Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Die Underdogs können aufholen
Wer gedacht hat, die Wahl wäre wegen der derzeitigen Umfragen schon entschieden, wurde beim zweiten TV-Dreikampf eines Besseren belehrt. Die beiden unter Druck geratenen Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (Union) waren gut in Form, angriffslustig und debattenfreudig. Weil überraschend viele Themen von Digitalsierung, Gesundheit, Mieten, Steuern, Renten und Klimapolitik (wo blieb aber die Außen- und Sicherheitspolitik?) angesprochen wurden, entstand ein klareres Bild, wofür die einzelnen Bewerber stehen.
Der derzeitige Spitzenreiter Olaf Scholz wollte präsidial und souverän wirken, strauchelte aber beim Thema Razzia in seiner Kölner Zolleinheit und konnte auch danach nicht so deutlich sein Profil entwickeln wie beim letzten TV-Dreikampf. Im direkten Duell mit Unionskandidat Laschet wirkte er bisweilen recht dünnhäutig. Dabei hätte ihm klar sein müssen, dass der Christdemokrat die Attacke sucht.
Inhaltlich war der Auftritt der drei auf gutem politischen Niveau, wenn auch nur wenig Neues sichtbar wurde. Immerhin gab es um die Zukunftsthemen eine echte Debatte, wobei vor allem hängen blieb, dass die Grünen drängen, die Union auf die Innovationskraft der Wirtschaft hofft und die SPD einen moderaten Weg der Veränderung gehen will.
Es dürfte im dritten Triell noch einmal spannend werden. Dann müssen die zwei Kandidaten und die Kandidatin final erklären, warum und wohin sie die Republik und ihre Bürgerinnen und Bürger in den nächsten vier Jahren führen wollen. Das ist trotz des Streits um die Sache noch immer nicht hinreichend deutlich geworden. Wenigstens nimmt der Wahlkampf nun auch jenseits von Pannen und Fehltritten an Fahrt auf. Die Wahlberechtigten wird es freuen.
BERICHT ATTACKE VORAUS, POLITIK