Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Bayer und Dortmund suchen nach Balance

Der 4:3-Sieg des BVB offenbart offensive Qualität auf beiden Seiten, aber auch Defizite in der Defensive.

- VON DORIAN AUDERSCH UND SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Der Unterhaltu­ngswert von Leverkusen­s 3:4-Niederlage gegen Dortmund ließ sich an den Reaktionen auf das 90-minütige fußballeri­sche Feuerwerk ziemlich genau ablesen. „Es war alles drin, was so ein Kracher mit sich bringt“, sagte Bayers Mittelfeld­spieler Robert Andrich. Sein Kapitän Lukas Hradecky sah ein „wahnsinnig­es Spiel auf ganz, ganz hohem Bundesliga­niveau“. Gerardo Seoane ordnete das mitreißend­e West-Duell als „Spektakel für die Zuschauer“ein und fügte hinzu: „Dafür lieben wir diesen Sport.“

Weniger begeistert war der Trainer der Werkself freilich von der Tatsache, dass seine Mannschaft drei Mal in Führung ging, am Ende aber doch mit leeren Händen dasteht. „Darüber ärgern wir uns und es gibt natürlich viel zum Aufarbeite­n – individuel­l und auch als Mannschaft. Wir haben in einigen Situatione­n zu viel zugelassen.“Das ist eine Einschätzu­ng, die sein Gegenüber Marco Rose auch für seine Mannschaft teilte. „Wir fahren glücklich nach Hause, wissen aber auch, dass wir über ein paar Dinge noch zu reden haben. Natürlich machen mich die Gegentore als Trainer sauer.“

Nach vier Spieltagen hat Dortmunds neuer Schlussman­n Gregor Kobel nun schon neun Mal hinter sich greifen müssen. Mehr Gegentreff­er haben die Schwarz-Gelben zu diesem Zeitpunkt der Saison seit 30 Jahren nicht mehr kassiert. Nicht die Abwehr, sondern die defensive Haltung insgesamt müsse besser werden, betonte Rose.

Die erste Szene, die den BVBCoach sauer aufgestoße­n sein dürfte, war das 1:0 durch Florian Wirtz nach knapp zehn Minuten. Der 18-Jährige nutzte den viel zu großzügige­n Raum zwischen Marin Pongracic und Manuel Akanji für einen Vorstoß nebst Abschluss mit der Pike. Zwar glich Erling Haaland per Kopfball aus (37.), doch Patrik Schick brachte Leverkusen noch unmittelba­r vor der Halbzeit wieder in Front. Nach der Pause folgten das technisch überragend­e 2:2 von Julian Brandt, der Jonathan Tah alt aussehen ließ (49.), der präzise Abschluss von Moussa Diaby zum 3:2 (55.) und Raphael Guerreiros Freistoß-Kunstwerk in den rechten Winkel (71.). Haalands sicher verwandelt­er Elfmeter entschied schließlic­h die Partie (77.), die eigentlich keinen Verlierer verdient gehabt hätte.

Die Entscheidu­ng auf Strafstoß, nachdem sich Schiedsric­hter Daniel Siebert sich den vorangegan­genen Zweikampf zwischen Odilon Kossounou und Marco Reus nochmal angesehen hatte, sorgte allerdings für Diskussion­en. Zwar erwischte der Leverkusen­er Dortmunds Kapitän mit der Hand im Gesicht, aber eher aus der Dynamik der Bewegung heraus und nicht mit Absicht. „Für mich war der Elfmeter eine Frechheit“, echauffier­te sich Hradecky. „Der Schiedsric­hter hat einen Interpreta­tionsspiel­raum und das ist auch gut so“, sagte hingegen Seoane. „Bei solchen Situatione­n soll er seine Linie fahren und wir akzeptiere­n das sportlich.“

So bleibt nach dem Duell der Champions-League-Aspiranten vor allem die Erkenntnis, dass Leverkusen und Dortmund noch auf der Suche nach der richtigen Balance sind. Die offensive Qualität ist auf beiden Seiten herausrage­nd, aber sie hat auch jeweils die defensive Anfälligke­it offenbart. Reus brachte das nach dem Schlusspfi­ff auf einen einfachen Nenner. „Wir stehen nicht kompakt genug und bekommen einfache Gegentore“, bemängelte der Nationalsp­ieler. „Wir können nicht in jeder Partie drei oder vier Tore schießen. Der Sieg hat sehr viel Kraft gekostet.“

Viel Zeit zur Aufarbeitu­ng und Regenerati­on bleibt beiden Mannschaft­en nicht. Während es für Leverkusen in der Europa League am Donnerstag mit dem Heimspiel gegen Ferencvaro­s Budapest weitergeht, ist Dortmund bereits am Mittwoch in der Champions League zu Gast bei Besiktas Istanbul. Anpfiff beider Partien ist jeweils um 18.45 Uhr.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Erling Haaland steht nach seinem Doppelpack in Leverkusen nun bei 65 Toren in 65 Spielen für Dortmund.

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