Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
„Haben noch keine Herdenimmunität“
Gesundheitsamtsleiter Dr. Frank Neveling gibt im Sozialausschuss eine differenzierte Einschätzung der Corona-Lage in Remscheid. Die Stadt begrüßt die für NRW geplanten Lockerungen der Quarantäneregeln an Schulen und Kitas.
REMSCHEID Der Leiter des Remscheider Gesundheitsamtes, Dr. Frank Neveling, begrüßt die Ankündigung der NRW-Landesregierung, die Quarantäneregeln an Schulen und Kitas lockern zu wollen. Demnach sollen nur noch positiv auf Corona getestete Kinder in Quarantäne geschickt werden, nicht mehr aber Klassenkameraden oder Kitakinder, die neben diesen Kindern gesessen haben. Das bedeute Erleichterung für die Kinder und ihre Eltern. Es gebe Kinder, die ohne je selber infiziert gewesen zu sein, durch diese Regelung bereits viermal in Quarantäne geschickt worden seien, berichtete Neveling am Mittwochabend im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Wohnen und Pflege. Diese Vorgehensweise entlaste auch das Team im Gesundheitsamt, das für die Kontaktnachverfolgung in diesem Bereich zuständig ist. „Infektionen finden zu Hause statt und nicht in der Schule“, fasste Sozialdezernent Thomas Neuhaus die Erfahrungen in diesem Bereich in den vergangenen Monaten zusammen.
Neveling räumte ein, dass er durch die Reiserückkehrer zwar mit einem Anstieg der Infektionen nach den Ferien gerechnet habe, ihn die „Dynamik“des Anstiegs aber überrascht habe. An einem Wochenende habe es 80 Neuinfektionen gegeben. Aktuell aber entspanne sich die Lage wieder, so dass man derzeit „zum Glück“nicht von einem exponentiellen Wachstum sprechen müsse.
Die Frage von Frank vom Scheidt (Grüne), wie hoch exakt die aktuelle Impfquote in Remscheid sei, lässt sich laut Neveling nicht exakt beantworten. Zwar könne man die Zahl der Menschen, die in Remscheid vollständig geimpft wurden, zu der Zahl der rund 7000 offiziell von der Infektion Genesenen addieren. Es bleibe aber die Dunkelziffer jener
Menschen, die mit dem Virus infiziert waren, ohne davon gewusst zu haben. Neveling machte eine andere Rechnung auf. Von den 18.000 Remscheidern im Alter unter 18 Jahren seien 15.000 noch nicht geimpft – vor allem, weil es für Kinder im Alter unter zwölf Jahren noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Addiere man geschätzte 5000 bis 10.000 Bürger dazu, die sich nicht impfen lassen wollen, komme man auf eine ungeimpfte Gruppe von 20.000 bis 25.000 Personen, sagte Neveling. Konsequenz: „Wir haben noch keine Herdenimmunität.“Er glaube aber, so Neveling, „dass Impfungen für Kinder kommen, am besten nicht mit Spritze“. Im Thema sei „viel Dynamik“.
In Bezug auf die im Oktober startenden Drittimpfungen für über 80-Jährige, Pflegebedürftige und Menschen mit Immunschwäche riet Neveling den Betroffenen, dieses Angebot frühzeitig anzunehmen und diese Impfung möglichst nicht gemeinsam mit der Grippe-Impfung im Herbst wahrzunehmen. Die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr zeige, dass Doppel-Impfungen „sehr unangenehme“Nebenwirkungen haben könnten.
Dass Corona-Tests für nicht Geimpfte ab Oktober nicht mehr kostenlos sind, nannte Neveling eine „richtige Entscheidung“. Er geht davon aus, dass die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, dadurch steigen wird. Neveling erwartet, dass die „vierte Welle“des Infektionsgeschehens milder verlaufen werde als die vorausgegangene. „Es ist jetzt genug Impfstoff da. Und es gibt keine Probleme mit der Priorisierung.“