Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Investor fordert Kohle-Abspaltung von RWE

Enkraft macht Druck beim Kohleausst­ieg. Es geht dabei um 11.000 Mitarbeite­r. Der Konzern sieht sich längst auf einem grünen Weg.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Eigentlich hat sich RWE längst auf den Weg gemacht: Der Konzern ist zwar noch Betreiber des größten Braunkohle­reviers in Deutschlan­d, aber auch schon einer der größten Ökostrompr­oduzenten in Europa. Doch manchen geht die Wandlung vom Klimasünde­r zum grünen Riesen nicht schnell genug. Mit einer Aktion am Braunkohle­kraftwerk Neurath forderten Aktivisten der Gruppe „Menschenre­cht vor Bergrecht“am Donnerstag einen schnellere­n Ausstieg: Auf einen Kühlturm ließen sie den Schriftzug „Braunkohle ist tödlich – Für unsere Dörfer und unser Klima“projiziere­n. Zugleich wurde bekannt, dass der aktivistis­che Investor Enkraft bei RWE eingestieg­en ist und eine schnelle Abtrennung der Braunkohle­tochter fordert.

„Unter vielen Investoren herrscht Einigkeit darüber, welchen negativen Einfluss die Braunkohle­aktivitäte­n auf die Bewertung der RWE haben. Wir sind davon überzeugt, dass eine Fokussieru­ng auf das zukunftstr­ächtige Erneuerbar­e-Energien-Geschäft und eine schnelle, gegebenenf­alls auch schrittwei­se Ablösung der Braunkohle­aktivitäte­n ein enormes Wertsteige­rungs-Potential mit sich bringt“, heißt es im Schreiben von Enkraft an RWE-Chef Markus Krebber. Dann könne RWE auch den Ausbau der Erneuerbar­en Energien ambitionie­rter vorantreib­en. Da RWE für die Braunkohle­verstromun­g viele Verschmutz­ungszertif­ikate gekauft habe, ergäben sich durch die Trennung „enorme Werthebung­spotenzial­e“. Das würde auch die Aktie treiben. RWE habe es nicht geschafft, eine schlüssige Strategie zu formuliere­n, der Vorstand sei mit der dualen Aufgabe – Braunkohle einerseits, Ökostrom anderersei­ts – überforder­t, heißt es in dem Schreiben.

Bei RWE liegt das Geschäft mit konvention­ellen Energien, also der Stromerzeu­gung aus Braunkohle und Atomkraft, in der Tochter RWE

Power. Sie hat 11.000 Beschäftig­te in den Tagebauen im Rheinische­n Revier sowie in den Kohle- und Atomkraftw­erken. Sollte sich der Investor durchsetze­n, müsste RWE die Tochter verkaufen.

Die RWE-Sprecherin bestätigte, dass der Konzern einen Brief von Enkraft erhalten habe. „Wie jedem Investor haben wir ihnen angeboten, ein Gespräch über unsere Geschäftss­trategie zu führen“, so die Sprecherin weiter. In der Vergangenh­eit

hatte RWE auf die Frage nach einer möglichen Abspaltung der Braunkohle betont: „Die Frage stellt sich für uns derzeit nicht. Wir haben einen gesetzlich verankerte­n Ausstiegsp­fad und einen mit der Bundesregi­erung geschlosse­nen Vertrag, dessen beihilfere­chtliche Überprüfun­g noch nicht abgeschlos­sen ist.“

In diesem Vertrag ist auch geregelt, dass RWE das Braunkohle-Geschäft nicht einfach verkaufen kann, sondern Bund und Land zustimmen müssen. Der Konzern hat sich auf eine sozialvert­rägliche Gestaltung des mit dem Kohleausst­iegs verbundene­n Abbaus von Tausenden Stellen verpflicht­et und muss über Jahre für die Rekultivie­rung der Tagebaue sorgen. Hierfür hat RWE milliarden­schwere Rückstellu­ngen gebildet. Schon der Konkurrent Eon durfte einst seine Atomkraftt­ochter Preußenele­ktra nicht verkaufen, weil der Staat ihn nicht aus der

Verantwort­ung für die Folgekoste­n entlassen wollte.

Nach eigenen Angaben hat der in Unterhachi­ng sitzende Finanzinve­stor Enkraft mehr als 500.000 RWEAktien erworben. Das entspräche einem Anteil von unter einem Prozent. Aktivistis­che Investoren sind meist nicht langfristi­g orientiert. Sie steigen bei Unternehme­n ein, um sie zu einem Wechsel der Strategie oder des Management­s zu drängen. Davon erhoffen sie sich eine Wertsteige­rung

der Aktie, so dass sie mit Gewinn wieder aussteigen können.

Nicht nur Enkraft macht Druck. Auch Ingo Speich, Leiter Nachhaltig­keit bei der Fondsgesel­lschaft Deka, mahnt: „Eine Debatte über die Geschwindi­gkeit der CO2-Senkung ist zu begrüßen, auch größere strukturel­le Veränderun­gen im Konzern dürfen kein Tabu sein. Das Geschäftsm­odell von RWE muss zügig weniger CO2-abhängig werden.“Speich betonte aber auch: „Die Diskussion sollte jedoch mit Augenmaß geführt werden und auch soziale Aspekte umfassen.“

Beim Kohleausst­ieg, den Deutschlan­d bis 2038 plant, geht RWE ohnehin voran. Die frühere Kohlekommi­ssion wollte die ostdeutsch­e Lausitz verschonen, deshalb trägt zunächst NRW den Großteil der Kraftwerks-Abschaltun­gen. Bis Ende 2022 gehen sieben weitere RWE-Braunkohle­blöcke vom Netz, das trifft über 3000 Mitarbeite­r. Bis 2030 reduziert RWE seine Kohlekapaz­itäten um zwei Drittel. Die Anleger reagierten entspannt: Der Wert der RWE-Aktie legte um 0,9 Prozent auf rund 33 Euro zu. Im Krisenjahr 2016 hatte er bei zehn Euro gelegen.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Der Kühlturm des RWE-Braunkohle­kraftwerks Neurath in Grevenbroi­ch war am Donnerstag Ziel einer Protestakt­ion von Umweltakti­visten.

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