Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Wenn es auf den September zugeht, wird mein Herz schwer“
Die US-Generalkonsulin für Nordrhein-Westfalen, Pauline Kao, ist seit August in Düsseldorf im Dienst. Sie erlebte die Terroranschläge am 11. September 2001 in Washington – es war ihr zweiter Tag als Diplomatin. Dieser Tag, so schreibt sie, habe uns alle u
Es gibt Tage im Leben, die vergisst man nicht. Man erinnert sich genau, wo man war, was man getan hat, an die Gerüche, die Geräusche, an die ganze Atmosphäre. Am 11. September 2001 war traumhaft schönes Wetter.
An diesem Morgen begann ich meinen zweiten Tag als Diplomatin im US-Außenministerium. Der Einführungslehrgang für amerikanische Diplomatinnen und Diplomaten fand auf unserem Campus in Nord-Virginia statt, 6,7 Kilometer vom Pentagon entfernt. Um 8.50 Uhr kam die Ausbilderin in unsere Klasse und sagte: „Gerade ist ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen. Wir wissen noch nicht, was da los ist.“Wir waren verwirrt, machten aber weiter. 15 Minuten später kam sie wieder und sagte: „Eben ist ein zweites Flugzeug in den zweiten Turm geflogen. Das ist ein Terroranschlag.“
Wir waren fassungslos. Zwar machte unsere Dozentin weiter, aber mir fehlen bis heute die 30 Minuten zwischen der Nachricht vom zweiten Turm und dem Moment, als das Flugzeug ins Pentagon stürzte. Die Explosion erschütterte unser Gebäude, die Fensterscheiben vibrierten, zerbrachen aber nicht. Aber in uns zerbrach etwas. Wenn ich an diesen Morgen zurückdenke, spüre ich immer noch den metallischen Geschmack in meinem Mund und wie sich mein Brustkorb zusammenzog.
Die darauffolgenden Stunden und Tage sind in meiner Erinnerung
gleichzeitig verschwommen und glasklar. Es herrschten Chaos und Verwirrung, und es gab kaum verlässliche Informationen. Vom höchsten Punkt Arlingtons sah ich den Rauch, der aus dem Pentagon aufstieg. Abends packte ich eine Notfalltasche mit etwas Geld, Pass, Wasser, Notfall-Kontaktdaten sowie meinem Impfpass. Ich dachte, es wäre gut, diese Dinge griffbereit zu haben. Die Telefonleitungen waren überlastet. Ich habe E-Mails verschickt, um allen zu sagen, dass es mir gut geht.
Als ich meine Eltern an der Westküste endlich erreichte, erfuhr ich, dass mein 102-jähriger Großvater in Taiwan am 10. September gestorben war. Er starb, ohne die Tragödie miterleben zu müssen, und darüber war ich froh, aber es verunsicherte mich auch, dass ich mich überhaupt über etwas freuen konnte. Der Luftraum über den Vereinigten Staaten war tagelang gesperrt, sodass mein Vater als ältester Sohn nicht zur Beerdigung konnte. Wir haben nie darüber gesprochen.
Jedes Jahr, wenn es auf den September zugeht, wird mein Herz schwer. Glücklicherweise macht die Trauer allmählich Platz für ihren gütigeren Freund, die Erinnerung, denn jedes Jahr gedenken wir der Verstorbenen und würdigen den außergewöhnlichen Heldenmut, der an diesem Tag und den folgenden Wochen an der Tagesordnung war. Präsident Obama hat einmal gesagt, „an diesem Tag waren wir, unabhängig davon, woher wir kamen, als eine amerikanische Familie vereint“.
Der 11. September hat Länder auf der ganzen Welt darin geeint, einem schwer getroffenen Land solidarisch zur Seite zu stehen. An diesem furchtbaren Tag starben nicht nur Tausende Amerikanerinnen und Amerikaner, sondern auch Staatsangehörige aus 90 anderen Ländern, darunter elf Deutsche. Zum ersten und einzigen Mal erklärte die Nato den Bündnisfall. Der 11. September hat uns und die Welt verändert. Die Folgen und Auswirkungen sind zu tiefgreifend, um sie zu erfassen.
Ich trat in den Auswärtigen Dienst ein, unmittelbar nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Berlin. Nun als US-Generalkonsulin in Düsseldorf
nach Deutschland zurückzukehren, ist für mich ein beruflicher und persönlicher Glücksfall.
An diesem 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September ist es mir eine Ehre, mich durch meine Arbeit im Sinne des Allgemeinwohls, der Menschlichkeit und einer gemeinsamen Zukunft erneut für die Stärkung der deutsch-amerikanischen Beziehungen einzusetzen. Mögen wir niemals vergessen.