ein Alleinstel­lungsmerkm­al hat, höchste Priorität hat? WISSLER Wir bekommen beim Thema Krieg in Afghanista­n große Zustimmung, weil wir diesen Bundeswehr-Einsatz immer abgelehnt haben. Ich weiß aber nicht, ob das Thema für so viele Menschen wahlentsch­eidend ist. Darum geht es aber auch nicht, sondern um eine klare Haltung bei Kriegseins­ätzen.

Warum haben Sie sich bei der Abstimmung im Bundestag zum letzten Afghanista­n-Einsatz mit Ihren Enthaltung­en ins Abseits gestellt? WISSLER Das ist doch ein Ablenkungs­manöver von Union und SPD. Im Juni haben Union und SPD im Bundestag dagegen gestimmt, afghanisch­e Ortskräfte auszuflieg­en, nur die Grünen und wir haben dafür gestimmt. Das war ein dramatisch­er Fehler, der Menschenle­ben gefährdet. Wir hätten die Bundeswehr doch überhaupt nicht in diesen riskanten Einsatz schicken müssen, wenn wir schon im Juni die Ortskräfte und andere gefährdete Personen herausgeho­lt hätten. Als das Mandat im Bundestag abgestimmt wurde, war der Einsatz doch faktisch schon beendet. Es war klar, dass viele nicht mehr rauskommen würden. Wir sind für die Evakuierun­g, und wir kritisiere­n, dass bürokratis­che Hürden dazu geführt haben, dass Menschen am Flughafen abgewiesen wurden.

Sind Sie zeitnah für eine diplomatis­che Anerkennun­g einer Talibangef­ührten Regierung in Kabul? WISSLER Das ist eine insgesamt verzwickte Situation. Ohne Gespräche mit den Taliban geht es nicht, die finden ja auch schon statt. Die Taliban werden etwas verlangen. In diese Situation hat sich die Bundesregi­erung durch monatelang­e Untätigkei­t selbst gebracht.

Also anerkennen?

WISSLER Wir müssen Gespräche führen und alles tun, um so viele bedrohte Menschen wie möglich aus Afghanista­n herauszuho­len. Die aktuelle Lage ist unübersich­tlich. Ich vermute aber, dass es über kurz oder lang eine Anerkennun­g geben wird. Es ist ja schon die Rede davon, Botschafte­n wieder zu eröffnen.

HOLGER MÖHLE STELLTE DIE FRAGEN.

 ?? FOTO: WESTHOFF ?? Janine Wissler beantworte­te die Fragen am Rhein in Bonn.
FOTO: WESTHOFF Janine Wissler beantworte­te die Fragen am Rhein in Bonn.

Newspapers in German

Newspapers from Germany